Veröffentlichung von Subventionsempfängern im Internet XV

Die unendliche Geschichte über die Veröffentlichung der Empfänger von Agrarsubventionen im Internet nähert sich ihrem Finale – heute hat der Gerichtshof der Europäischen Union sein Urteil über die der Veröffentlichungspflicht zugrunde liegenden EU-Verordnungen gesprochen: Die Rechtsvorschriften der Union über die Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus den europäischen Landwirtschaftsfonds sind danach teilweise ungültig, sie verstoßen gegen das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Veröffentlichung von Subventionsempfängern im Internet XV

Die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Namen natürlicher Personen, die Empfänger einer solchen Beihilfe sind, und der genauen Beträge, die sie erhalten haben, ist im Hinblick auf das Ziel der Transparenz eine unverhältnismäßige Maßnahme
Nach dem für die Finanzierung der Ausgaben im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik geltenden Unionsrecht gewährleisten die Mitgliedstaaten jedes Jahr die nachträgliche Veröffentlichung der Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie der Beträge, die jeder Begünstigte aus diesen Fonds erhalten hat1.

In Deutschland werden in Umsetzung dieser beiden EU-Verordnungen auf der Internetseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung die Empfänger von EGFL- und ELER-Mitteln veröffentlicht, und zwar unter Nennung des Namens, des Niederlassungs- oder Wohnorts der Empfänger mit Postleitzahl und der Höhe der Jahresbeträge. Die Seite ist mit einer Suchfunktion ausgestattet.

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Dem heute verkündeten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union lagen nun zwei Fälle aus Hessen zugrunde: Die Volker und Markus Schecke GbR, ein landwirtschaftlicher Betrieb2, und Hartmut Eifert, Inhaber eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs3, hatten für das Wirtschaftsjahr 2008 bei der zuständigen lokalen Behörde Anträge auf Agrarbeihilfen aus dem EGFL und dem ELER gestellt, denen mit Bescheiden vom Dezember 2008 entsprochen wurde.

Mit ihren Klagen haben die Volker und Markus Schecke GbR und Hartmut Eifert beim Verwaltungsgericht Wiesbaden beantragt, das Land Hessen zu verpflichten, die sie betreffenden Daten nicht zu veröffentlichen. Da das Verwaltungsgericht in den Rechtsvorschriften der Europäischen Union über die Pflicht zur Veröffentlichung dieser Daten durch die Bundesanstalt einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten sieht, hat es den Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens aufgefordert, die Gültigkeit dieser Rechtsvorschriften zu prüfen.

Im Wege eines solchen Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet dabei nur über die vorgelegte Rechtsfrage zum EU-Recht, nicht aber über den nationalen Rechtsstreit. Es bleibt vielmehr Sache des nationalen Gerichts, danach über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Die Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

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In seinem heute verkündeten Urteil stellt nun der Gerichtshof der Europäischen Union fest, dass sich die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Achtung des Privatlebens hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten auf jede Information erstreckt, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft, dass aber auch Einschränkungen des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten gerechtfertigt sein können, wenn sie denen entsprechen, die im Rahmen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten geduldet werden.

Die Veröffentlichung von Daten mit den Namen der Empfänger von EGFL- und ELER-Mitteln und der genauen Beträge, die sie erhalten haben, auf einer Internetseite stellt nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aufgrund der Tatsache, dass Dritte Zugang zu diesen Daten erhalten, eine Verletzung des Rechts der betroffenen Empfänger auf Achtung ihres Privatlebens im Allgemeinen und auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten im Besonderen dar. Eine solche Verletzung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, den Wesensgehalt dieser Rechte achtet und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht. Außerdem müssen sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken.

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Der Gerichtshof der Europäischen Union befindet in diesem Zusammenhang, dass zwar in einer demokratischen Gesellschaft die Steuerzahler einen Anspruch darauf haben, über die Verwendung der öffentlichen Gelder informiert zu werden, dass aber gleichwohl eine ausgewogene Gewichtung der verschiedenen beteiligten Interessen vor dem Erlass der angefochtenen Bestimmungen die Prüfung der Frage durch die betreffenden Organe erforderte, ob die Veröffentlichung von Daten unter namentlicher Nennung aller betroffenen Empfänger und der genauen Beträge, die jeder von ihnen aus dem EGFL und dem ELER erhalten hat, in jedem Mitgliedstaat auf einer speziellen frei zugänglichen Internetseite – und zwar ohne dass nach Bezugsdauer, Häufigkeit oder Art und Umfang der erhaltenen Beihilfen unterschieden wird – nicht über das hinausging, was zur Erreichung der verfolgten berechtigten Ziele erforderlich war. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Rat und die Kommission bestrebt gewesen wären, hinsichtlich natürlicher Personen als Empfänger von EGFL- und ELER-Mitteln eine solche ausgewogene Gewichtung vorzunehmen.

Der EuGH gelangt somit zu dem Ergebnis, dass der Rat und die Kommission die durch die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorgegebenen Grenzen überschritten haben, indem sie die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten aller natürlichen Personen, die Empfänger von EGFL- und ELER-Mitteln sind, vorgeschrieben haben, ohne nach einschlägigen Kriterien wie den Zeiträumen, während deren sie solche Beihilfen erhalten haben, der Häufigkeit oder auch Art und Umfang dieser Beihilfen zu unterscheiden. Insoweit erklärt der Gerichtshof daher die entsprechenden Vorschriften der Verordnung Nr. 1290/2005 und die Verordnung Nr. 259/2008 als Ganzes für ungültig.

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In Anbetracht der großen Zahl von Veröffentlichungen, die in den Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Rechtsvorschriften erfolgt sind, die als gültig angesehen wurden, urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union weiter, dass die festgestellte Ungültigkeit dieser Bestimmungen nicht zulässt, die Wirkungen der Veröffentlichung der Listen von Empfängern von EGFL- und ELER-Mitteln in Frage zu stellen, die die nationalen Behörden in der Zeit vor dem Tag der Verkündung des Urteils in diesen Rechtssachen vorgenommen haben.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 9. November 2010 – C-92/09 und C-93/09 [Volker und Markus Schecke GbR und Hartmut Eifert / Land Hessen]

  1. Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21.06.2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. L 209, S. 1, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1437/2007 des Rates vom 26.11.2007, ABl. L 322, S. 1, geänderten Fassung; und Verordnung (EG) Nr. 259/2008 der Kommission vom 18.03.2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ABl. L 76, S. 28.[]
  2. Rechtssache C-92/09[]
  3. Rechtssache C-93/09[]