Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG gilt. Nach dieser Regelung geht ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt.

Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruchsübergang im Sinne von § 412 BGB1.
Diese Voraussetzungen für den Anspruchsübergang sind im hier entschiedenen Fall erfüllt:
Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegen die Prozessbevollmächtigten sind Ersatzansprüche im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG.
Der Annahme eines Ersatzanspruchs gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG steht insbesondere nicht der versicherungsvertragliche Deckungsanspruch entgegen. Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten schließt der Deckungsanspruch die Annahme eines (Kosten)Schadens des Versicherungsnehmers nicht aus. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass es den Schädiger nicht entlastet, wenn der Versicherer des Geschädigten den Schaden deckt2. Dieser Grundsatz kommt auch in § 86 VVG zum Ausdruck. Die Vorschrift soll zweierlei bewirken: Der Schädiger soll durch die Versicherungsleistung nicht befreit, der Versicherungsnehmer nicht bereichert werden3. Zu einer ungerechtfertigten Entlastung des einen Kostenschaden verursachenden Rechtsanwalts käme es, wenn der Deckungsanspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer den Schaden und damit die Haftung des Rechtsanwalts ausschlösse. Dies liefe dem Zweck des § 86 VVG zuwider.
Die Prozessbevollmächtigten sind Dritte gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG. Auf die von den Streithelfern aufgeworfene Frage, ob der Repräsentant des Versicherungsnehmers Dritter im Sinne der Vorschrift ist, kommt es nicht an. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem Einzelfall reicht nicht aus, um die Repräsentantenstellung der Prozessbevollmächtigten zu begründen4. Ein darüber hinausgehender Mandatsumfang ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
Im Umfang ihres Zahlungsbegehrens hat die Rechtsschutzversicherung den Versicherungsnehmern den Schaden ersetzt, indem sie diese von den Kosten des Ausgangsverfahrens freigestellt hat. Die Rechtsschutzversicherung hat die Leistungen aufgrund der erteilten Deckungszusagen erbracht. Dass die Deckungszusagen in dem Wissen erteilt wurden, ein Deckungsanspruch bestehe nicht, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Streithelfer kommt es demnach nicht darauf an, ob „bewusste Liberalität“5 dem Übergang des Ersatzanspruchs entgegensteht. Die irrtümliche Leistung schließt den Anspruchsübergang nicht aus6.
Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die Rechtsschutzversicherung aus übergegangenem Recht verstößt auch nicht deswegen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil das Schadensabwicklungsunternehmen der Rechtsschutzversicherung die Deckungsanfragen der Prozessbevollmächtigten geprüft und die zur Begründung der Schadensersatzansprüche geltend gemachte Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können.
Die Rechtsschutzversicherung ist aus dem Versicherungsverhältnis gegenüber den Versicherungsnehmern berechtigt und verpflichtet. Gegenüber den Prozessbevollmächtigten treffen sie keine Pflichten. Nach den Versicherungsbedingungen (vgl. etwa § 3a ARB 2010) kann der Rechtsschutzversicherer die Deckung in bestimmten Fällen ablehnen, wenn nach seiner Auffassung die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat7. Verpflichtet ist er hierzu nach dem Wortlaut der Bedingungen nicht. Erst recht besteht keine Pflicht zur Ablehnung des Rechtsschutzes gegenüber dem Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist die Rechtsschutzversicherung daher nicht gehalten, die Prüfung des bedingungsgemäßen Versicherungsfalls zur Vermeidung einer Haftung des Rechtsanwalts einzusetzen. Es obliegt allein dem Rechtsanwalt, seine Tätigkeit so auszurichten, dass der Mandant nicht geschädigt wird. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 86 VVG ändert daran nichts. Allerdings ist die Rechtsanwaltshaftung kein Mittel zum Ausgleich der Folgen einer (möglicherweise) unzureichenden Prüfung der Erfolgsaussichten durch den Rechtsschutzversicherer. Die Haftung des Rechtsanwalts kann auch kein Ausgleich dafür sein, dass die Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer aufgrund der einschlägigen Versicherungsbedingungen hohen formalen Anforderungen unterliegt8 und wegen des bedingungsgemäß vorgesehenen Stichentscheids- oder Schiedsgutachterverfahrens ungewissen Ausgangs ist. Der danach notwendige Interessenausgleich wird jedoch bereits durch die Anwendung der hergebrachten Grundsätze zur Rechtsanwaltshaftung, insbesondere der Regeln über den Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten, bewirkt. Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es nicht.
ür die Beurteilung der Frage, ob die Prozessbevollmächtigten der Rechtsschutzversicherung aus übergegangenem Recht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sind, kommt es darauf an, ob es bei pflichtgemäßem Handeln der Prozessbevollmächtigten im Ausgangsverfahren zur Durchführung des Berufungs- und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gekommen wäre. Ohne Bedeutung ist, ob das Verfahren zu einem erfolgreichen Abschluss hätte gebracht werden können.
Die Rechtsschutzversicherung verlangt Ersatz eines Kostenschadens. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein und derselbe Kostenschaden zwei unterschiedlichen, sich wechselseitig ausschließenden Streitgegenständen unterfallen. Der Mandant kann behaupten, der Vorprozess wäre bei pflichtgemäßem Vorgehen des Anwalts gewonnen und ihm folglich keine Kostenpflicht auferlegt worden. Hier tritt der Kostenschaden neben den Schaden, der im Verlust der Hauptsache liegt. Zum anderen kann der Mandant geltend machen, der Anwalt habe den nicht gewinnbaren Vorprozess gar nicht erst einleiten oder fortführen dürfen9. Das macht die Rechtsschutzversicherung geltend. Sie wirft den Prozessbevollmächtigten vor, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit geführt zu haben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. September 2021 – IX ZR 165/19
- BGH, Urteil vom 23.07.2019 – VI ZR 307/18, ZInsO 2019, 1939 Rn. 8; vom 13.02.2020 – IX ZR 90/19, ZIP 2020, 561 Rn. 10[↩]
- vgl. MünchKomm-BGB/Oetker, 8. Aufl., § 249 Rn. 257[↩]
- vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 86 Rn. 1; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 86 Rn. 2; vgl. auch BGH, Urteil vom 17.03.1954 – VI ZR 162/52, NJW 1954, 1113, 1115 zu § 67 VVG aF[↩]
- BGH, Urteil vom 14.08.2019 – IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn. 27[↩]
- vgl. MünchKomm-VVG/Möller/Segger, 2. Aufl., § 86 Rn. 114[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1988 – IVa ZR 143/87, NJW-RR 1989, 922, 923[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2003 – IV ZR 139/01, RuS 2003, 363, 364 f[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2016 – IV ZR 245/15, NJW-RR 2016, 1505 Rn. 33[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2008 – IX ZR 198/06, WM 2008, 1612 Rn. 34 f; vom 13.03.2008 – IX ZR 136/07, WM 2008, 1560 Rn. 24; Beschluss vom 29.09.2011 – IX ZB 106/11, WM 2011, 2113 Rn. 13[↩]