Mit der Zulässigkeit der Veröffentlichung kontextbezogener Fotos in einem Presseartikel über Prominente beim Besuch einer Vernissage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof im Rahmen einer Klage der Tochter von Caroline Prinzessin von Hannover gegen die Verlegerin der Zeitschrift „BUNTE“ zu befassen:

Der Bundesgerichtshof stellt zunächst fest, dass eine konkludente Einwilligung der Klägerin in die streitgegenständliche Bildveröffentlichung nicht vorgelegen hat (vgl. § 22 Satz 1 KUG). Nur aus ihrer Teilnahme an der Ausstellungseröffnung und einer von der Beklagten behaupteten Kenntnis davon, dass Fotos angefertigt wurden, ist nicht auf eine konkludente Einwilligung zu schließen. Irgendwelche Handlungen der Klägerin, aus denen der Fotograf auf eine solche Einwilligung hätte schließen können, sind nicht dargetan1.
Gleichwohl steht der Klägerin nach Ansicht des Bundesgerichtshofrs der geltend gemachte Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu. Die beanstandete Bildveröffentlichung war nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zulässig.
Die Zulässigkeit der Bildveröffentlichung ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen((vgl. etwa BGH, Urteile vom 06.03.2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 10.03.2009 – VI ZR 261/07, BGHZ 180, 114 Rn. 9 ff.; vom 07.06.2011 – VI ZR 108/10, VersR 2011, 1065 Rn. 14 ff., jeweils mwN)), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben2 als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Einklang steht3. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich mit deren – hier nicht vorliegenden – Einwilligung verbreitet werden4. Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
Nach diesem Schutzkonzept erfordert schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits5. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinne zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historischpolitischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Die grundrechtliche Gewährleistung umfasst auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen, sowie die Abbildung von Personen6. Allerdings bedarf es bei unterhaltenden Inhalten im besonderen Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen. Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen7. Insoweit reicht allerdings bereits die Möglichkeit aus, dass der Beitrag der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann8.
Nach diesen Grundsätzen liegt bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Veröffentlichung einschließlich der Wortberichterstattung ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor. Es handelt sich um einen unterhaltenden Beitrag über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen, der Anlass zu sozialkritischen Überlegungen sein kann. Auch wenn Gegenstand des Beitrags dabei – wie im Fall der Klägerin – nicht durchweg Personen sind, die ein Amt innehaben oder eine sonstige Position im öffentlichen Leben ausfüllen, interessiert es weite Kreise der Öffentlichkeit zu erfahren, dass junge Menschen als Abkömmlinge reicher und/oder adliger Prominenz an einem Londoner Abend ihre Freizeit in der in dem Artikel geschilderten Weise gestalten. In diesem Zusammenhang wird auch über die Eröffnung der Vernissage berichtet, bei der das beanstandete Foto aufgenommen wurde. Obgleich es sich um eine geschlossene Veranstaltung für geladene Gäste handelte, war ein Fotograf einer bekannten Bildagentur anwesend, der von den Gästen Aufnahmen anfertigte. Die Fotos konnten allgemein bezogen werden. Damit kann sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem veröffentlichten Foto nicht mehr auf einen geschlossenen Charakter der Veranstaltung berufen. Bei einer solchen Veranstaltung ist es ohnehin nicht ungewöhnlich, dass nur geladene Gäste Einlass finden, aber dennoch publikumswirksam darüber berichtet wird, zumal die Gallerie dem „Rolling Stone“ Ron Wood gehört und Werke eines WarholSchülers veröffentlich wurden.
Es handelt sich nicht um einen Eingriff in den privaten Bereich oder einen Bericht, der sich auf das Privatleben der Klägerin beschränkt. Die Klägerin hat sich durch die Teilnahme an der Veranstaltung in den Bereich des gesellschaftlichen Lebens begeben. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sie selbst in dem „AnOther Magazine“ über eine Kunstausstellung in Spanien berichtet hat und der Besuch der Kunstausstellung mithin bei ihr nicht nur unter privaten Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Dies wird in dem Artikel deutlich, indem – quasi innerhalb des Berichts über „die lange Nacht der GOLDKINDER“ – über die Veröffentlichung berichtet wird. In der Bildinnenschrift „IM GEDRÄNGE …“ wird ebenfalls darauf Bezug genommen, da die Klägerin als „junge Kunstkolumnistin“ bezeichnet wird. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen ihrer journalistischen Tätigkeit hinsichtlich einer Kunstausstellung und der Teilnahme an der Vernissage hergestellt.
Indem der Artikel sich damit befasst, was im Moment „cool“ ist, welchen Stellenwert „Royals“ in der „Jungsociety“ haben und welche Veranstaltungen diese und die anderen Abkömmlinge Prominenter besuchen, zeichnet er zugleich ein Bild der Nachkommen gesellschaftlich einflussreicher und vermögender Personen, welches für die Öffentlichkeit interessant ist und die sozialen Unterschiede, in denen junge Menschen aufwachsen, deutlich werden lässt. Insbesondere an dem Bezug zur Tätigkeit der Klägerin als „junge Kunstkolumnistin“ und ihrem vertrauten Umgang mit Galleristen wird aufgezeigt, welche Türen für solche jungen Menschen offenstehen, wodurch zugleich ihre berufliche Entwicklung gefördert wird („People der nächsten 40 Jahre“).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sind keine überwiegenden berechtigten Interessen der Klägerin (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die bei der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit der Verbreitung des sie zeigenden Fotos entgegenstünden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 5/10
- vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08, VersR 2010, 1090 Rn. 11[↩]
- vgl. BVerfGE 120, 180, 201 f., 211 ff.[↩]
- vgl. EGMR, NJW 2004, 2647 Rn. 45 ff.[↩]
- § 22 Satz 1 KUG[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteile vom 10.03.2009 – VI ZR 261/07, aaO, Rn. 10; vom 07.06.2011 – VI ZR 108/10, aaO, Rn. 17 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 26.10.2010 – VI ZR 190/08, VersR 2011, 127 Rn. 14; vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08, aaO, Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2010 – VI ZR 125/08, aaO, Rn. 14 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2008 – VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411 Rn. 30; BVerfGE 120, 183, 203; EGMR, Urteile vom 16.11.2004, Beschwerde-Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, NJW 2006, 591 Rn. 40; vom 01.03.2007, Beschwerde-Nr. 510/04, Tønsbergs Blad u.a. gegen Norwegen, § 82[↩]