Schwarzpressungen auf der Online-Verkaufsplattform – und die Haftung der Betreiberin

Wer eigene Angebote abgibt, ist für diese auch dann verantwortlich, wenn er sie von Dritten erstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht. Er kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Haftungsprivilegien eines Diensteanbieters nach §§ 8 bis 10 TMG berufen.

Schwarzpressungen auf der Online-Verkaufsplattform – und die Haftung der Betreiberin

Wer als Betreiber einer Online-Verkaufsplattform eine Schwarzpressung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung angeboten hat, erfüllt die Voraussetzungen des Verletzungstatbestands des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Denn damit hat die Betreiberin dem Internetnutzer den Eindruck vermittelt, sie übernehme die inhaltliche Verantwortung für die von ihr im eigenen Namen eingestellten Verkaufsangebote1.

Die Tatsache, dass die jeweiligen Titel durch Drittunternehmen auf die Internetseite der Plattformbetreiberin gestellt wurden, ändert an deren Täterschaft nichts. Die Betreiberin erfüllt selbst den Tatbestand des Verbreitens der Bild- und Tonträger im Sinne von § 77 Abs. 2 Satz 1 UrhG, ohne dass es darauf ankommt, ob sie die fragliche DVD selbst auf ihre Internetseite platziert oder dies Dritten überlässt.

Eine urheberrechtliche Verantwortlichkeit trifft allerdings denjenigen nicht, der als bloße Hilfsperson tätig wird und daher keine Herrschaft über die Rechtsverletzung hat. Entscheidend ist für die Einordnung als unselbständige Hilfsperson, dass dieser die verletzende Handlung in sozialtypischer Hinsicht nicht als eigene zugerechnet werden kann, weil sie aufgrund ihrer untergeordneten Stellung keine eigene Entscheidungsbefugnis hat2. Zu dieser Personengruppe zählen typischerweise Boten, Briefträger, Zusteller, Plakatkleber und Prospektverteiler. Damit ist ein Onlinehändler wie die Betreiberin nicht vergleichbar. Diese hat autonom die Entscheidung getroffen, die ihr von Zulieferern genannten Produkte auf ihrer Internetseite Interessenten zum Kauf anzubieten. Sie kann den Zugang der Drittunternehmen zu ihrer eigenen Internetseite jederzeit beenden oder einzelne Angebote ausschließen oder aus ihrem Internetauftritt entfernen. Sie kann darüber entscheiden, welche Produkte über ihre Internetplattform angeboten werden.

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An der dadurch für rechtsverletzende Angebote bestehenden Verantwortlichkeit der Plattformbetreiberin ändert der Umstand nichts, dass diese nach ihrer Darstellung selbst keine Kenntnis von den von dritter Seite eingestellten Inhalten nimmt. Anders als bei einer Internetplattform, auf der Dritten die Möglichkeit zur Abgabe eigener Angebote eröffnet wird und der Betreiber des Internetmarktplatzes nicht als Verkäufer auftritt3, gibt die Betreiberin eigene Angebote ab. Für diese Angebote ist sie auch dann verantwortlich, wenn sie sich bei der Angebotserstellung Dritter bedient und den Inhalt der Angebote nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht4.

Die Plattformbetreiberin kann auch nicht geltend machen, ihre Verpflichtung beschränke sich darauf, nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung der Verletzung zu unterbinden. Eine auf diese Weise beschränkte Erfolgsabwendungspflicht kommt nur bei Diensteanbietern im Sinne von § 7 Abs. 2, §§ 8 bis 10 TMG in Betracht5. Zu diesem Kreis rechnet die Betreiberin nicht. Sie kann sich schon deshalb nicht auf eine Privilegierung im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG bzw. Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr berufen, weil es sich bei den Angeboten um eigene Inhalte der Plattformbetreiberin im Sinne von § 7 Abs. 1 TMG handelt.

Im Streitfall scheidet eine Haftung für die in Rede stehende Verletzung des Rechts des ausübenden Künstlers auch nicht im Hinblick auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG aus.

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Zwar kann auch der Vertrieb von Kunstwerken unter den Schutz der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG fallen6. Das Angebot rechtswidriger Vervielfältigungsstücke an die Öffentlichkeit ist jedoch nicht durch die Kunstfreiheit geschützt. Die Kunstfreiheit wird um des künstlerischen Schaffens willen gewährleistet, während die Vermittlung des Kunstwerks demgegenüber eine dienende Funktion hat7. Diese dienende Funktion schließt jedenfalls eine Inanspruchnahme des Grundrechts durch den Mittler aus, wenn dieser den Interessen des Künstlers zuwiderhandelt, indem er unberechtigt Vervielfältigungsstücke veräußert.

Die Kunstfreiheit wird auch nicht dadurch unzulässig eingeschränkt, dass die Plattformbetreiberin alle von ihr angebotenen Bild- und Tonträger einer Überprüfung unterziehen muss. In die Abwägung einzubeziehen ist auch das durch Art. 14 GG geschützte Recht der ausübenden Künstler, Komponisten und Textdichter, in eigener Verantwortung über ihre schöpferischen Leistungen verfügen zu können und dieses Recht zu nutzen und angemessen zu verwerten8. Dieses Recht überwiegt im Streitfall das Interesse der Plattformbetreiberin an einem Onlinehandel ohne Kontrolle der eingestellten Angebote auf Urheberrechtsverletzungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Betreiberin nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die nicht autorisierten Vervielfältigungsstücke unschwer erkennen kann.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 88/13

  1. vgl. BGH, GRUR 2013, 1229 Rn. 31 Kinderhochstühle im Internet II; BGH, Urteil vom 19.03.2015 – I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 25 = WRP 2015, 1326 – Hotelbewertungsportal[]
  2. vgl. Dreier/Specht in Dreier/Schulze aaO § 97 Rn. 32; Wild in Schricker/Loewenheim aaO § 97 UrhG Rn. 76; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97 UrhG Rn. 148 f.; Reber in Möhring/Nicolini aaO § 97 UrhG Rn. 47[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 31 = WRP 2011, 223 Kinderhochstühle im Internet I[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2010 – I ZR 51/08, GRUR 2010, 835 Rn. 46 = WRP 2010, 1165 POWER BALL[]
  5. vgl. zum Teledienstegesetz BGH, Urteil vom 11.03.2004 – I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 245 f. Internetversteigerung I; zum Telemediengesetz BGH, Urteil vom 12.07.2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 39 bis 42 Jugendgefährdende Medien bei eBay[]
  6. vgl. BVerfGE 30, 173, 189 ff. Mephisto; 36, 321, 331[]
  7. vgl. BVerfG, GRUR 2005, 880, 881 Künstlervertrag[]
  8. vgl. BVerfG, GRUR 2010, 999, 1001 f.[]
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