Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt kraft des Anwaltsvertrages verpflichtet, innerhalb der Grenzen des Mandats die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen1. Soweit die Mandantin nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass sie des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren2. Er hat die Aufgabe, sich die für das Prozessziel notwendige Information von der Auftraggeberin zu beschaffen. Ohne Kenntnis und Klärung des Sachverhalts sowie der damit zusammenhängenden tatsächlichen Einzelheiten ist eine den Anforderungen der Verfahrensvorschriften genügende Prozessführung und damit auch eine gewissenhafte Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers nicht möglich. Bei lückenhaften oder oberflächlichen Informationen muss der Rechtsanwalt daher auf ihre Vervollständigung dringen3. In den Grenzen des Mandats hat er der Mandantin diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verdichten sich die genannten Pflichten des Rechtsanwalts, wenn Ansprüche zu verjähren drohen. In solch einer Situation muss der Anwalt den Mandanten vor Gefahren warnen, die sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewusst ist. Gerade in Zusammenhang mit Verjährungsfragen muss der Anwalt das „Gebot des sichersten Weges“ befolgen4.

Dabei wird nicht verkannt, dass eine für den Schaden mit ursächliche, willentliche Handlung des Verletzten – hier: der Abschluss des Vergleichs vor dem Amtsgericht E. vom 21.01.2009 – es nicht ohne weiteres ausschließt, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat. Bestand für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert, erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen5.
Die Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung durch Vergleich kann grundsätzlich ein sachgemäßes Verhalten sein, das auf die Zurechnung des Schadens zum haftungsbegründenden Verhalten des Schuldners keinen Einfluss hat6. Wenn der Mandant eine durch den Berater infolge fehlerhafter Beratung ausgelöste oder beeinträchtigte rechtliche Auseinandersetzung durch einen Vergleich abschließt, ist eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch Handlungen des Mandanten regelmäßig zu verneinen7. Hat ein Mandant wegen einer Erklärung seines Rechtsanwalts einen für ihn ungünstigen Vergleich abgeschlossen, kann ihm der Anwalt zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn die Durchführung der Klage bei hypothetischer Fortführung des Verfahrens zum Erfolg geführt hätte8.
In Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden wird das berechtigte Interesse der Aufraggeberin des Rechtsanwalts, mit ihrer Klage nicht infolge unerfüllbarer Beweisanforderungen zu scheitern, dadurch gewahrt, dass das Bestreiten des Anwaltes nur erheblich ist, wenn dieser konkret darlegt, wie die Beratung ausgesehen hat, die er erbracht haben will. Der Anwalt kann sich also nicht damit begnügen, den Vorwurf allgemein in Abrede zu stellen. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung schildern, insbesondere konkrete Angaben darüber machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie die Mandantin darauf reagiert hat9 . Die Anforderungen an die Substantiierung richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Keinesfalls wird verlangt, dass der Rechtsanwalt die Gespräche mit dem Mandanten nach Ort und Zeit genau einordnet. Grundsätzlich genügt die nähere Erläuterung, wie er die von ihm jeweils geschuldete Pflicht erfüllt haben will10. Ist dies geschehen, so muss die klagende Mandantin die von ihrem früheren Berater gegebene Schilderung widerlegen.
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. Juli 2011 – 6 O 250/09
- vgl. BGH, NJW 2009, 524[↩]
- vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1235[↩]
- vgl. BGH, NJW 1982, 437[↩]
- vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1235 ; OLG Karlsruhe, NJW 2010, 1760[↩]
- vgl. BGH, VersR 2007, 702; m.w.N.; ferner Fischer in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1018[↩]
- vgl. BGH, VersR 1993, 443; BGH, NJW 1989, 99, 100;[↩]
- vgl. BGH, DStR 2010, 624, m.w.N.;[↩]
- vgl. zur Haftung eines Patentanwalts: BGH, NJW – RR 2000, 791[↩]
- vgl. BGH, VersR 1994, 1231[↩]
- vgl. BGH, aaO.; Fischer in Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 958 f, S. 545 jeweils m.w.N.[↩]