Über die Aufklärungs- und Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers, der seinem Kunden, dessen Risiken bereits durch bestehende Versicherungen abgedeckt sind, den Abschluss von die bisherigen Versicherungen ersetzenden Versicherungen anderer Versicherern empfiehlt, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem hier vorliegenden Urteil entschieden.

Danach erfüllt ein Versicherungsmakler seine weitgehenden Beratungspflichten insbesondere beim Wechsel einer Personenversicherung nur dann, wenn er dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschafft.
Weiterhin hat der Versicherungsmakler bei der Empfehlung einer Nettopolicenlebensversicherung, die den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung für die Vermittlung notwendig macht, nachdrücklich über die Gefahren der damit verbundenen Abweichung vom „Schicksalsteilungsgrundsatz“ aufzuklären, so das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe stehen der Klägerin in diesem Fall die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aufgrund einer fehlerhaften Beratung (§ 63 VVG, § 249 BGB) gegenüber den Beklagten zu. Der von der Klägerin verfolgte Schaden wird hiervon aber zum einen lediglich zu einem geringen Teil erfasst und ist zum anderen teilweise nicht hinreichend dargetan.
Die streitgegenständliche Beratung fällt in den zeitlichen Anwendungsbereich des ab 2008 geltenden Versicherungsvertragsgesetzes (Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Hinsichtlich der Haftung eines Versicherungsmaklers oder eines Versicherungsvertreters sind die diesbezüglich geschaffenen versicherungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§ 63 VVG) leges speciales gegenüber den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften1.
Zutreffend geht das Landgericht2 zunächst ferner davon aus, dass das beklagte Finanzdienstleistungsunternehmen der Klägerin zur Beratung im Zusammenhang mit der Kündigung der bestehenden und dem Abschluss der neuen Versicherungen vertraglich verpflichtet war.
An einen Berater wendet sich ein Interessent, wenn er selbst keine ausreichenden Kenntnisse für die Auswahl eines Produkts und keinen genügenden Überblick über die maßgeblichen Zusammenhänge hat. Der Interessent erwartet vom Berater daher nicht nur Informationen über Tatsachen, sondern darüber hinaus insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse3. Der Berater steht somit auf Seiten des Interessenten, beteiligt sich mit seiner Fachkunde an dessen Auswahl- und Entscheidungsprozess und führt mit ihm die Abwägung der Vor- und Nachteile unterschiedlicher Produkte durch; er tritt nicht als Vertreter eines bestimmten Produktgebers auf, sondern ermöglicht dem Interessenten die Auswahl unter Produkten verschiedener Anbieter4. Ein Beratungsvertrag kommt insbesondere in Betracht, wenn der Kunde die Entwicklung eines Konzepts zur Absicherung komplexer Risiken oder zur Vermögenssicherung wünscht5.
Bei der Vermittlung von Versicherungen bestehen entsprechende Beratungspflichten insbesondere für einen Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 1 und 3 VVG): Mit Abschluss eines Maklervertrags übernimmt der Versicherungsmakler die Verpflichtung, sich um die Vermittlung des für seinen Kunden günstigsten Versicherungsvertrags zu bemühen. Seine dadurch begründeten Pflichten gehen weit. Ein Versicherungsmakler hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsinteressenten individuellen, passenden Versicherungsschutz zu besorgen und untersucht von sich aus das zu versichernde Risiko. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsinteressenten als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden6.Ein Versicherungsmakler schuldet daher ebenfalls regelmäßig die Ermittlung des Bedarfs, einschließlich eingehender Risikoanalyse, und die Beratung hinsichtlich des abzudeckenden Risikos7.
Gemessen hieran trat das Finanzdienstleistungsunternehmen – vertreten durch die beklagte Fachberaterin (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB) – der Klägerin gegenüber als Beraterin und Versicherungsmaklerin auf. Bereits der auf der von der Fachberaterin überlassenen Visitenkarte wiedergegebene Slogan des Unternehmens „Unabhängigkeit ist unsere Stärke, Kapitalanlagen, Altersvorsorge, Immobilien, Immobilienfinanzierungen, Versicherungen“ vermittelt den Eindruck, dass eine neutrale Überprüfung verschiedener Möglichkeiten durch das Finanzdienstleistungsunternehmen erfolgt8. Die Fachberaterin führte ferner namens des Unternehmens für die Klägerin einen „Finanzcheck“ durch, der eine Erhebung der finanziellen Verhältnisse und des Versicherungsbestands der Klägerin, die Ermittlung von deren Bedarf einschließlich „Risikoanalyse“ und sich hieraus ergebende Empfehlungeneinschloss. Hierüber wurde ein „Beratungsprotokoll“ gefertigt. Vom maßgeblichen objektivierten Empfängerhorizont der Klägerin (§§ 157, 133 BGB) ließen die genannten Umstände nur den Schluss auf eine vertraglich geschuldete Beratungsleistung zu. Hieran muss sich das – im Übrigen im Versicherungsvermittlerregister als Versicherungsmaklerin registrierte9 – beklagte Finanzdienstleistungsunternehmen haftungsrechtlich festhalten lassen10.
Dass die Klägerin für ihre Dienste nicht bezahlt hat, lässt den aus ihrer Sicht unentgeltlichen Auftrag zur Beratung nicht entfallen11. Da auch Finanzberater und Versicherungsmakler mit der Beratung Geld verdienen müssen, liegt für den Auftraggeber regelmäßig auf der Hand, dass der Berater oder Makler von den Firmen, mit denen er aufgrund der Beratung Abschlüsse vermittelt, Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet den vom Auftraggeber erbrachten Beträgen entnommen werden12. Dies steht der Annahme eines zwischen der Klägerin als Auftraggeberin und des Finanzdienstleistungsunternehmens als Auftragnehmerin zustande gekommenen Beratungsvertrags jedoch nicht entgegen13.
Das Unternehmen wurde durch die Fachberaterin auch wirksam zur Beratung der Klägerin verpflichtet (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Fachberaterin handelte aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Auftraggeberin des Beratungsvertrags im Namen des Unternehmens (§ 164 Abs. 1 BGB). Das Interesse, sich von dem Finanzdienstleistungsunternehmen beraten zu lassen, rührt aus dem eigenen Auftreten des Unternehmens – „Unabhängigkeit ist unsere Stärke“14 – her. Daraus schließt der Interessent darauf, es würden ihm Anlagen oder Versicherungen angeboten und vermittelt, die das Unternehmen kompetent geprüft hat, und dies geschehe durch „Fachberater“, welche das Unternehmen in dieser Hinsicht schult und unterweist. In dieser Weise angelockt, gibt der Interessent, der sich wegen eines „Finanzchecks“ an einen „Fachberater“ des Finanzdienstleistungsunternehmns wendet, zu erkennen, den Abschluss eines diesbezüglichen Beratungsverhältnisses mit dem Unternehmen zu wünschen15.
Dies korrespondiert mit den Angaben der Fachberaterin, wonach sie „von der E. zur Klägerin“ gekommen war, und die Auswertung der persönlichen Daten der Klägerin durch das Finanzdienstleistungsunternehmen E vorgenommen worden ist, also deren Sachkunde insoweit gefragt war. Auch der eingangs des Beratungsprotokolls vom 20.03.2008 vorhandene Vermerk „Der Vermittler ist Ausschließlichkeitsvermittler der E AG“ legt für den Auftraggeber ein Handeln des jeweiligen Beraters für das Unternehmen nahe. Dass das Unternehmen einen erheblichen Teil der Provisionen der aufgrund der Beratung zustande kommenden Verträge einbehält, spricht ebenfalls für eine vertragliche Beziehung der Klägerin zu ihr: Damit wird das von dem Unternehmen im Rahmen des Beratungsvertrags übernommene Risiko abgegolten16.
Das Verhalten der Fachberaterin wurde auch von einer entsprechenden Vertretungsmacht für die Firma getragen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Einräumung einer Stellung und Übertragung einer Aufgabe, die – wie vorliegend die Durchführung der Beratung als „Fachberater“ für das Unternehmen und anschließende Vermittlung der empfohlenen Produkte – typischerweise mit einer Vollmacht verbunden sind, enthält zumindest stillschweigend zugleich eine entsprechende Bevollmächtigung17.
Die Fachberaterin haftet der Klägerin ebenfalls dem Grunde nach auf Ersatz der geltend gemachten Vermögensschäden.
Sie ist ausweislich des von ihr und der Klägerin gefertigten Beratungsprotokolls gegenüber der Klägerin selbst als Vermittlerin aufgetreten. Denn dort sind unter Ziff. 1 bei den Vermittlerdaten Name und Vorname der Fachberaterin aufgenommen und es wird im Anschluss darauf hingewiesen, dass der genannte „Vermittler […] Ausschließlichkeitsvermittler“ des Finanzberatungsunternehmens ist.
Die Fachberaterin hatte daher selbst die einen Versicherungsvermittler treffenden Pflichten hinsichtlich der Beratung eines Versicherungsnehmers (§ 61 VVG) sowie der zugehörigen Dokumentation (§ 62 VVG) einzuhalten18. Angesichts ihres Auftretens als „Fachberaterin“ im Rahmen des „Finanzchecks“ trafen sie selbst damit die gleichen Pflichten wie das Unternehmen.
Der eigenen Haftung der Fachberaterin steht schließlich auch nicht entgegen, dass diese zugleich im Namen des Unternehmens gehandelt hat. Ein solches Handeln sowohl in fremdem wie auch in eigenem Namen ist rechtlich zulässig19.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts wurden die die Beklagten nach alledem treffenden Beratungspflichten bei der Beratung der Klägerin verletzt (§ 63 VVG).
Einen Versicherungsmakler treffen weitgehende Beratungs- und Betreuungspflichten20. Hebt ein Versicherungsmakler die Vorteile des Abschlusses einer Versicherung bei einem anderen Unternehmen hervor und empfiehlt diesen, so muss er über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären21. Seine Pflicht, auf Risiken hinzuweisen, erstreckt sich auch auf die Abwicklung der bereits vorhandenen Verträge22, beispielsweise auch die Nachteile einer vorzeitigen Kündigung einer Kapitallebensversicherung23. Diese weitgehenden Beratungspflichten erfüllt ein Versicherungsmakler insbesondere beim Wechsel einer Personenversicherung nur, wenn er dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschafft. Nichts anderes gilt für einen Berater, der für einen Kunden im Rahmen eines „Finanzchecks“ eine Bedarfsanalyse durchführt und hieraus Empfehlungen für seinen Kunden ableitet.
Hinsichtlich der bereits bestehenden Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitsvorsorge bei der A‑Lebensversicherung bestand somit für die Beklagten die Pflicht, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass mit einer Kündigung dieses Vertrags finanzielle und steuerliche Nachteile verbunden sind.
Denn zum einen musste die Zillmerung – Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien24 – im Falle einer zeitnahen Kündigung zu einer erheblichen Schmälerung des Rückkaufswerts der erst seit September 2004 laufenden Rentenversicherung führen. Vorliegend steht einbezahlten Prämien von EUR 2.989,96 ein Rückkaufswert von EUR 121,30 gegenüber. Ferner unterlag die von der Klägerin mit Versicherungsbeginn ab dem 01.09.2004 geschlossene Rentenversicherung sowohl hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) EStG) wie auch der Behandlung der Kapitalerträge (§ 52 Abs. 36 Satz 5 EStG) dem bis zum 31.12.2004 geltenden Steuerrecht25. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung war ein Sonderausgabenabzug auch bei Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung möglich, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf einer Sperrfrist von 12 Jahren seit Vertragsschluss ausgeübt werden kann. All dies trifft auf die gekündigte Rentenversicherung der Klägerin zu, insbesondere konnte das Kapitalwahlrecht frühestens fünf Jahre vor den vereinbarten Ablauf des Versicherungsvertrags mit dem 01.09.2045 ausgeübt werden. Versicherungsverträge, die diesem Sonderausgabenabzug unterliegen, sind ferner steuerbefreit hinsichtlich der Kapitalauszahlung im Erlebensfall oder im Fall des Rückkaufs nach Ablauf der zwölfjährigen Sperrfrist26. Fondsgebundene Lebensversicherungen wie die von der Klägerin auf die Beratung der Beklagten hin abgeschlossene sind und waren dagegen vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) Satz 5 EStG a.F.27. Durch den kündigungsbedingten Rückkauf der Rentenversicherung vor Ablauf der zwölfjährigen Sperrfrist ging zudem die Steuerbefreiung der Kapitalauszahlung (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F.) verloren28.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist davon überzeugt, dass eine hinreichende Beratung durch die Fachberaterin hinsichtlich der vorstehend benannten Nachteile einer Kündigung der bestehenden Rentenversicherung nicht erfolgt ist. In den Beratungsprotokollen vom 20.03.2008 sind entsprechende Hinweise trotz der für die Beklagten bestehenden Dokumentationspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 2 VVG) nicht festgehalten. Nach Sinn und Wortlaut erstreckt sich die Dokumentationspflicht nicht lediglich auf den erteilten konkreten Versicherungsrat, sondern auch auf die Erfassung der Wünsche und Bedürfnisse sowie den wesentlichen Inhalt der gesamten Beratung29, vorliegend damit die Nachteile einer Kündigung der bestehenden Rentenversicherung. Die unterlassene Dokumentation begründet eine Vermutung dafür, dass die Beratung nicht erfolgt ist30. Den hierdurch begründeten Anschein31 haben die Beklagten nicht zu erschüttern vermocht. Insbesondere sind durch die Anhörung der Fachberaterin keine Umstände erwiesen, aus denen sich zumindest die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Ablaufs ergibt. Zwar hat die Beklagte erklärt, dass sie die Klägerin sowohl darauf hingewiesen habe, dass diese die bestehende Rentenversicherung auf keinen Fall kündigen dürfe, wie auch die Frage des Rückkaufswerts angesprochen und insoweit erläutert habe, dass man bei einer Kündigung einen ziemlichen Verlust erleide. Sie habe daher für den Fall, dass die Prämien für die bestehende Versicherung nicht mehr zu tragen seien, geraten, dass der Vertrag beitragsfrei gestellt werden solle.
Auf diese Schilderung vermag das Oberlandesgericht eine vom Beratungsprotokoll abweichende Überzeugung (§ 286 ZPO) aber nicht zu stützen. Zum einen erfolgten die entsprechenden Angaben der Beklagten nicht von sich aus, sondern nur auf jeweilige Nachfrage des Gerichts. Eine nachvollziehbare Erklärung, weshalb die Angaben nicht im Beratungsprotokoll vermerkt sind, vermochte sie ebenfalls nicht zu geben; hinsichtlich der steuerlichen Aspekte war sie vielmehr zunächst der unzutreffenden Ansicht, dass dies im Beratungsprotokoll hinsichtlich der vermittelten Nettopolice vermerkt sei. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin, sofern die von der Fachberaterin behaupteten Hinweise erfolgt wären, diesen nicht gefolgt ist und die bestehende Rentenversicherung dennoch gekündigt hat. Die Klägerin hat denn auch einen Hinweis der Beklagten darauf, dass die bestehende Versicherung beitragsfrei gestellt werden könne, in Abrede gestellt. Dass der Klägerin selbst bewusst war, dass sie durch die Kündigung des bestehenden Vertrags „Geld verlieren würde“, lässt die Beratungspflichtverletzung der Fachberaterin schon deshalb nicht entfallen, weil der Klägerin zum Zeitpunkt der Beratung der beträchtliche Umfang des Verlustes nach ihren nachvollziehbaren und nicht widerlegten Angaben nicht bekannt war.
Soweit die Beklagte der Klägerin anstelle der bestehenden Rentenversicherung eine fondsgebundene Lebensversicherung empfohlen hat, war sie ebenfalls zu einem Hinweis auf deren Unterschiede und die damit verbundenen Risiken verpflichtet.
Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung werden für den Erlebensfall Geldleistungen in unbestimmter Höhe vereinbart und zwar in Höhe des Wertes des Anteils an einem aus Wertpapieren bestehenden Anlagestock am Fälligkeitstag. Die Höhe der dem Versicherungsnehmer zustehenden Leistung hängt damit maßgeblich von der wertmäßigen Entwicklung des Fonds ab, wie auch die dem Versicherungsschein der von dem Finanzdienstleistungsunternehmen vermittelten „AF Investmentpolice“ beigefügten Informationen und die inhaltlich übereinstimmenden Ausführungen in den zugehörigen Verbraucherinformationen zeigen.
Der Umstand, dass bei Ablauf der Versicherung der höchste zwischenzeitlich erreichte Anteilswert garantiert wird, ändert an der Abhängigkeit der Versicherungsleistung von der Kursentwicklung der zugrundeliegenden Fonds – zumal während der Laufzeit – nichts. Mit der bei einer kapitalgedeckten Versicherung gewährten Garantieverzinsung ist dies nicht vergleichbar. Der anlassbezogenen Beratung kommt daher bei fondsgebundenen Lebensversicherungen verstärkte Bedeutung zu32. Insoweit gelten die Grundsätze zur anlegergerechten Beratung, die im Bankrecht entwickelt worden sind, entsprechend33. Es muss also insbesondere festgestellt werden, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder mehr spekulativen Charakter hat34.
Angesichts der klaren Zweckbestimmung der bestehenden kapitalgedeckten Rentenversicherung für die sichere Altersvorsorge, musste die Fachberaterin die Klägerin auf die vorbeschriebenen Abweichungen der garantierten Wertentwicklung der empfohlenen fondsgebundenen und der bestehenden kapitalgedeckten Versicherung hinweisen. Auch hier sind entsprechende Hinweise in den Beratungsprotokollen nicht festgehalten. Der im Beratungsbericht zur fondsgebundenen Lebensversicherung enthaltene Passus „Waren die Ihnen angebotenen Informationen umfassend und verständlich und sind Sie über alle Risiken (z.B. mögliche Wertschwankungen) und Chancen der Ihnen angebotenen Investmentrente aufgeklärt worden? (x) ja“ dokumentiert angesichts der gerade auf die Unterschiede zwischen der bestehenden und der empfohlenen Versicherung gerichteten Beratungspflicht keine ausreichende Beratung. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Angaben der – insoweit darlegungsbelasteten35 – Beraterin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung, wonach der garantierten Verzinsung und den Überschussanteilen bei der bestehenden Versicherung im Rahmen der empfohlenen Nettopolice eine Garantie gegenüber gestanden habe, die dahin gegangen sei, dass sich kein Verlust habe einstellen können. Auch wenn die Fachberaterin dies danach noch dahin eingeschränkt hat, dass dies lediglich den Höchststand bei Vertragsende betrifft, vermag das Gericht sich aufgrund dieser Angaben die Überzeugung einer hinreichenden Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken der bestehenden und der empfohlenen Versicherung nicht zu bilden. Eine solche lässt sich nach alledem auch aus der pauschalen Erklärung der Klägerin, wonach über die Unterschiede zwischen einer kapitalgebundenen oder einer fondsgebundenen Lebensversicherung gesprochen worden sei, nicht entnehmen. Soweit die Beklagten schließlich auf die Darstellung in den „Verbraucherinformationen und Bedingungswerk“ verweisen, deren Erhalt am 19.03.2008 die Klägerin bestätigt hat, ersetzt die Überlassung dieses 44-seitigen Konvoluts einen Tag vor dem Abschluss des Vertrags nicht die von den Beklagten vertraglich geschuldete Beratung.
Ein Hinweis darauf, dass durch den Abschluss der neuen Berufsunfähigkeitsversicherung Provisionen und Gebühren anfallen, war dagegen nicht veranlasst. Dies ist vielmehr für jeden Versicherungsinteressenten offensichtlich. Dass vorliegend insoweit über das übliche Maß hinausgehende Kosten angefallen wären, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Ebenso wenig vermag sich das Gericht davon zu überzeugen, dass die Klägerin nicht darüber informiert worden war, dass in den ersten fünf Jahren von der monatlichen Prämie für die neu abgeschlossene Lebensversicherung in Höhe von ca. EUR 50,00 lediglich ein Anteil von ca. EUR 16,00 in das dort zu bildende Kapital floss. Dem steht sowohl die von der Klägerin unterzeichnete Vergütungsvereinbarung, worin eine monatliche Vermittlungsvergütung von EUR 36,21 ausgewiesen ist, wie auch der Antrag für die Lebensversicherung entgegen, der monatliche Raten hierauf von EUR 15,84 für die ersten 60 Monate ausweist. Die Klägerin selbst hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung ferner lediglich zu erklären vermocht, dass ihr nicht erinnerlich sei, ob ihr der Umfang der Vermittlungskosten wirklich bewusst gewesen sei. Auch die Zeugin hat insoweit keine Angaben gemacht, die eine abweichende Würdigung zugunsten der Klägerin tragen.
Hinzuweisen war dagegen auf den mit dem Wechsel der Berufsunfähigkeitsversicherung verbundenen Rückgang der abgesicherten Rente von EUR 600,00 aus der bereits bestehenden Versicherung bei der A- Lebensversicherung auf – zunächst – EUR 300,00 bei der Versicherung der Z‑Lebensversicherung AG. Eine dahingehende Beratung erfolgte schon nach der eigenen Schilderung der – auch insoweit darlegungsbelasteten – Beraterin nicht. Diese hat vielmehr lediglich die – angesichts der Zukunftsbezogenheit einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ausschlaggebende – Auffassung vertreten, dass der Klägerin im Hinblick auf deren damaliges Einkommen ohnehin keine höhere Berufsunfähigkeitsrente als EUR 480,00 zugestanden hätte.
Schließlich war die Beklagte im Rahmen der Beratung der Klägerin auch zur Aufklärung über den Inhalt der Verpflichtungen aus der Vergütungsvereinbarung mit der Streithelferin des beklagten Finanzunternehmens verpflichtet, soweit dort vom Schicksalsteilungsgrundsatz abgewichen wird, der besagt, dass eine anfallende Provision das Schicksal der Versicherungsprämie teilt.
Diese Pflicht folgt bereits aus der Empfehlung zum Wechsel von der bestehenden Rentenversicherung zur die Vergütungsvereinbarung auslösenden fondsgebundenen Lebensversicherung. Denn auch bei der insoweit zu entrichtenden Vergütung handelt es sich um eine mit dem angeratenen Vorgehen verbundene Belastung der Klägerin. Einer entsprechenden Beratungspflicht steht nicht entgegen, dass die weitgespannten Pflichten eines Versicherungsmaklers oder Finanzberaters nur die diesem übertragene vertragliche Leistung, d.h. das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis, und nicht auch den eigenen Makler- oder Beratungsvertrag mit dem Interessenten betreffen36. Vertragsparteien des Beratungsverhältnisses waren vorliegend nämlich die Klägerin und die Beklagten, Parteien der Vergütungsvereinbarung dagegen die Klägerin und die Streithelferin des Unternehmens. Hinsichtlich des Abschlusses der Vergütungsvereinbarung standen sich somit die Klägerin und die Beklagten nicht als vertragsschließende Parteien mit entgegengesetzten Interessen selbständig gegenüber, was eine Pflicht der Beklagten, von sich aus die Klägerin vor oder bei Vertragsschluss über die damit verbundenen Risiken zu unterrichten, grundsätzlich ausschließen würde37. Die der Streithelferin im Rahmen der vermittelten Nettopolice auch bei vorzeitiger Beendigung der Versicherung geschuldete Vergütung stellt vielmehr eine bei der Abwägung der Vor- und Nachteile zu berücksichtigende Kostenposition der empfohlenen fondsgebundenen Lebensversicherung dar.
Auch davon, dass die Klägerin über die mit der abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung verbundene Abweichung vom Schicksalsteilungsgrundsatz nicht hinreichend aufgeklärt wurde, ist des Oberlandesgericht Karlsruhe überzeugt. Den von ihnen vertraglich übernommenen weitreichenden Beratungspflichten haben die Beklagten insoweit nicht bereits durch den in der Vergütungsvereinbarung unter Ziff. 5 formularmäßig enthaltenen Hinweis genügt. Dagegen spricht schon, dass es sich bei der Vergütungsvereinbarung nicht um eine Unterlage handelt, die als Mittel der Aufklärung überreicht wurde, die Klägerin folglich angesichts der von den Beklagten übernommenen Beratungspflicht diese auch nicht auf nicht angesprochene aufklärungspflichtige Inhalte hin untersuchen musste. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Überlassung der Vergütungsvereinbarung mit der darin enthaltenen Klausel die von den Beklagten geschuldete einzelfallbezogene Beratung der Klägerin ersetzen kann, würde dies jedenfalls voraussetzen, dass der Vertragstext so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss überlassen worden wäre, dass die Klägerin dessen Inhalt noch hinreichend zur Kenntnis hätte nehmen können38. Eine solche rechtzeitige Überlassung vor der anlässlich des Beratungstermins am 20.03.2008 erfolgten Unterzeichnung der Vereinbarung gibt der Vortrag der – insoweit darlegungsbelasteten – Beklagten nicht her. Den Angaben der Fachberaterin, wonach sie darüber aufgeklärt habe, dass auch für den Fall, dass die Versicherung nicht fortgeführt werde, die Vermittlungsgebühr gleichwohl bezahlt werden müsse, stehen schließlich die nicht weniger glaubhaften und glaubwürdigen gegenteiligen Erklärungen der Klägerin gegenüber.
Die Pflichtverletzungen der Fachberaterin muss sich das Finanzdienstleistungsunternehmen zurechnen lassen39. Die Fachberaterin wurde mit Wissen und Wollen des Unternehmens im Rahmen der Beratung der Klägerin tätig; das Unternehmen bediente sich somit zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verbindlichkeiten der Fachberaterin. Das Verschulden hinsichtlich der objektiven Pflichtverletzungen wird vermutet40, die Beklagten haben sich nicht entlastet.
Durch die Verletzung der den Beklagten obliegenden Beratungspflichten ist der Klägerin ein Schaden in Form der Verbindlichkeiten aus den neu abgeschlossenen Versicherungen und der Vergütungsvereinbarung entstanden.
Bei ordnungsgemäßer Beratung durch die Fachberaterin hätte die Klägerin weder ihre bereits bestehende Rentenversicherung gekündigt noch die fondsgebundene Lebensversicherung und die separate Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen.
Werden vertragliche Beratungs- oder Aufklärungspflichten verletzt, besteht die Vermutung, dass sich der Geschädigte „aufklärungsrichtig“ verhalten hätte, sofern es für den aufzuklärenden Vertragspartner nach den Umständen vernünftigerweise nur eine mögliche Reaktion gab41. Im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände muss eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Geschädigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sein. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Interessenten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahe gelegt hätten. Die Beweiserleichterung setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Vertragspartners typischerweise gegeben ist, beruht also auf Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen42. Sofern mehrere Verhaltensvarianten ernsthaft in Betracht kommen, müssen dagegen die Alternativen und ihre Folgen geprüft und mit dem Handlungsziel des Betroffenen verglichen werden42. Bei der insoweit erforderlichen Prüfung der haftungsausfüllenden Kausalität reicht allerdings eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit für die Annahme der Ursächlichkeit aus43.
Gemessen hieran ist das Gericht nach der Anhörung der Parteien davon überzeugt (§ 287 ZPO), dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung weder die bestehende Rentenversicherung gekündigt noch die neuen Versicherungen abgeschlossen hätte. Dabei kann letztlich dahin stehen, ob hierfür bereits ein entsprechender Anschein spricht. Denn das Ziel der nur über geringe finanzielle Mittel verfügenden Klägerin war – wie sie im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung nachvollziehbar geschildert hat – in erster Linie die Verhinderung des weiteren Anstiegs der mit ihrer bisherigen Rentenversicherung einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung verbundenen Prämienbelastung. Im Übrigen bestand aus ihrer Sicht – wie sie ebenfalls glaubhaft im Rahmen ihrer Anhörung erklärt hat – kein Anlass, von der bestehenden kapitalgedeckten Rentenversicherung und dem damit verbundenen Berufsunfähigkeitsschutz Abstand zu nehmen. Gerade aufgrund der finanziellen Situation der Klägerin spricht jedoch eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese bei hinreichender Aufklärung über die mit einer Kündigung der bestehenden Versicherung verbundenen beträchtlichen finanziellen Verluste, eine solche nicht vorgenommen hätte. Ebenso spricht angesichts des geschilderten Ziels der Klägerin eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass diese bei einem Hinweis auf die mit der vermittelten Fondspolice verbundenen steuerlichen Nachteile und größeren finanziellen Risiken sowie die deutlich geringeren Leistungen aus der gesonderten Berufsunfähigkeitsversicherung, diese von den Beklagten vermittelten neuen Versicherungen nicht abgeschlossen hätte. Denn trotz dieser nicht unerheblichen Nachteile hätte die Klägerin ihr Ziel – Verhinderung des Anstiegs der Beitragsbelastung – damit nur in geringem Umfang erreicht.
Angesichts dessen ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts davon auszugehen, dass die Klägerin, wenn sie auf die steuerlichen Nachteile, die geringere Sicherheit sowie die deutlich geringeren Leistungen der neuen Berufsunfähigkeitsversicherung hingewiesen worden wäre, in Verbindung mit dem ihr offen gelegten Umstand, dass in den ersten fünf Jahren der Laufzeit der neuen Lebensversicherung infolge der Abschlusskosten nur in geringem Umfang Kapital angespart wird, die streitgegenständlichen Versicherungen nicht abgeschlossen hätte.
Die Klägerin kann daher von den Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne die Pflichtverletzung aus den Beratungsverträgen stünde44. Bei ordnungsgemäßer Beratung bestünde die ursprüngliche Rentenversicherung fort und die Klägerin hätte die fondsgebundene Lebensversicherung und die neue Berufsunfähigkeitsversicherung nicht abgeschlossen. Da die Beklagten der Klägerin umfassende Beratung und Aufklärung schuldeten, haften sie auch für alle mit der nachteiligen Anlageentscheidung verbundenen Schäden, selbst wenn sie ihre Pflicht nur hinsichtlich einzelner aufklärungsbedürftiger Punkte verletzt haben45
Ein Anspruch der Klägerin auf die mit dem Hauptantrag begehrte Rente in Höhe von EUR 366,00 monatlich ab dem 01.09.2045 gegenüber den Beklagten folgt daraus allerdings nicht. Zwar haben die Beklagten die Klägerin so zu stellen, wie wenn der aus der gekündigten Versicherung zugesagte Versicherungsschutz ungekündigt fortbestünde. Da jedoch eine rückwirkende Beseitigung der erfolgten Kündigung des vormals bestehenden Vertrags nicht möglich ist und es sich weder bei der Fachberaterin noch dem Finanzdienstleistungsunternehmen um ein Versicherungsunternehmen handelt, ist die Klägerin im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet, eine der gekündigten Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitsvorsorge vergleichbare Versicherung abzuschließen. Die in der gekündigten Versicherung vereinbarten Leistungen – zumal ohne Erbringung der von ihr hierfür geschuldeten Gegenleistung – kann die Klägerin von den Beklagten daher nicht verlangen.
Ohne den Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung und der neuen Berufsunfähigkeitsversicherung wären dagegen die ebenfalls mit dem Hauptantrag geltend gemachten Prämien hierfür sowie die Zahlungen auf die Vergütungsvereinbarung mit der Streithelferin des Unternehmens, insgesamt ein Betrag in Höhe von EUR 517,96, nicht angefallen und sind daher zu erstatten. Die insoweit zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus Verzug (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).
Keinen Anspruch hat die Klägerin anderseits wiederum auf den infolge der Zillmerung der gekündigten Rentenversicherung verlorenen Betrag in Höhe von EUR 2.868,66. Denn diesen Betrag hätte sie auch dann nicht erhalten, wenn sie ordnungsgemäß beraten worden wäre und die Rentenversicherung nicht gekündigt hätte.
Da die Klägerin im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht verpflichtet ist, eine der gekündigten gleichwertige Versicherung abzuschließen, stehen ihr grundsätzlich die hierdurch im Vergleich zum ursprünglich bestehenden Vertrag anfallenden Mehrkosten zu.
Der von der Streithelferin gegenüber der Klägerin gerichtlich verfolgte, zwischenzeitlich rechtskräftig zuerkannte Vergütungsanspruch bestünde dagegen ebenfalls nicht, wenn die Klägerin die von den Beklagten vermittelten Versicherungen nicht abgeschlossen hätte, weshalb die Klägerin insoweit Freistellung beanspruchen kann. Durch die pflichtwidrige Beratung haben die Beklagten ferner eine adäquate Ursache dafür gesetzt, dass die Klägerin sich gegen den von der Streithelferin des beklagten Unternehmens verfolgten Vergütungsanspruch zur Wehr gesetzt hat. Hierdurch wird der Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen, da die Verteidigung gegen Anspruch durch das Verhalten der Beklagten veranlasst und nicht ungewöhnlich war46. Die Beklagten haben die Klägerin daher auch von den durch die Rechtsverteidigung gegen die Ansprüche aus der Vergütungsvereinbarung entstandenen Kosten freizustellen.
Die Verpflichtung, die Klägerin so zu stellen, wie wenn die Rentenversicherung bei der A‑Lebensversicherung nicht gekündigt worden wäre und die empfohlenen Versicherungen nicht abgeschlossen worden wären, trägt schließlich auch die von der Klägerin begehrte Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche weiteren materiellen Schäden aus der unzutreffenden Beratung. Solche kommen insbesondere im Hinblick auf die verlorengegangenen steuerlichen Vergünstigungen der gekündigten Rentenversicherung in Betracht.
Die Klägerin trifft kein – über ihre Schadensminderungspflicht hinausgehendes – Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB).
Mitverschulden in diesem Sinne ist nur gegeben, wenn der Geschädigte nicht das unternimmt, was ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder ‑minderung tun würde. Entscheidendes Kriterium ist insoweit der Grundsatz von Treu und Glauben47. Derjenige, der einen sachkundigen Berater hinzuzieht, gibt zu erkennen, dass er auf dem betreffenden Fachgebiet nicht die erforderlichen Kenntnisse hat und auf fremde Hilfe angewiesen ist, so dass sein Vertrauen besonderen Schutz verdient48. Der Einwand eines Mitverschuldens kommt daher nur unter besonderen Umständen in Betracht, etwa wenn Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet wurden oder wenn im Hinblick auf die Interessenlage, in der der Interessent und der Berater in vertragliche Beziehungen zueinander treten, solche besonderen Umstände vorliegen49.
Das unter dem 02.04.2008 erstellte Schreiben der A‑Lebensversicherung führte der Klägerin zwar die finanziellen und steuerlichen Nachteile der Kündigung der dortigen Rentenversicherung vor Augen. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin jedoch infolge der mangelhaften Beratung der Beklagten bereits die neuen Vertragsverhältnisse eingegangen. Finanzielle Mittel sowohl die zunächst gekündigte wie auch die neu abgeschlossenen Verträge zu bedienen standen der Klägerin angesichts ihrer geringen Einkünfte aber nicht zur Verfügung. Es kann ihr daher nicht zum Vorwurf gereichen, wenn sie in dieser durch die fehlerhafte Beratung der Beklagten hervorgerufenen Situation nicht das Risiko einging, durch die Weiterführung der bereits gekündigten Versicherung nicht nur den Zahlungsverpflichtungen aus den neu abgeschlossenen Vertragsverhältnissen, sondern zusätzlich auch wieder aus der zunächst beendeten Rentenversicherung ausgesetzt zu sein. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass durch die von den Beklagten der Klägerin nunmehr angesonnene Weiterführung der gekündigten Rentenversicherung der aus dem Abschluss der neuen Versicherungen herrührende Schaden – nutzlos aufgewandte Prämien, Vergütung der Streithelferin des Finanzunternehmens – ohnehin nicht verhindert worden wäre.
Zum ersatzfähigen Schaden der Klägerin zählen auch die für die Rechtsverfolgung ihrer streitgegenständlichen Ansprüche – soweit begründet – angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§ 249 Abs. 1 BGB). Angesichts der endgültigen und ernsthaften Verweigerung jeglichen Schadensersatzes seitens der Beklagten kann die Klägerin die Zahlung der angefallenen Kosten unabhängig davon verlangen, ob sie selbst diese bereits gegenüber ihren Rechtsanwälten zum Ausgleich gebracht hat50. Auch die insoweit zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus Verzug (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).
Im vorbeschriebenen Umfang haften die Beklagten schließlich auch als Gesamtschuldner (§ 421 BGB). Haben mehrere Berater – neben- oder nacheinander – denselben Auftraggeber durch eine schuldhafte Vertragsverletzung geschädigt, so haften sie grundsätzlich als Gesamtschuldner51.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2011 – 12 U 56/11
- § 280 Abs. 1 BGB, vgl. Münchener Kommentar – Reif, VVG, 1. Aufl. 2010, § 63 Rn. 35 und Beckmann/Matusche-Beckmann-Matusche-Beckmann,Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 5 Rn. 331[↩]
- LG Karlsruhe vom 22.12.2010 – 5 O 314/09[↩]
- vgl. – zur Anlageberatung – Assmann/Schütze – v. Heymann/Edelmann, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 3[↩]
- vgl. Thiel, Die Haftung der Anlageberater und Versicherungsvermittler, 1. Aufl. 2005, Seite 4[↩]
- vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann – Rixecker, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 18a Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, VersR 1985, 930–932 und Prölss/Martin – Dörner, VVG, 28. Aufl. 2010,§59Rn.50f.[↩]
- vgl. Prölss/Martin – Dörner, VVG, 28. Aufl. 2010, § 59 Rn. 51[↩]
- vgl. – zur Anlageberatung – OLG Celle, OLGR 2009, 890–893 und – zum Versicherungsvermittler – OLG Saarbrücken, OLGR 2006, 866–867 sowie Benkel/Hirschberg – Benkel, ALB/BUZ, 2. Aufl. 2011, Einl. E Rn. 69[↩]
- § 291 ZPO, vgl. Prütting/Gehrlein – Laumen, ZPO, 2. Aufl. 2010, § 291 Rn. 2[↩]
- vgl. Thiel, Die Haftung der Anlageberater und Versicherungsvermittler, 1. Aufl. 2005, Seite 3 ff.[↩]
- vgl. OLG Celle, OLGR 2009, 890–893 und Prütting/Wegen/Weinreich – Fehrenbacher, BGB, 6. Aufl. 2011, § 675 Rn. 46[↩]
- vgl. BGH VersR 2011, 76–77 und Prölss/Martin – Dörner, VVG, 28. Aufl. 2010, § 59 Rn. 67 und 76[↩]
- vgl. OLG Saarbrücken, OLGR 2006, 866–867[↩]
- s.o.[↩]
- vgl. insoweit auch OLG Celle, OLGR 2002, 250–253; 2002, 265–277 [↩]
- vgl. OLG Celle, OLGR 2002, 250–253[↩]
- vgl. Palandt – Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2011, § 172 Rn. 19 f. und – Anscheinsvollmacht – BGH VersR 1998, 888–891[↩]
- vgl. Prölss/Martin – Dörner, VVG, 28. Aufl. 2011, § 63 VVG Rn. 1[↩]
- vgl. BGH, NJW 1988, 1908–1910 [↩]
- s.o., vgl. BGH VersR 1985, 930–932 [↩]
- vgl. OLG, Köln RuS 2006, 483 [↩]
- vgl. OLG Hamm ZfSch 2010, 507–509[↩]
- vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 23.12.2010 – 7 U 187/10[↩]
- vgl. Benkel/Hirschberg – Benkel, ALB/BUZ, 2. Aufl. 2011, § 10 ALB 2006 Rn. 13[↩]
- vgl. Veith/Gräfe – Gebert/Schnepp, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 468 f. und 498 f.[↩]
- § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F., vgl. Veith/Gräfe – Gebert/Schnepp, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 478[↩]
- vgl. Veith/Gräfe – Gebert/Schnepp, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 472[↩]
- vgl. Veith/Gräfe – Gebert/Schnepp, Der Versicherungsprozess, 2. Aufl. 2010, § 10 Rn. 479[↩]
- vgl. Thiel, Die Haftung der Anlageberater und Versicherungsvermittler, 1. Aufl. 2005, Seite 50[↩]
- vgl. Meixner/Steinbeck, Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. 2011, § 2 Rn. 30; Prölss/Martin – Dörner, VVG, 28. Aufl. 2010, § 63 Rn. 12 und Beckmann/Matusche-Beckmann – Rixecker, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 18a Rn. 47[↩]
- vgl. BGH, NJW 2010, 363–365 und Musielak – Huber, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 292 Rn. 1[↩]
- vgl. Prölss/Martin – Schneider, VVG, 28. Aufl. 2010, vor § 150 Rn. 30[↩]
- vgl. OLG Düsseldorf VersR 2005, 62–63; Beckmann/Matusche-Beckmann – Rixecker, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 18a Rn. 44 und Kieninger, NVersZ 1999, 118, 119[↩]
- sog. Anlageziel, vgl. Assmann/Schütze – v. Heymann/Edelmann, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 19[↩]
- vgl. Prölss/Martin – Dörner, VVG, 28. Aufl. 2010, § 63 Rn. 12 m.w.N.[↩]
- (vgl. BGH VersR 2007, 1127–1129 [↩]
- vgl. BGH VersR 2007, 1127–1129[↩]
- vgl. BGH ZIP 2005, 753–759[↩]
- § 278 Satz 1 BGB, vgl. OLG, Celle OLGR 2002, 265–277[↩]
- § 63 Satz 2 VVG, vgl. Münchener Kommentar – Reiff, VVG, 1. Aufl. 2010, § 63 Rn. 52[↩]
- vgl. BGH NJW 2007, 54–57 und Palandt – Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, § 280 Rn. 39 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH VersR 2009, 1551–1553; NJW 2005, 3275–3277[↩][↩]
- § 287 Abs. 1 ZPO, vgl. BGH VersR 2009, 1551–1553; NJW 2005, 3275–3277[↩]
- § 249 Abs. 1 BGB, vgl. BGH VersR 2009, 543–544[↩]
- vgl. BGH VersR 2009, 1499–1501[↩]
- vgl. BGH NJW 1971, 134; Palandt – Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, vor § 249 Rn. 41 und 48[↩]
- vgl. BGH BGHZ 4, 170–182; Palandt – Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, § 254 Rn. 36[↩]
- vgl. BGH VersR 2001, 240–242[↩]
- vgl. BGH VersR 1993, 1104–1106[↩]
- § 250 BGB, vgl. Palandt – Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, § 250 Rn. 2 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH NJW 2001, 3477–3479[↩]