Bestandsschutz in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB)

Eine Mitgliedschaft in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) fällt unter den Bestandsschutz für Altversicherungsverträge nach § 193 Abs. 3 Satz 3 VVG und genügt den Anforderungen an die Versicherungspflicht.

Bestandsschutz in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB)

Grundsätzlich hat nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG seit dem 1. Januar 2008 jede Person mit Wohnsitz im Inland die Pflicht zur Grundabsicherung in einer Krankheitskostenversicherung bei einem in Deutschland zugelassenen Versicherungsunternehmen. Ein Anspruch eines KVB-Mitglieds auf Abschluss eines Versicherungsvertrages zum Basistarif besteht aber schon deshalb nicht, weil die Sonderregelung für Altverträge nach § 193 Abs. 3 Satz 3 VVG Anwendung findet. Danach genügt ein vor dem 1. April 2007, d.h. vor Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (Art. 46 Abs. 1) vereinbarter Krankheitskostenversicherungsvertrag den Anforderungen des Satzes 1.

Die KVB ist zwar weder der gesetzlichen (§ 21 Abs. 2 SGB I, §§ 143 ff. SGB V) noch der privaten Krankenversicherung zuzuordnen, letzteres nicht wegen ihres Status als öffentlichrechtlicher Körperschaft1, sondern sie ist ein mitgliedschaftlich organisierter rechtsfähiger Verband öffentlichen Rechts. Die Ansprüche ihrer Mitglieder auf Gewährung von Leistungen nach ihrem Tarif sind aber gleichwohl privatrechtlicher Art. Sie sind durch Satzung und Tarif den Ansprüchen eines Versicherungsnehmers einer privaten Krankenversicherung nachgebildet und gehen über diejenigen öffentlichrechtlichen Ansprüche hinaus, die Beamten nach den Beihilfevorschriften zustehen. Es besteht keine Zwangsmitgliedschaft, sondern Beiträge werden nur aufgrund der auf Antrag erworbenen Mitgliedschaft an die KVB entrichtet. Die Beiträge sind nicht primär risikobezogen, aber auch nicht unmittelbar prozentual einkommensabhängig; es werden besoldungsmäßig einander zugehörige Versichertengruppen entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zusammengefasst. Die KVB kennt daher auch keinen einheitlichen Erstattungssatz2. Zwischen den Mitgliedern damit auch dem Kläger und der KVB besteht nach alledem ein privatrechtliches Verhältnis, das ein besonderes Krankenversorgungssystem zum Gegenstand hat und der Regelung des § 193 Abs. 3 Satz 3 VVG unterfällt.

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Die Vorschrift gilt für jeden vor dem 1. April 2007 abgeschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag, und zwar unabhängig von dessen Inhalt. Altversicherungsverträge genügen den Anforderungen an die Versicherungspflicht auch dann, wie der Gesetzesbegründung unmissverständlich zu entnehmen ist, wenn sie den in § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG beschriebenen Mindestumfang des Versicherungsschutzes nicht erfüllen. Einer entsprechenden Anpassung an den gesetzlichen Mindeststandard bedarf es nicht. Der Gesetzgeber wollte damit den Bestandsschutz dieser Verträge gewährleisten3. Es kommt danach nicht darauf an, ob die tariflichen Leistungen, welche die KVB dem Kläger gewährt, den gesetzlichen Mindestumfang abdecken. Der Altvertrag wird auf jeden Fall von der Bestandsschutzregelung erfasst.

Unabhängig davon ist bei den tariflichen Leistungen, welche die KVB dem Kläger gewährt, eine Umgehung der Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht anzunehmen. Für ab dem 1. April 2007 geschlossene Verträge, d.h. für Neuverträge, ordnet § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG an, dass der Vertrag „mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung“ umfassen muss. Ergänzend ist § 192 Abs. 1 VVG heranzuziehen. Gefordert wird insoweit nur eine Kostenerstattung für „medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen“. Bei der Frage nach dem Umfang der Versicherungspflicht ist vom Ziel des Gesetzgebers auszugehen, dass jeder Bürger vor einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz bei Krankheit geschützt werden soll. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass ausreichend eine Absicherung in Tarifen ist, die eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung vorsehen4. Der Basistarif soll nach Art, Höhe und Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sein (§ 12 Abs. 1a Satz 1 VAG). Der Gesetzgeber hat explizit auch die Möglichkeit der Vereinbarung von (absoluten und prozentualen) tariflichen Selbstbehalten bis zu einer betragsmäßigen Auswirkung von 5.000 € geschaffen (§ 193 Abs. 3 Satz 1 VVG). Dass diese sinngemäß anzuwendende Regelung5 hier in unzulässiger Weise überschritten würde, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Um der Versicherungspflicht zu genügen, ist keine Absicherung zu 100% geboten.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. April 2012 – IV ZR 125/11

  1. BSGE 107, 177 Rn.20 ff.[]
  2. vgl. grundlegend BGH, Urteile vom 05.02.1981 IVa ZR 50/80, BGHZ 79, 320 unter I und vom 29.10.2003 IV ZR 38/03, VersR 2004, 58 unter 1[]
  3. BT-Drucks. 16/4247 S. 67; so auch: Boetius, Private Krankenversicherung § 193 Rn. 110, 111; Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, PKVVG 2. Aufl. § 193 Rn. 29; MünchKomm-VVG/Kalis, § 193 Rn.20 f.; Marko, Private Krankenversicherung 2. Aufl. B 14 ff.; Voit in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 193 Rn. 15[]
  4. BT-Drucks. 16/4247, S. 67[]
  5. vgl. Brömmelmeyer aaO Rn. 25[]