Für die Verurteilung nach § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG bedarf es der Feststellung einer konkret geschützten Tonaufnahme (Titel, Interpret, ggfs. Album) und des dazugehörigen Rechteinhabers. Diesen Anforderungen wird die bloße Feststellung, die Angeklagte habe „Raubkopien“ hergestellt, nicht gerecht.

§ 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG dient dem Schutz des Tonträgerherstellers bzw. seiner verwertungsrechtlichen Befugnisse1. Tonträgerhersteller und Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 85 UrhG ist, wer die wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung erbringt, das Tonmaterial erstmalig auf einem Tonträger aufzuzeichnen2. Einzelheiten zum Schutz des Herstellers von Tonträgern regelt § 126 UrhG, namentlich zum persönlichen Schutzbereich. Den nach § 85 UrhG gewährten Schutz genießen deutsche Staatsangehörige oder Unternehmen mit Sitz im Geltungsbereich des UrhG für alle ihre Tonträger, gleichviel, ob und wo diese erschienen sind (§ 126 Abs. 1 Satz 1 UrhG). Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum stehen den vorgenannten Unternehmen gleich (§ 126 Abs. 1 Satz 3 UrhG). Für ausländische Staatsangehörige oder Unternehmen ohne Sitz im Geltungsbereich des UrhG gelten die Regelungen in § 126 Abs. 2 und Abs. 3 UrhG. Dabei kommt § 126 Abs. 3 UrhG in Verbindung mit dem Genfer Tonträger-Abkommen (GTA) vom 10.12 1973 besondere Bedeutung zu, weil diesem Abkommen zahlreiche Länder außerhalb der Europäischen Union beigetreten sind, u.a. die USA. Neben dem persönlichen Schutzbereich wird der Straftatbestand des § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG maßgeblich durch die Schutzrechtsdauer geprägt, die in § 85 Abs. 3 UrhG geregelt ist.
Vor diesem Hintergrund bedarf es für eine Verurteilung nach § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG der Feststellung einer konkret geschützten Tonaufnahme (Titel, Interpret, ggfs. Album) und des dazugehörigen Rechteinhabers. Diesen Anforderungen wird die bloße Feststellung, die Angeklagte habe „Raubkopien“ hergestellt, nicht gerecht. Auch die Feststellung der Bezeichnungen, unter denen die Angeklagte im vorliegenden Fall die von ihr angefertigten CDs und DVDs veräußert hat (hier: „DJ Dark Shadow“, „House Box“ oder „Disco Box International“ u.a.), reicht für eine Verurteilung nach § 108 Abs. 1 Nr. 5 UrhG nicht aus. Denn allein hierdurch werden noch keine Rechteinhaber ausgewiesen, teilweise handelt es sich sogar offenkundig um sog. „Piraterielabels“. Letztere sind naturgemäß nicht geeignet, den tatsächlichen Rechteinhaber erkennen zu lassen.
Ausnahmsweise bedarf es der Feststellung des konkreten Tonträgerherstellers dann nicht, wenn sicher ist, dass jedenfalls die Voraussetzungen des § 126 Abs. 3 UrhG deshalb gegeben sind, weil der Tonträgerhersteller seinen Sitz in einem der Mitgliedsländer des Genfer Tonträger-Abkommens hat3. In einem solchen Fall kann es möglich sein, von den beteiligten Interpreten, Titeln und Musikfirmen Rückschlüsse auf bekannte Tonträgerhersteller mit Sitz in den USA zu ziehen, die dem Genfer Tonträger-Abkommen beigetreten sind. Außerdem hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Tonträgerhersteller seinen Sitz in einem Land nehmen wird, in dem er nicht den Schutz des Genfer-Tonträger-Abkommens genießt, weil dies zur Folge hätte, dass er mit den produzierten Tonträgern weitgehend schutzlos beliebiger Tonträgerpiraterie ausgeliefert wäre4. Im vorliegenden Fall sind allerdings auch keine Feststellungen zu den beteiligten Interpreten, Alben, Titeln oder auch Musikfirmen getroffen worden, weshalb dem Oberlandesgericht ausgehend vom angefochtenen Urteil keine Rückschlüsse auf national oder international bekannte Tonträgerhersteller möglich sind. Zwar sind im Ermittlungsverfahren von Seiten der Anzeigenerstatterin die Rechteinhaber – teils sogar geordnet nach Interpret und Titel – mitgeteilt worden. Auch hat das Amtsgericht die betroffenen Firmen als Nebenkläger zugelassen. Jedoch fehlen diesbezügliche Feststellungen im angefochtenen Urteil. Dies rügt die Revision zu Recht.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 11. September 2014 – 5 RVs 87/14