Die Vergabe von Sicherheitskontrollen am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg war nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle zunächst unwirksam.

Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande, das lernt ein Jurist am Anfang seines Studiums. Was bei diesem vermeintlich einfachen Vorgang schiefgehen kann, illustriert eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle mit erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen:
Das Land Niedersachsen hatte einen Anbieter für Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen Braunschweig-Wolfsburg gesucht und diesen Bedarf ausgeschrieben. Ein Unternehmen gab ein Angebot ab und erhielt am 17.03.2015 den Zuschlag. Eigentlich wäre damit der Vertrag über die Durchführung der Sicherheitskontrollen verbindlich für einen Zeitraum von vier Jahren zustande gekommen. Das Land hatte dem Zuschlagsschreiben aber einen Vertragsentwurf beigefügt, der vorher nicht Gegenstand des Vergabeverfahrens war. Ausdrücklich hatte es darum gebeten, den Vertrag zu unterschreiben. Weil es dann zu Unstimmigkeiten über einen Vertragszusatz kam, den das Unternehmen nachträglich gewünscht hatte, lehnte dieses die erbetene Unterschrift letztlich ab. Das Land beauftragte daraufhin ein anderes Unternehmen mit der Durchführung der Sicherheitskontrollen, das dafür einen höheren Preis forderte. Diese Mehrkosten verlangte es von dem ursprünglich „beauftragten“ Unternehmen ersetzt.
Das Landgericht Hannover hatte dieser Klage in erster Instanz stattgegeben und das Unternehmen verurteilt, Mehrkosten in Höhe von fast 500.000 € zu ersetzen. Auf die Berufung des Unternehmens hin wies das Oberlandesgericht Celle die Klage demgegenüber ab:
Grundsätzlich kommt ein Vertrag nur dann zustande, wenn der Geschäftspartner ein Vertragsangebot vorbehaltlos annimmt. Nimmt er es zu geänderten Bedingungen an, muss sein Geschäftspartner diese Änderung akzeptieren. Im vorliegenden Fall wich der Vertragsentwurf, den das Land erstmals dem Zuschlagsschreiben beigefügt hatte, von den Ausschreibungsunterlagen und damit von dem Angebot des beklagten Unternehmens ab. Dieser Vertragsentwurf enthielt verschiedene Regelungen, die sich in dem Angebot noch nicht in gleicher Weise wiederfanden. Er sah beispielsweise abweichende Rufbereitschaftszeiten vor, wonach eine Einsatzbereitschaft binnen 30 Minuten sicherzustellen war. Diese Änderung war nicht völlig unerheblich, denn sie hätte ausgeschlossen, dass entfernter wohnende Mitarbeiter der Bieter sich während ihrer Rufbereitschaft zu Hause aufhielten. Deshalb war durch den Zuschlag kein Vertrag zustande gekommen.
Da das Unternehmen nicht verpflichtet war, die Sicherheitskontrollen durchzuführen, muss es dem Land auch nicht die Mehrkosten ersetzen, die schließlich für die Kontrollen durch ein anderes Unternehmen entstanden sind.
Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Inhalt die vorbehaltlose Akzeptanz des Antrags zum Ausdruck bringen muss. Ob eine dahingehende Willenserklärung vorliegt, ist in Zweifelsfällen durch Auslegung nach dem Empfängerverständnis zu ermitteln1. Wird das Vertragsangebot dagegen unter Änderungen angenommen, handelt es sich gemäß § 150 Abs. 2 BGB nicht um eine Annahme, sondern um ein neues Angebot.
Im Streitfall ist das Zuschlagsschreiben des Landes nicht als vorbehaltlose Annahme, sondern als neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB anzusehen.
Grundlage der Auslegung der Willenserklärung des Landes ist sein vollständiges Zuschlagsschreiben mit Anlagen.
Die mit dem Schreiben abgegebene Willenserklärung wurde erst wirksam, als den Bieter das Zuschlagsschreiben vollständig – mit Anlagen – per Post zuging (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Anlagen werden in dem Zuschlagsschreiben ausdrücklich aufgeführt und es wird um Rücksendung einer unterzeichneten Vertragsausfertigung gebeten. Mit dem „Vorab“-Fax war das Zuschlagsschreiben aus der maßgeblichen Sicht der Bieter noch nicht vollständig übersandt worden, weil die erwähnten Anlagen nicht beigefügt waren. Die Anlagen sind Bestandteil des Zuschlagsschreibens; die Bieter konnten ohne die ihnen unbekannte Vertragsausfertigung nicht beurteilen, mit welchem Inhalt nach dem Willen des Landes ein Vertrag zu Stande kommen soll und wie die Bitte um Rücksendung einer unterzeichneten Vertragsausfertigung in diesem Zusammenhang zu verstehen sein sollte.
Auch der auf dem Schreiben angebrachte Vermerk „vorab per Fax“ verdeutlichte aus der Sicht der Bieter, dass das per Einschreiben mit den Anlagen übersandte Original des Zuschlagsschreibens die maßgebliche Willenserklärung darstellen sollte und das ohne die Vertragsausfertigung übersandte Fax lediglich der Vorabinformation über die Zuschlagserteilung dienen sollte.
Mit dem Zuschlagsschreiben hat der Land das Angebot der Bietergemeinschaft nicht unverändert angenommen, sondern gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot mit dem Inhalt der übersandten Vertragsausfertigung erteilt.
Der Vertragsentwurf weicht von dem auf den Ausschreibungsunterlagen beruhenden Angebot der Bieter ab.
Der Vertragsentwurf enthält verschiedene Regelungen, die sich in dem Angebot noch nicht in gleicher Weise wiederfinden, z.B. in Bezug auf die Regelung der Rufbereitschaftszeiten, wonach eine Einsatzbereitschaft binnen 30 Minuten sicherzustellen ist (§ 4 Abs. 2); die Verpflichtung zu einer – mit der Behörde abgestimmten – Dienstanweisung (§ 6 Abs. 1); die Frist zur Vorlage eines Versicherungsnachweises und die jährliche Vorlagepflicht (§ 12 Abs. 3).
Auch der Land hat letztlich nicht in Abrede genommen, dass der Vertragsentwurf Abweichungen von dem Angebot der Bieter enthält. Dass der Land die Abweichungen in den vom Oberlandesgericht beispielhaft aufgeführten Regelungen als geringfügig ansieht, ändert nichts an der Beurteilung. Soweit die Annahmeerklärung eine inhaltliche Änderung darstellt, ist deren Art und Ausmaß unerheblich2.
Darüber hinaus ist entgegen der Auffassung des Landes gerade auch die Regelung in § 4 Abs. 2 des Vertragsentwurfs, wonach sicherzustellen ist, dass während der Rufbereitschaftszeiten die Kontrollstelle innerhalb von 30 Minuten einsatzbereit besetzt ist, von erheblicher Bedeutung. Denn hierdurch wurden besondere organisatorische Anforderungen an die Bieter gestellt. Die in Rufbereitschaft befindlichen Einsatzkräfte müssen sich in einer solch geringen Distanz zum Flughafen aufhalten, dass sie jederzeit innerhalb von nur 30 Minuten die Kontrollstelle erreichen können und dort einsatzbereit sind. Das würde es zum Beispiel ausschließen, dass entfernter wohnende Mitarbeiter der Bieter sich während der Rufbereitschaft zu Hause aufhalten.
Mit der Bitte um umgehende Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung brachte der Land unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck, dass der Vertrag mit dem Inhalt dieses Vertragsentwurfs zustande kommen soll. Auslegungsbedürftig war aus Sicht der Bieter lediglich, was nach dem Willen des Landes gelten sollte, wenn die Bieter den angebotenen Vertrag nicht akzeptieren (hierzu nachfolgend).
Die Annahme mit den in dem Vertragsentwurf enthaltenen – und für einen Bieter erkennbaren – Änderungen stellt grundsätzlich ein neues Angebot im Sinne des § 150 Ab. 2 BGB dar. Im Streitfall besteht keine Grundlage für eine abweichende Beurteilung.
Bei einer Annahme mit Änderungen handelt es sich nur dann nicht um ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB, wenn der Antragsempfänger deutlich macht, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll. Nur in einem solchen Fall würde es sich um eine Annahme des ursprünglichen Antrags handeln, der mit dem Angebot zur Vertragsergänzung oder -änderung zu verbunden wird3.
Im Streitfall war aus Sicht eines objektiven Empfängers jedoch nicht davon auszugehen, dass der Land das Angebot der Bieter zunächst einmal vorbehaltlos annehmen und ihnen dann sogleich den Abschluss eines Änderungsvertrages anbieten wollte. Vielmehr war aus Sicht der Bieter nichts dafür ersichtlich, dass es ihnen freistehen sollte, ob sie den Vertragsentwurf unterzeichnen, und der Vertrag ansonsten bereits mit dem Inhalt des Angebots – ohne die inhaltlichen Änderungen des Vertragsentwurfs – zustande gekommen sein sollte.
Weder dem Zuschlagsschreiben noch dem Vertragsentwurf ist zu entnehmen, dass es sich lediglich um einen optionalen Änderungsvertrag zu einem bereits mit dem Zuschlag zustande gekommenen Vertrag handeln sollte. Schon nach seinem Wortlaut und äußeren Bild handelt es sich nicht lediglich um einen Änderungsvertrag.
Aus Sicht eines verständigen Bieters liegt es vielmehr auf der Hand, dass die Vergabestelle nicht ohne gewichtigen Grund einen derartigen Vertragsentwurf, der nicht Bestandteil der Ausschreibung war, „nachschiebt“. Deshalb ist es aus Sicht des Bieters gänzlich fernliegend, dass die Vergabestelle ihm die Entscheidung freistellen will, ob er den übersandten Vertragsentwurf mit den darin enthaltenen Änderungen akzeptiert, und die Verweigerung der Unterzeichnung keine Auswirkungen auf das Zustandekommen des Vertrages haben sollte. Vielmehr drängte sich aus Sicht des Bieters das Verständnis auf, dass der Vertrag nach dem Willen des Landes nur zu den Bedingungen des übersandten Vertragsentwurfs zustande kommen sollte. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der sensiblen, die Flugsicherheit betreffenden Vertragsmaterie eine genaue Fixierung der Vertragspflichten ersichtlich von besonderer Bedeutung ist.
Die Aufforderung, mit der Ausführung der Leistung ab dem 1.04.2015 zu beginnen, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Sie kann auch als Ausdruck der Erwartung angesehen werden, dass die Bieter sich der erbetenen Unterzeichnung des Vertragsentwurfs nicht verschließen würden, um den Auftrag zu erhalten. Insofern kann diese formularmäßige Aufforderung (Ankreuztext) auch erfolgt sein, um den Bieter einen gewissen Zeitdruck bei der erbetenen „umgehenden“ Rücksendung der unterzeichneten Vertragsausfertigung zu verdeutlichen.
Es ändert auch nichts an der Beurteilung, dass der Land sein Zuschlagsschreiben „vorab per Fax“ übersandte und dem Fax die in dem Schreiben genannte Vertragsausfertigung noch nicht beigefügt war. Aus Sicht eines Empfängers war schon nicht ersichtlich, dass das Schreiben per Fax bewusst unvollständig übersandt wurde und es sich nicht um ein bloßes Versehen – möglicherweise einer Bürokraft – handelte. Aus dem auf dem Schreiben angebrachten Hinweis „vorab per Fax“ und der ebenfalls abgedruckten Verfügung ergibt sich nicht, dass eine Übersendung ohne Anlagen erfolgen sollte. Darüber hinaus konnte aus Sicht eines Empfängers die Fax-Übersendung ohne Anlagen auch darauf beruhen, dass es dem Land auf die Rücksendung der Vertragsausfertigungen im Original ankam. Jedenfalls war es aber auch unter Berücksichtigung der unvollständigen Fax-Übersendung des Zuschlagsschreibens aus Sicht des Empfängers gänzlich fernliegend, dass der Land einen solch detailliert ausgearbeiteten Vertragsentwurf übersendet, dessen Akzeptanz durch die Bieter aber letztlich ohne Bedeutung für das Zustandekommen des Vertrages sein soll. Vielmehr wäre in diesem Fall zu erwarten gewesen, dass der Land klarstellt, dass bereits mit dem Zuschlagsschreiben der Vertrag zustande kommen soll, und er erläutert, warum dann trotzdem noch ein Vertrag mit teilweise abweichenden Bedingungen unterzeichnet werden soll.
Im Übrigen spricht der nachfolgende Schriftwechsel dafür, dass der Land selbst sein Zuschlagsschreiben zunächst nicht in dem Sinn verstanden hat, den er dem Schreiben nun im Wege der Auslegung zukommen lassen will. Trotz der aufgekommenen Unstimmigkeiten bat der Land zunächst nochmals um umgehende Rückgabe des unterzeichneten Vertrages. Erst nach der Ablehnung der Bieter gelangte der Land – nach interner Abstimmung mit der Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung – zu der Auffassung, dass eine Unterzeichnung des Vertrags nicht zwingend notwendig sei.
Die von dem Land zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4 führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Sie betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Werkvertrag in einem verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren zustande kommt, wenn die ausgeschriebenen Ausführungsfristen nicht mehr einzuhalten sind. In einem förmlichen Vergabeverfahren kann hier im Zweifel davon ausgegangen werden, dass sich der Auftraggeber vergaberechtskonform verhalten will und das vergaberechtliche Nachverhandlungsverbot beachtet5. Denn mit diesen Fällen kann ohne Weiteres vergaberechtskonform – ohne Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot – umgegangen werden. Es besteht eine gefestigte Rechtsprechung dazu, wie die entsprechende Regelungslücke vergaberechtskonform geschlossen werden kann6. Im Streitfall bestand jedoch von vornherein keine Möglichkeit, den Abschluss des Vertrags zu den von dem Land gewünschten Bedingungen seines Vertragsentwurfs vergaberechtskonform zu erreichen. Unabhängig von der Auslegung des Zuschlagsschreibens als neues Angebot des Landes oder als Annahme, die mit dem Angebot eines Änderungsvertrags verbunden wird, war es per se vergaberechtswidrig, dass nach dem Willen des Landes der Vertrag zu den von der Ausschreibung abweichenden Bedingungen des Vertragsentwurfs zustande kommen sollte. Der Grundsatz der vergaberechtskonformen Auslegung kann daher insoweit nicht zum Tragen kommen.
Mit dem neuen Angebot des Landes galt das Angebot der Bieter gemäß § 150 Abs. 2 BGB als abgelehnt. Daher erlosch es gemäß § 146 BGB, sodass es nicht mehr durch die nachfolgende Erklärung des Landes, nach interner Abstimmung mit der Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung sei eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend erforderlich, angenommen werden konnte.
Es kann dahingestellt bleiben, ob außerdem das Unterbleiben der von dem Land verlangten Unterzeichnung des Vertrages in entsprechender Anwendung von § 154 Abs. 2 BGB zu einem Beurkundungsmangel geführt hätte7.
Schließlich ändert es auch nichts an der Beurteilung, dass die Bieter – nach der von dem Land erklärten Kündigung – zwischenzeitlich die unzutreffende Rechtsansicht vertrat, es sei mit dem Zuschlag ein Vertrag zustande gekommen.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 29. Dezember 2022 – 13 U 3/22
- BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 63. Ed.01.08.2022, § 146 Rn. 9[↩]
- BeckOGK/Möslein, 1.02.2018, BGB § 150 Rn. 30[↩]
- BeckOGK/Möslein, 1.02.2018, BGB § 150 Rn. 29[↩]
- BGH, Urteile vom 03.07.2020 – VII ZR 144/19; und vom 06.09.2012 – VII ZR 193/10[↩]
- BGH, Urteil vom 11.05.2009 – VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47-65, Rn. 39[↩]
- BGH, aaO, Rn. 44[↩]
- vgl. zum Streitstand bei von einer Partei verlangter Beurkundung: BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 63. Ed.01.08.2022, § 154 Rn. 15[↩]
Bildnachweis:
- Startbahn: Markus Ronald Blechschmidt