Übernahme von Exklusivinterviews im Konkurrenzsender

Der Bundesgerichtshof hatte sich aktuell mit der Frage der ulässigkeit der Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews in Fernsehsendungen eines konkurrierenden Senders zu befassen.

Übernahme von Exklusivinterviews im Konkurrenzsender

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falls stritten sich zwei private Fernsehunternehmen: Sat.1 und Vox. Sat.1 führte Exklusivinterviews mit Liliana Matthäus über sich und ihre Ehe mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Lothar Matthäus. Sat.1 strahlte die Interviews am 26. Juli 2010 sowie am 2. August 2010 in ihrer Sendung „STARS & Stories“ aus. Nachdem Vox sich zuvor jeweils vergeblich bei Sat.1 um eine Zustimmung zu der Nutzung dieser Interviews bemüht hatte, verwendete Vox daraus verschiedene Ausschnitte unter Angabe der Quelle am 1. und 3. August 2010 in ihrer Sendung „Prominent“.

Sat.1 sieht darin eine Verletzung ihrer Schutzrechte als Sendeunternehmen. Sie hat Vox auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht von Vox begehrt. Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Hamburg hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben1, auch die dagegen gerichtete Berufung von Vox blieb vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg ohne Erfolg2. Auf die gegen dieses Berufungsurteil eingelegte Revision von Vox hat der Bundesgerichtshof die Sache nun zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof hat dabei angenommen, dass Vox durch die Übernahme von Teilen der von Sat.1 in den Sendungen „STARS & stories“ ausgestrahlten Interviews in das Sat.1 als Sendeunternehmen zustehende Leistungsschutzrecht eingegriffen hat. Die vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht seine Annahme, Vox habe die Eingriffe in das Leistungsschutzrecht von Sat.1 vorgenommen.

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Allerdings kann sich Vox nicht mit Erfolg auf die urheberrechtliche Schrankenregelung der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) berufen. Diese Schrankenregelung soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Nutzung geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Im Streitfall war es Vox jedoch möglich und zumutbar, vor der Übernahme des in Rede stehenden Bildmaterials um die Zustimmung von Sat.1 nachzusuchen. Zudem erlaubt § 50 UrhG keine Berichterstattung, die die urheberrechtlich geschützte Leistung – hier die Interviewsendungen von Sat.1 – selbst zum Gegenstand hat. Die Leistung muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten.

Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich Vox auf das Zitatrecht (§ 51 UrhG) berufen kann. Entgegen der Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg ist es für das Eingreifen dieser Schutzschranke nicht erforderlich, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt. Es reicht aus, dass das fremde Werk als Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. Dies ist im Streitfall zu bejahen, weil die Vox-Sendungen die Selbstinszenierung von Liliana Matthäus in den Medien zum Gegenstand hatten und die übernommenen Interviewausschnitte hierfür als Beleg verwendet wurden. Die weitere Annahme des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, das Eingreifen des Zitatrechts scheide außerdem aus, weil Vox die Schlüsselszenen der Interviews übernommen und daher die Möglichkeit von Sat.1 wesentlich erschwert habe, die ihr exklusiv gewährten Interviews kommerziell umfassend auszuwerten, wird durch die Feststellungen, die das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg getroffen hat, nicht getragen. Dessen Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen das Oberlandesgericht die übernommenen Szenen als den für die nachfolgende Verwertung maßgeblichen Kern der Interviews beurteilt hat. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat außerdem keinen Feststellungen dazu getroffen, ob und wenn ja aus welchen Gründen der Fernsehzuschauer die von Vox übernommenen Sequenzen als Schlüsselszenen der von Sat.1 geführten Interviews erkennen und aus diesem Grund sein Interesse an der Wahrnehmung der vollständigen Interviews auf dem Sender Sat.1 verlieren wird.

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Die Sache ist deshalb vom Bundesgerichtshof an das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg zurückverwiesen worden, das nun die notwendigen Feststellungen nachholen muss.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 2015 – I ZR 69/14

  1. LG Hamburg, Urteil vom 13.09.2011 – 310 O 480/10[]
  2. OLG Hamburg, Urteilvom 27.02.2014 – 5 U 225/11[]