Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Presse-Archiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsbegehrens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen.

Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten. Denn in diesem Fall hat die Presse bei der ursprünglichen Veröffentlichung bereits die für sie geltenden Maßgaben beachtet und kann daher im Grundsatz verlangen, sich nicht erneut mit dem Bericht und seinem Gegenstand befassen zu müssen1.
Die Interessen des Betroffenen sind mit den Interessen der Presse und der Allgemeinheit an der dauerhaften Zugänglichkeit einer ursprünglich zulässigen Berichterstattung in Hinblick auf die veränderten Umstände angemessen in Ausgleich zu bringen.
Insoweit haben die Gerichte insbesondere die Schwere der aus der trotz der verstrichenen Zeit andauernden Verfügbarkeit der Information drohenden Persönlichkeitsbeeinträchtigung, den Zeitablauf seit dem archivierten Bericht, das zwischenzeitliche Verhalten des Betroffenen einschließlich möglicher Reaktualisierungen, die fortdauernde oder verblassende konkrete Breitenwirkung der beanstandeten Presseveröffentlichung, die Priorität, mit der die Information bei einer Namenssuche im Internet kommuniziert wird, das generelle Interesse der Allgemeinheit an einer dauerhaften Verfügbarkeit einmal zulässig veröffentlichter Informationen und das grundrechtliche Interesse von Inhalteanbietern an einer grundsätzlich unveränderten Archivierung und Zurverfügungstellung ihrer Inhalte angemessen zu berücksichtigen.
Zumutbar sind einschränkende Maßnahmen gegenüber der unbehinderten und unveränderten Bereitstellung von ursprünglich zulässigen Presseberichten in Online-Archiven nur, wenn deren Folgen für die Betroffenen besonders gravierend sind und sie damit eine solche Bereitstellung über Einzelfälle hinaus nicht schon grundsätzlich in Frage stellen2.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Januar 2021 – VI ZR 437/19
- vgl. BVerfGE 152, 152 Rn. 112 f., 115, 127, 130; BVerfG [K], AfP 2020, 302 Rn. 10; NJW 2020, 1793 Rn. 10; BGH, Urteil vom 22.09.2020 – VI ZR 476/19, AfP 2020, 494 Rn. 10[↩]
- vgl. BVerfGE 152, 152 Rn. 101 ff., 107, 112 f., 114, 121 ff., 125, 130, 153; BVerfG [K], AfP 2020, 302 Rn. 11; NJW 2020, 1793 Rn. 11; BGH, Urteile vom 22.09.2020 – VI ZR 476/19, AfP 2020, 494 Rn. 11; vom 18.12.2018 – VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881 Rn. 16, 24 f.[↩]