Wieweit reicht die Zuständigkeit eines Landeswirtschaftsministers, im Wege des Selbsteintritts die Haftung eines Bürgen für die Rückforderung von Fördermitteln zu beschränken, wenn die Befugnis zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben bei Durchführung des betreffenden Förderprogramms einer als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts errichteten Investitionsbank des Landes übertragen worden ist? Mit dieser Frage hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof anlässlich eines Falls aus Brandenburg zu befassen.

Der Bundesgerichtshof sah den Landeswirtschaftsminister in diesem Fall als für eine solche Zusage nicht zuständig und auch nicht im Rahmen eines Selbsteintrittsrechts handelnd an, so dass zumindest der im aktuellen Rechtsstreit vorliegende Fall eines verschuldeten Scheiterns des subventionierten Projekts von der Ministererklärung nicht umfasst war.
Der Bundesgerichtshof sah die von dem Gesellschafter der Fördermittelempfängerin unterzeichnete Haftungserklärung als Bürgschaftserklärung nach § 765 Abs. 1 BGB an.
Als privatrechtlicher Schuldbeitritt ist die Erklärung nach § 306 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung nichtig, da ein Schuldbeitritt seinem Wesen nach der Rechtsnatur der Hauptforderung folgen muss [1]. Der Abschluss eines öffentlichrechtlichen Vertrags hätte der hier nicht eingehaltenen Schriftform des § 57 VwVfGBbg aF bedurft [2]. Der nichtige Schuldbeitritt ist gemäß § 140 BGB in eine Bürgschaftserklärung umzudeuten [3].
Der Bürge kann, so der Bundesgerichtshof, seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft das Schreiben des Wirtschaftsministers nicht entgegenhalten:
Die fragliche Ministererklärung ist als verwaltungsrechtliche Zusage anzusehen, da sie anders als eine verwaltungsrechtliche Zusicherung nach § 38 Abs. 1 VwVfGBbg aF nicht auf einen noch zu erlassenden Verwaltungsakt, sondern auf ein künftiges tatsächliches Verhalten des Landes , hier die Rückforderung von Zuwendungen nach Widerruf eines Subventionsbescheids, gerichtet war, das dem öffentlichen Recht zuzuordnen war.
Die Zusage des Wirtschaftsministers ist jedoch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs unwirksam, da die gesetzlichen Voraussetzungen eines Selbsteintrittsrechts des Ministers nicht erfüllt waren.
Zwar führt ein Mangel der instanziellen Zuständigkeit im Allgemeinen nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nach § 44 Abs. 1 VwVfGBbg [4]. Die Wirksamkeit einer Zusage setzt aber anders als die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof geltend gemacht hat – voraus, dass sie im Rahmen der Handlungszuständigkeit der jeweiligen Behörde und von einem Bediensteten abgegeben worden ist, der nach seiner Stellung in der Behörde zu derartigen Erklärungen befugt ist [5].
Für die vorliegende Zusage war nicht der Minister, sondern nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 27. Mai/8.06.1993 die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 2 Satz 2 InvestitionsbankG; § 3 Abs. 3 Satz 4 ILB in der Fassung vom 11.08.2004) zuständig war [6].
Der Wirtschaftsminister hat mit seinem Schreiben nicht in Vertretung der Investitionsbank gehandelt.
Der Minister konnte mit der vorliegenden Zusage die Investitionsbank aber auch nicht im Wege eines Selbsteintritts gestützt auf den Geschäftsbesorgungsvertrag binden, da die Voraussetzungen für einen Selbsteintritt nach § 11 Abs. 4 des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.09.1994 [7] nicht erfüllt waren.
Dabei bedarf keiner Klärung, ob bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung ein ungeschriebenes Selbsteintrittsrecht angenommen werden kann [8], da vorliegend das Zuständigkeits- bzw. Organisationsrecht des Landes regelt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Aufsichtsbehörde zum Selbsteintritt berechtigt ist [9].
Nach § 11 Abs. 4 LOGBbg aF durften die Fachaufsichtsbehörden des Landes hier nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag vom 27. Mai/8.06.1993 das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des streithelfenden Landes die Befugnisse nachgeordneter Behörden bei Gefahr im Verzuge oder aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung selbst ausüben. Damit waren abschließend die Fälle festgelegt, in denen ein Selbsteintrittsrecht bestand [10].
Die in § 11 Abs. 4 LOGBbg aF genannten Voraussetzungen für ein Selbsteintrittsrecht sind vorliegend nicht erfüllt. Anhaltspunkte für eine Eilkompetenz sind nicht erkennbar. Eine besondere gesetzliche Ermächtigung, die dem Minister ein allgemeines Recht zum Selbsteintritt eröffnet hätte, bestand hier nicht. Dafür reichte die Erwähnung eines Selbsteintrittsrechts in Ziffer 1.01. Abs. 3 des Geschäftsbesorgungsvertrags nicht aus. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Land und der Investitionsbank stellte nämlich keine gesetzliche Ermächtigung im Sinne von § 11 Abs. 4 LOGBbg aF dar, sondern setzt das in § 11 Abs. 4 LOGBbg aF abschließend normierte Selbsteintrittsrecht voraus.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Oktober 2013 – XI ZR 28/12
- BGH, Urteile vom 16.10.2007 – XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rn. 21 ff.; und vom 28.04.2009 – XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 17.09.2008 – III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 15[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2009 – XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 17.09.2008 – III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 17[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 16.10.2007 – XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rn. 24 ff.; und vom 28.04.2009 – XI ZR 86/08, WM 2009, 1180 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 17.09.2008 – III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 18 f.[↩]
- vgl. dazu BVerwG, NJW 1976, 765, 767; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 44 Rn. 177 mwN; Schemmer in BeckOK VwVfG, Stand 1.07.2013, § 44 Rn. 24[↩]
- vgl. BVerwGE 26, 31, 36; 49, 244, 248; BVerwG, BeckRS 1988, 31247101; BayVGH, Urteil vom 17.07.2007 – 8 BV 06.1765[↩]
- vgl. insoweit auch BayVGH, Urteil vom 17.07.2007 8 BV 06.1765, juris Rn. 51[↩]
- GVBl. I, S. 406, nachfolgend: LOGBbg aF; jetzt: § 15 Abs. 3 LOGBbg nF[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.04.1962 – III ZR 15/61[↩]
- vgl. dazu BVerwG, Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 84; BayVGH, Urteil vom 17.07.2007 – 8 BV 06.1765[↩]
- vgl. LT-Drucks. 3/6939 zu § 15 Abs. 3[↩]