Unterlassungsverpflichtungserklärung per Telefax

Eine von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt der Formfreiheit (§ 343 Abs. 1, § 350 HGB). Es fehlt im Regelfall nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner dem Verlangen des Unterlassungsgläubigers nicht nachkommt, innerhalb der gesetzten Frist eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern er stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet.

Unterlassungsverpflichtungserklärung per Telefax

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Fall unerlaubter eMail-Werbung zugrunde, bei dem um die Frage der Erledigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gestritten wurde:

Auf eine einseitige Erledigungserklärung der Klagepartei ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen, wenn die Klage bis zu dem geltend gemachten erledigenden Ereignis zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist1

Das Landgericht Stuttgart hat in seinem Berufungsurteil2 angenommen, dass der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens unbegründet gewesen sei, weil die vom Beklagten am 18.05.2021 per E-Mail übersandte Unterlassungsverpflichtungserklärung in Textform nebst der der E-Mail beigefügten unterschriebenen Erklärung als PDF-Datei die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr schon vor Klageerhebung beseitigt habe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nach Maßgabe der – geänderten – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht stand.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die für den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr zunächst bestand. Ist es zu einer unerlaubten Handlung gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr3. So liegt es im Streitfall. Die unverlangte Zusendung von E-Mails mit werblichem Inhalt an Gewerbetreibende stellt grundsätzlich einen rechtswidrigen Eingriff in den als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar4. Hiervon ist auch das vom Landgericht in Bezug genommene amtsgerichtliche Urteil ausgegangen und hat angenommen, dass durch die Übersendung der Werbe-E-Mails am 3. und 30.03.2021 auch im Streitfall zugunsten der Klägerin zunächst ein Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB entstanden ist. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision als für ihren Rechtsstandpunkt günstig zugrunde gelegt.

Das Landgericht hat außerdem angenommen, dass die durch diese Verletzungsfälle begründete Wiederholungsgefahr durch die vom Beklagten am 18.05.2021 per E-Mail übersandte Unterlassungsverpflichtungserklärung in Textform nebst der der E-Mail beigefügten unterschriebenen Erklärung als PDF-Datei bereits vor Klageerhebung wieder beseitigt worden sei. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision im Ergebnis mit Erfolg.

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die Übersendung der unterschriebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung als PDF-Datei per E-Mail am 18.05.2021 den Anforderungen für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügt.

Eine Unterlassungserklärung muss, um die durch eine Verletzungshandlung begründete Gefahr der Wiederholung entsprechender Wettbewerbsverstöße auszuräumen, eindeutig und hinreichend bestimmt sein und den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassen, die betreffende Handlung nicht mehr zu begehen, und daher durch ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen abgesichert sein. Sie muss außerdem den bestehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang vollständig abdecken und dementsprechend uneingeschränkt, unwiderruflich, unbedingt und grundsätzlich auch ohne die Angabe eines Endtermins erfolgen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Unterlassungsverpflichtungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt, ist derjenige der Abgabe der Erklärung5.

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Voraussetzung für den Wegfall der Wiederholungsgefahr ist insbesondere, dass die Erklärung sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt, wozu namentlich gehört, dass die versprochene Sanktion geeignet erscheint, den Versprechenden von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, muss in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe geprüft werden6.

Das Erfordernis der Ernstlichkeit schließt nach dem Sinn und der Funktion der Unterlassungserklärung die Bereitschaft des Schuldners ein, dem Gläubiger die Erklärung auf dessen Verlangen auch in einer Form abzugeben, die im Streitfall die Durchsetzung ohne rechtliche Zweifelsgründe und Beweisschwierigkeiten ermöglicht; denn wenn der Schuldner im eigenen Interesse erreichen will, dass der Gläubiger von der prozessualen Durchsetzung seines Anspruchs Abstand nimmt, muss er bereit sein, diesem eine rechtliche Ausgangsstellung einzuräumen, die im Verletzungsfall der eines Titelgläubigers nicht allzu sehr nachsteht. Fehlt diese Bereitschaft, so bestehen grundsätzlich berechtigte Zweifel an der Ernstlichkeit der abgegebenen Erklärung und des Unterwerfungswillens7.

Zweifel an der Ernstlichkeit der vom Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung ergeben sich danach nicht etwa daraus, dass diese Erklärung nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Form einer Unterlassungserklärung genügt. Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung keinem gesetzlichen Formzwang im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB unterliegt. Zwar ist die Vereinbarung, auf die die Unterlassungsverpflichtungserklärung abzielt, ein abstraktes Schuldanerkenntnis8, so dass sie grundsätzlich dem Schriftformerfordernis unterliegt (§ 780 Satz 1, § 781 Satz 1 BGB)9. Das Schriftformerfordernis besteht allerdings gemäß § 343 Abs. 1, § 350 HGB nicht, wenn die Unterlassungsverpflichtungserklärung – wie im Streitfall – von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegeben wird10.

Es fehlt auch nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung, weil der Beklagte dem Verlangen der Klägerin nicht nachgekommen ist, innerhalb der von ihm gesetzten Frist eine von ihm unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern stattdessen innerhalb der Frist eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersandte.

Der Bundesgerichtshof hat allerdings angenommen, dass die Übersendung einer Unterlassungsverpflichtung in Form eines Fernschreibens nicht dem berechtigten Verlangen eines Gläubigers nach einer schriftlichen Bestätigung der Unterlassungsverpflichtung entspricht, weil sich aus der Natur eines Fernschreibens als maschinell gefertigter und nicht unterzeichneter Erklärung grundsätzliche Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Urheberschaft oder der Autorisierung des tatsächlichen Absenders durch den Schuldner ergeben können11.

Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht ausgegangen. Es hat angenommen, die bei einem Fernschreiben anzunehmenden erheblichen Unsicherheiten im Hinblick auf die rechtssichere Feststellung der Urheberschaft bestünden bei der im Streitfall in Rede stehenden Übersendung der unterschriebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung per E-Mail nicht. Bei der Beurteilung der Ernstlichkeit einer solchen Erklärung sei zudem die seit dem Gebrauch von Fernschreiben fortgeschrittene Entwicklung der Technik und der Usancen des Rechtsverkehrs zu berücksichtigen. Zwischenzeitlich habe sich im Geschäfts- und Rechtsverkehr die vom Gesetzgeber in § 126b BGB geregelte Textform durchgesetzt, für die bereits eine einfache E-Mail ausreiche.

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Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Entgegen der Ansicht der Revision ergeben sich Zweifel an der Ernstlichkeit einer Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht bereits aus dem Umstand, dass sich der Beklagte geweigert hat, dem Verlangen der Klägerin nach einer Abgabe der Erklärung in Schriftform nachzukommen. Maßgeblich für die Frage der Ernstlichkeit der Erklärung ist nicht die Weigerung des Schuldners an sich, sondern vielmehr, ob sich aus der Nichteinhaltung der vom Gläubiger verlangten Form eine relevante Beeinträchtigung seiner Möglichkeit ergibt, aufgrund der vom Schuldner gewählten Übermittlung der Unterlassungsverpflichtungserklärung sein Unterlassungsbegehren ohne rechtliche Zweifelsgründe und Beweisschwierigkeiten – etwa mit Blick auf die einer bestimmten technischen Form der Übermittlung der Erklärung regelmäßig anhaftenden Zweifel hinsichtlich der rechtlichen Urheberschaft – durchzusetzen12.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Übermittlung von rechtsverbindlichen Erklärungen im Wege einer E-Mail im Geschäfts- und Rechtsverkehr durchgesetzt hat. Dass es dabei von unrichtigen tatsächlichen Umständen ausgegangen ist oder abweichenden Sachvortrag der Klägerin zu etwaigen mit der Verwendung von E-Mails regelmäßig verbundenen Beweisschwierigkeiten oder relevanten Zweifeln an der Urheberschaft des Absenders einer E-Mail unberücksichtigt gelassen hat, wird von der Revision nicht dargetan. Solche Schwierigkeiten und Zweifel sind jedenfalls bei der im Streitfall in Rede stehenden, mittels E-Mail erfolgten Übersendung einer unterschriebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung im PDF-Format nicht ersichtlich. Die Beurteilung des Landgerichts Stuttgart hat überdies zutreffend den technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation in den Blick genommen13 und bei der nach den Gesamtumständen vorzunehmenden Bewertung der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung berücksichtigt.

Das Landgericht hat außerdem angenommen, aus den Gesamtumständen ergebe sich hinreichend deutlich, dass die Unterlassungsverpflichtungserklärung des Beklagten ernstgemeint gewesen sei. Die gegen diese im Wesentlichen auf tatgerichtlichem Gebiet liegende Beurteilung erhobenen Rügen der Revision bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

Das Landgericht hat ausgeführt, das Verhalten des Beklagten lasse die Ernsthaftigkeit seiner am 18.05.2021 per E-Mail abgegebenen Erklärung hinreichend deutlich erkennen. Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt inhaltliche Zweifel am Bestehen des materiellen Unterlassungsanspruchs der Klägerin geäußert, sondern vielmehr umgehend als Reaktion auf die – per E-Mail erfolgte – erste Kontaktaufnahme der Klägerin die verlangte Unterlassungserklärung fristgerecht sowohl per E-Mail – mit ausdrücklicher Bezeichnung als „rechtsverbindlich“ – als auch eigenhändig datiert und unterschrieben auf dem Vordruck der Klägerin als PDF-Datei an die E-Mail angehängt abgegeben. Die Unterlassungserklärung habe sich zudem auf alle drei von der Klägerin genannten E-Mail-Adressen bezogen, obwohl der Beklagte die beanstandeten Werbe-E-Mails lediglich an eine Adresse versandt habe. Auch sonst habe die Erklärung weder inhaltliche Einschränkungen noch eine Beschränkung der von der Klägerin der Höhe nach nicht begrenzten Vertragsstrafe auf einen Betrag enthalten, der geeignet gewesen sei, Zweifel an der Ernsthaftigkeit zu wecken. Der Beklagte habe sich zudem nicht geweigert, der Klägerin das Original zu übersenden, nachdem die Klägerin ihn – wiederum per E-Mail – davon in Kenntnis gesetzt habe, dass sie den Vorgang bereits zur Klageerhebung weitergeleitet habe. Der Beklagte habe der Klägerin vielmehr durch eine weitere E-Mail mitgeteilt, dass das Original bereits zur Post aufgegeben worden sei. Die Klägerin sei mithin auch insoweit nicht ohne Antwort des Beklagten geblieben. Aus diesem gesamten Verhalten des Beklagten ergebe sich vom objektiven Empfängerhorizont der Klägerin aus betrachtet, dass die Wiederholungsgefahr vorliegend durch Übersendung einer ernstgemeinten und rechtsverbindlichen Unterlassungserklärung seitens des Beklagten beseitigt worden und deshalb der Anspruch der Klägerin am 18.05.2021 erloschen sei. Auf den Umstand, dass die Klägerin bestritten habe, das vom Beklagten mit seiner E-Mail vom 24.05.2021 angekündigte Original der Unterlassungserklärung erhalten zu haben, komme es nicht an. Angesichts des gesamten Verhaltens des Beklagten hätte die Klägerin ihm noch vor Klageerhebung die Möglichkeit einräumen müssen, das bei ihr trotz entsprechender Ankündigung der Übersendung nicht eingegangene Original nochmals nachzureichen. Die gegen diese Beurteilung erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch.

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Die Revision macht geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft den Umstand zugunsten des Beklagten gewertet, dass der Beklagte zu keinem Zeitpunkt inhaltliche Zweifel am Bestehen des materiellen Unterlassungsanspruchs der Klägerin geäußert habe. Insoweit habe es übersehen, dass dieser Gesichtspunkt auch dahingehend gewertet werden könne, dass sich der Beklagte der Rechtswidrigkeit seines Tuns durchaus bewusst gewesen sei und er lediglich abgewartet habe, ob sich die Empfänger der ungebetenen E-Mail mit einer Abmahnung meldeten. Mit dieser Rüge hat die Revision in revisionsrechtlich unbehelflicher Weise ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatgerichtlichen Würdigung gesetzt.

Die Revision macht außerdem geltend, die Erstreckung der Unterlassungserklärung auf alle drei von der Klägerin genannten E-Mail-Adressen sei kein Entgegenkommen des Beklagten, sondern habe der Reichweite des der Klägerin zustehenden Unterlassungsanspruchs entsprochen. Außerdem sei es verfehlt, dem Beklagten zugutezuhalten, dass er sich nicht geweigert habe, das Original der Unterlassungserklärung zu übersenden. Vielmehr habe er durchgehend eine ablehnende Haltung an den Tag gelegt. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin den tatsächlichen Zugang erst am 2.09.2021 habe feststellen können. Außerdem sei den Antworten des Beklagten stets eine Verweigerungshaltung zu entnehmen gewesen, weil er betont habe, sich nicht zur Übersendung des Originals verpflichtet zu fühlen. Auch mit diesem Vorbringen versucht die Revision, die rechtsfehlerfreie tatgerichtliche Beurteilung der vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umstände durch ihre abweichende Sicht der Dinge zu ersetzen. Damit kann sie im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.

Soweit die Revision schließlich geltend macht, die zum Teil tendenziösen Ausführungen im Berufungsurteil, die sich etwa in der Bewertung des Vortrags der Klägerin als „wortreich“ oder in der Einfügung eines Ausrufezeichens nach der Wiedergabe eines Vortrags fänden, ließen Zweifel an der gebotenen Unvoreingenommenheit des Landgerichts Stuttgart aufkommen, hat sie ebenfalls keinen Rechtsfehler des Landgerichts Stuttgart dargelegt.

Die Revision hat jedoch im Ergebnis Erfolg. Im Streitfall kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr infolge der mit E-Mail vom 18.05.2021 übersandten Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht ausgegangen werden, weil es nach einer erst nach Verkündung des Berufungsurteils erfolgten Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der durch die Klägerin erklärten Ablehnung der Annahme der per E-Mail übersandten strafbewehrten Unterlassungserklärung an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine drohende Vertragsstrafeverpflichtung fehlt.

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Nach der – vom Landgericht ersichtlich seiner Entscheidung zugrunde gelegten – früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führte allein der Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung auch dann zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, wenn der Gläubiger deren Annahme gegenüber dem Schuldner ablehnte14.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils aufgegeben. Der Bundesgerichtshof geht nunmehr davon aus, dass es dann, wenn der Gläubiger die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ablehnt, ab dem Zugang der Ablehnung an einer verhaltenssteuernden Vertragsstrafenandrohung fehlt, die den Schuldner von zukünftigen Verstößen abhalten soll, weil er nicht mehr damit rechnen muss, dass der Gläubiger durch die Annahme der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafeverpflichtung begründet hat. Die durch die Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr kann mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aber nur solange widerlegt werden, wie die erforderliche Abschreckungswirkung durch eine – nach Ablehnung durch den Gläubiger nicht mehr bestehende – effektive Sanktionsdrohung gesichert ist15.

Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlte es seit dem 21.05.2021 an einer für den Wegfall der Wiederholungsgefahr notwendigen effektiven Sanktionsdrohung. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat die Klägerin dem Beklagten mit E-Mail vom 21.05.2021 mitgeteilt, dass ihrer Ansicht nach die Angelegenheit mit der Übersendung der Unterlassungsverpflichtungserklärung per E-Mail nicht erledigt sei und man den Vorgang am selben Tag zur Klageerhebung weitergeleitet habe. Dieser Mitteilung kommt der Erklärungswert zu, dass die Klägerin die Annahme der nicht im Original, sondern am 18.05.2021 per E-Mail übersandten Unterlassungsverpflichtungserklärung abgelehnt hat. Damit musste der Beklagte nicht mehr mit dem Zustandekommen eines wirksamen Unterlassungsvertrags mit dem Inhalt eines Vertragsstrafeversprechens rechnen.

Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat in der Revisionsverhandlung geltend gemacht, die mit der E-Mail vom 21.05.2021 der Klägerin erklärte Ablehnung der Annahme der durch die E-Mail vom 18.05.2021 übersandten Unterlassungsverpflichtungserklärung gehe ins Leere, weil in dieser Erklärung die Annahme des bereits in der Abmahnung zu sehenden Angebots zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags zu sehen sei und damit im Ergebnis ein wirksames, die Wiederholungsgefahr beseitigendes Vertragsstrafeversprechen vorgelegen habe. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Allerdings kann ein Unterlassungsvertrag in der Weise zustande kommen, dass der Gläubiger in seiner Abmahnung eine bestimmte Unterwerfungserklärung verlangt und der Schuldner dieses Angebot mit der Unterlassungsverpflichtungserklärung annimmt16. Für das Zustandekommen eines Unterlassungsvertrags gelten aber die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse. In der Unterlassungsverpflichtungserklärung des Schuldners ist deshalb nicht die Annahme eines vom Gläubiger mit der Abmahnung unterbreiteten Angebots, sondern ein neues Angebot zum Abschluss des Unterlassungsvertrags zu sehen, wenn die Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB erfolgt17. Schon geringfügige, unwesentliche Änderungsvorschläge gegenüber dem unterbreiteten Vertragsangebot führen dazu, dass es für das Zustandekommen des Vertrags einer neuen Erklärung des Gläubigers bedarf18.

So liegt es im Streitfall. Die Klägerin hat den Beklagten in der Abmahnung aufgefordert, bis zum 18.05.2021 eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung zu übersenden. Sie hat weiterhin erklärt, dass eine Versendung der Erklärung vorab per Fax oder E-Mail nur dann genüge, sofern das entsprechende Original spätestens am 20.05.2021 eingehe. Die Abmahnung hatte damit den Erklärungswert, dass die Klägerin den Beklagten zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags unter Einhaltung einer gewillkürten Schriftform gemäß § 127 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 126 Abs. 1 BGB aufgefordert hat.

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Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen, sondern hat lediglich eine nicht der Schriftform genügende PDF-Datei im Anhang einer E-Mail übersandt.

Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes steht der Begründetheit der Revision nicht entgegen.

Die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung entfaltet nicht nur Wirkungen für die Zukunft, sondern auch für früher begründete, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen. Diese sogenannte unechte Rückwirkung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich rechtlich unbedenklich. Gerichte sind nicht an eine feststehende Rechtsprechung gebunden, die sich im Lichte besserer Erkenntnis als nicht mehr zutreffend erweist19. Allerdings gebieten das Rechtsstaatsgebot und der daraus folgende Grundsatz des Vertrauensschutzes, in jedem einzelnen Fall einer mit Rückwirkung verbundenen Rechtsprechungsänderung anhand der Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zu prüfen, ob den Interessen des auf die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage Vertrauenden Vorrang gegenüber den Belangen der übrigen Beteiligten und den Anliegen der Allgemeinheit sowie gegenüber der materiellen Gerechtigkeit einzuräumen ist. Bei der danach zu treffenden Abwägung ist insbesondere zu beachten, dass die materielle Gerechtigkeit einen dem Grundsatz der Rechtssicherheit mindestens ebenbürtigen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips verkörpert20. Einer Partei ist nur dann zuzumuten, ein ihr ungünstiges Urteil hinzunehmen, obwohl sie nach gegenwärtiger höchstrichterlicher Erkenntnis das Recht auf ihrer Seite hat, wenn die daraus für den Gegner erwachsenden Folgen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens auf die Fortdauer der bisherigen Rechtsprechung zu unbilligen, ihm nicht zumutbaren Härten führen würden. Die Beschränkung der unechten Rückwirkung infolge einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt damit etwa in Fällen in Betracht, in denen es um den Fortbestand eines – häufig Versorgungscharakter tragenden – Dauerschuldverhältnisses geht und die Rückwirkung für den davon Betroffenen möglicherweise existenzbedrohende Auswirkungen hat21. Erwägungen des Vertrauensschutzes könnten es außerdem gebieten, die Änderung einer seit langem bestehenden gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Neugesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für deren Altverbindlichkeiten nicht mit seinem Privatvermögen haftet, erst auf künftige Fälle des Beitritts eines Gesellschafters anzuwenden22.

Nach diesen Grundsätzen ist dem Beklagten im Streitfall kein Vertrauensschutz zuzubilligen.

Allerdings konnte der Beklagte die Belastung mit den Kosten des Rechtsstreits nicht durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO nach der Erörterung des Sach- und Streitstands in der Revisionsverhandlung vermeiden. Eine Rechtsprechungsänderung ermöglicht dem Beklagten in der Regel kein sofortiges Anerkenntnis, weil die Einschätzung der Rechtslage in seinen Verantwortungsbereich fällt23.

Es ist aber weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass die hier in Rede stehende Belastung des Beklagten mit den Prozesskosten unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens auf die Fortdauer der bisherigen Rechtsprechung zu unbilligen, ihm nicht zumutbaren Härten führen würde.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Januar 2023 – I ZR 49/22

  1. BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 184/17, GRUR 2019, 746 13] = WRP 2019, 874 – Energieeffizienzklasse III, mwN[]
  2. LG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2022 – 4 S 230/21[]
  3. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 65/14, GRUR 2016, 946 52] = WRP 2016, 958 – Freunde finden[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2009 – I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 10 bis 14] = WRP 2009, 1246 – E-Mail-Werbung II, mwN[]
  5. st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 08.03.1990 – I ZR 116/88, GRUR 1990, 530 31] = WRP 1990, 685 – Unterwerfung durch Fernschreiben; Urteil vom 21.02.2008 – I ZR 142/05, GRUR 2008, 815 14] = WRP 2008, 1180 – Buchführungsbüro; Urteil vom 17.09.2015 – I ZR 92/14, GRUR 2016, 395 34] = WRP 2016, 454 – Smartphone-Werbung; Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 117/15, GRUR 2018, 1258 53] = WRP 2018, 1476 – YouTube-Werbekanal II; Urteil vom 01.12.2022 – I ZR 144/21, GRUR 2023, 255 35] = WRP 2023, 184 – Wegfall der Wiederholungsgefahr III[]
  6. BGH, GRUR 2023, 255 35] – Wegfall der Wiederholungsgefahr III, mwN[]
  7. BGH, GRUR 1990, 530 34] – Unterwerfung durch Fernschreiben[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1995 – I ZR 176/93, BGHZ 130, 288 17] – Kurze Verjährungsfrist; Urteil vom 05.03.1998 – I ZR 202/95, GRUR 1998, 953 24] = WRP 1998, 743 – Altunterwerfung III[]
  9. vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 13 Rn. 144[]
  10. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 13 Rn. 145[]
  11. BGH, GRUR 1990, 530 35] – Unterwerfung durch Fernschreiben[]
  12. vgl. BGH, GRUR 1990, 530 34 f.] – Unterwerfung durch Fernschreiben[]
  13. zum Verfahrensrecht vgl. Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 05.04.2000 – Gms-OGB 1/98, BGHZ 144, 160 15][]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 13.05.1982 – I ZR 205/80, GRUR 1982, 688 2 und 41] = WRP 1982, 634 – Senioren-Paß; Urteil vom 24.11.1983 – I ZR 192/81, GRUR 1984, 214 8 und 23] = WRP 1984, 199 – Copy-Charge; Urteil vom 17.12.1987 – I ZR 190/85, GRUR 1988, 459 8 und 29] = WRP 1988, 368 – Teilzahlungsankündigung; Urteil vom 31.05.1990 – I ZR 285/88, GRUR 1990, 1051 16] = WRP 1991, 27 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze[]
  15. vgl. BGH, GRUR 2023, 255 40 f.] – Wegfall der Wiederholungsgefahr III[]
  16. vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 13 Rn. 170[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 – I ZR 32/03, GRUR 2006, 878 14 f.] = WRP 2006, 1139 – Vertragsstrafevereinbarung; Urteil vom 17.09.2009 – I ZR 217/07, GRUR 2010, 355 19] = WRP 2010, 649 – Testfundstelle[]
  18. BGH, GRUR 2010, 355 19] – Testfundstelle, mwN[]
  19. vgl. BGH, Urteil vom 29.02.1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 25]; Urteil vom 19.07.2011 – II ZR 300/08, NZI 2011, 864 40], jeweils mwN[]
  20. vgl. BGHZ 132, 119 26]; BGH, NZI 2011, 864 40] mwN[]
  21. vgl. BGHZ 132, 119 27 f.] mwN[]
  22. vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 21][]
  23. vgl. BeckOK.ZPO/Jaspersen, 47. Edition [Stand 1.12.2022], § 93 Rn. 99[]
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Schriftform - und die Unterschrift nur auf der Anlage zum Vertrag

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