Der Bundesgerichtshof hatte sich aktuell mit einer Klage privater Zeitungsverleger gegen die ARB und den Norddeutschen Rundfunk zu befassen, in der es um die Zulässigkeit der vom NDR für die ARD herausgegebenen „Tagesschau-App“ ging.

Die in der ARD, der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten betreiben seit dem Jahr 1996 das vom NDR betreute Online-Portal „tagesschau.de„. Im Jahr 2009 wurden in den Rundfunkstaatsvertrag die Regelungen des §§ 11d*, 11f** RStV eingefügt. Danach haben öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedienangebote in Telemedienkonzepten zu konkretisieren und diese Konzepte einer – als „Drei-Stufen-Test“ bezeichneten – Prüfung zu unterwerfen. Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten entwickelten daraufhin unter Federführung des Norddeutschen Rundfunks ein Telemedienkonzept für das Online-Portal „tagesschau.de“. Dieses Konzept wurde im Jahr 2010 vom Rundfunkrat des NDR beschlossen, von der Niedersächsischen Staatskanzlei als Rechtsaufsichtsbehörde freigegeben und im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht.
Seit dem 21.12 2010 bieten die Rundfunkanstalten die Applikation „Tagesschau-App“ für Smartphones und Tabletcomputer an. Über diese Applikation kann das unter „tagesschau.de“ vorgehaltene Angebot aufgerufen werden. Dieses besteht aus – teils um Standbilder oder Bildstrecken ergänzten – Textbeiträgen, aus Audio- und Videobeiträgen sowie aus interaktiven Elementen.
Mit ihrer Klage wenden sich die klagenden zeitungsverleger gegen das am 15.06.2011 über die „Tagesschau-App“ bereitgestellte Angebot. Sie sind der Ansicht, dieses Angebot sei wettbewerbswidrig, weil es gegen die als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG einzustufende Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV verstoße. Danach sind nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien unzulässig. Die Zeitungsverleger nehmen die ARD und den NDR auf Unterlassung in Anspruch.
In den Vorinstanzen haben das Landgericht Köln1 und das Oberlandesgericht Köln2 die Klage der Zeitungsverleger abgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln hat dabei angenommen, ein etwaiger Verstoß von ARD und NDR gegen das Verbot presseähnlicher Angebote könne keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche begründen, weil das Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“ im Zuge des „Drei-Stufen-Tests“ von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich eingestuft und freigegeben worden sei. Die Wettbewerbsgerichte seien an diese rechtliche Bewertung gebunden.
Bei der Entscheidung über die hiergegen gerichtete Revision der Zeitungsverlage unterschied der Bundesgerichtshof zwischen der ARD und dem NDR:
Hinsichtlich der Klage gegen die ARD hatte die Revision vor dem Bundesgerichtshof keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Köln hat die Klage insoweit, so der Bundesgerichtshof, im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Die gegen die ARD gerichtete Klage ist bereits unzulässig. Bei der ARD handelt es sich um einen Zusammenschluss von Rundfunkanstalten, der als solcher nicht rechtsfähig ist und nicht verklagt werden kann.
Hinsichtlich des NDR hatte die Revision der Zeitungsverlage dagegen Erfolg: Der Bundesgerichtshof nahm an, aufgrund der Freigabe des Telemedienkonzeptes durch die Niedersächsische Staatskanzlei stehe – entgegen der Auffassung des Oberlandesgericht Köln, nicht mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass das am 15.06.2011 über die „Tagesschau-App“ bereitgestellte Angebot im Online-Portal „tagesschau.de“ nicht presseähnlich gewesen sei. Mit der Freigabe ist allenfalls das Konzept und jedenfalls nicht dessen konkrete Umsetzung im Einzelfall als nicht presseähnlich gebilligt worden.
Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Das Verbot hat zumindest auch den Zweck, die Betätigung öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedienangebote zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Verlage begründen.
Der Bundesgerichtshof hat die Sache insoweit an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen. Dieses muss nunmehr prüfen, ob das von den Zeitungsverlagen beanstandete Angebot presseähnlich gewesen ist. Bei dieser Prüfung kommt es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht darauf an, ob einzelne Beiträge dieses Angebots als presseähnlich anzusehen sind. Entscheidend ist vielmehr, ob das über die „Tagesschau-App“ am 15.06.2011 abrufbare Angebot des Online-Portals „tagesschau.de“ in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich einzustufen ist. Das ist der Fall, wenn bei diesem Angebot der Text deutlich im Vordergrund steht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 13/14