Die seit dem 1. Januar 2009 geltende Bestimmung des § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG schließt nicht jede außerordentliche Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, der eine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, durch den Versicherer aus.

§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass er zwar die Kündigung wegen Prämienverzugs untersagt, jedoch in Fällen sonstiger schwerer Vertragsverletzung eine außerordentliche Kündigung durch den Versicherer nach § 314 Abs. 1 BGB in Betracht kommen kann. In diesem Fall wird die Krankheitskostenversicherung mit dem bisherigen Versicherer weder im Basistarif (§ 12 Abs. 1a VAG) fortgesetzt, noch steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Abschluss eines derartigen Vertrages mit seinem bisherigen Versicherer zu. Ein ausreichender Schutz des Versicherungsnehmers wird dadurch erzielt, dass er weiterhin darauf Anspruch hat, gemäß § 193 Abs. 5 VVG bei einem anderen Versicherer im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VVG versichert zu werden.
Im Bereich der Pflegepflichtversicherung ist hingegen jede außerordentliche Kündigung des Versicherers gemäß § 110 Abs. 4 SGB XI ausgeschlossen, da hier die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Bestimmung und das Fehlen eines gesonderten Basistarifs einer teleologischen Reduktion entgegenstehen.
Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in zwei bei ihm anhängigen Fällen. In dem ersten Fall [1] unterhielt der Kläger eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung bei dem beklagten Versicherer. Die Krankheitskostenversicherung wurde vom Beklagten 2009 mit der Begründung außerordentlich gekündigt, dass der Kläger bzw. seine für ihn handelnde Ehefrau in den Jahren 2007 bis 2009 insgesamt 168 angebliche Medikamentenbezüge zur Abrechnung eingereicht habe, tatsächlich aber viele Medikamente nicht bezogen und bezahlt worden seien, so dass eine Überzahlung von 3.813,21 € vorliege. Die Pflegeversicherung blieb ungekündigt. In den Vorinstanzen haben sowohl das Landgericht Hannover [2] wie auch das Oberlandesgericht Celle [3] die auf Feststellung des Fortbestehens des Krankheitskostenversicherungsvertrages gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision wurde jetzt vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
In dem zweiten Verfahren [4] unterhielt der Kläger bei dem Beklagten eine private Krankheitskosten‑, Krankentagegeld- und Pflegepflichtversicherung. Nach einer Herzoperation erhielt der als selbständiger Unternehmer eines „Recycling-Parks“ tätige Kläger Krankentagegeld. Im Zuge des Besuchs durch einen Außendienstmitarbeiter der Beklagten griff der Kläger diesen mit einem Bolzenschneider tätlich an und bedrohte ihn, worauf der Beklagte 2009 den gesamten Vertrag mit dem Kläger außerordentlich kündigte. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Vertrag über die Krankheitskosten- und Pflegeversicherung fortbesteht, hilfsweise die Feststellung, dass die Krankheitskostenversicherung zum Basistarif und die Pflegeversicherung fortbestehen, weiter hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, mit dem Kläger eine Krankheitskostenversicherung zum Basistarif abzuschließen. Sowohl das erstinstanzlich mit dem Fall befasste Landgericht Frankfurt (Oder) [5] wie auch in der Berufungsinstanz das Brandenburgische Oberlandesgericht [6] haben die Klage abgewiesen. Unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel des Klägers hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil dahingehend geändert, dass das Weiterbestehen der Pflegeversicherung festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen wurde.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 105/11 und IV ZR 50/11