Corona – und die Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung

Eine Betriebsschließungsversicherung, der die Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 12) zugrunde liegen, ist nach Ansicht des Landgerichts Aurich bei Betriebsschließungen, die aufgrund der Sars-CoV-2-Pandemie angeordnet wurden, nicht eintrittspflichtig.

Corona – und die Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung

In Ziffer 3.1 der Versicherungsbedingungen ist in Bezug auf den Versicherungsumfang unter anderem Folgendes geregelt:

„Der Versicherer leistet bis zu den in Ziffer 9 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.04. ganz oder teilweise schließt; […]“

Eine Definition der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger enthält Ziff. 3.04. der Bedingungen:

„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG.“

Am Ende der Bedingungen findet sich ein „Anhang: Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 6 Meldepflichtige Krankheiten„. Es schließt sich eine Auflistung einzelner Krankheiten und einzelner Krankheitserreger an. Die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) und das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) werden nicht aufgeführt.

Gemäß Ziff. 8.1 der Versicherungsbedingungen wird im Fall einer Schließung eine Entschädigung maximal für die Dauer von 30 Schließungstagen gewährt.

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Auf der Grundlage dieser Versicherungsbedingungen verneinte das Landgericht Aurich den Anspruch eines Restaurantinhabers wegen der coronabedingten Betriebsschließung:

Ob die COVID-19-Erkrankung oder das Corona-Virus (Sars-CoV-2) eine Krankheit oder einen Erreger im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellen, ist anhand der maßgeblichen Regelung in Ziff. 3.04. der Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 12) zu beurteilen.

Versicherungsbedingungen sind dabei objektiv auszulegen, nämlich so, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Klausel. Das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers orientiert sich nämlich in erster Linie am Wortlaut der Klausel und ihrem Sinn und Zweck1.

Nach Ziff. 3.04. sind „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen […] die im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien“. Um zu verdeutlichen, welche Erreger genau umfasst sind, findet sich am Ende der Bedingungen der „Anhang: Auszug aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 6 Meldepflichtige Krankheiten“ in welchem die einzelnen Krankheiten und Krankheitserreger enumerativ aufgezählt sind.

Für eine abschließende Auflistung spricht, dass in den Bedingungen keine Öffnungsklausel etwa in Form der Verwendung der Ausdrücke „insbesondere“, „u.a.“ oder „beispielsweise“ enthalten ist2. Eine solche öffnende Wirkung kommt hier dem Wort „namentlich“ gerade nicht zu. Aufgrund seiner Position im Satzgefüge kann „namentlich“ nicht im Sinne von „insbesondere“, „hauptsächlich“ oder „vor allem“ verstanden werden, sondern erkennbar nur im Sinne von „dem Namen nach“3.

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Auch der Umstand, dass die §§ 6 und 7 IfSG in Ziffer 3.04. der Bedingungen ohne weitere Eingrenzung etwa durch die Nennung von Absätzen, Sätzen und Nummern in Bezug genommen werden, spricht nicht dafür, dass sämtliche unter die §§ 6 und 7 IfSG fallende Krankheiten und Erreger als versicherte Ursache der Betriebsschließung in Betracht kommen sollen. Denn durch die Verwendung des Wortes „namentlich“ im unmittelbaren Anschluss an die §§ 6 und 7 IfSG wird deutlich, dass gerade nur die in §§ 6 und 7 IfSG dem Namen nach genannten Krankheiten und Erreger gemeint sein sollen. Auf die Generalklauseln in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG und § 7 Abs. 2 IfSG soll somit von vornherein nicht verwiesen werden4.

Durch den Ausschluss der humanen spongiformen Enzephalopathien erfolgt sodann eine weitere Eingrenzung. Der Wortlaut der Klausel ist damit eindeutig abschließend. Der Versicherungsschutz beschränkt sich auf die namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger, zu denen COVID-19 und Sars-CoV-2 nicht gehören. Eine Mehrdeutigkeit im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB besteht nicht.

Unter den Gesichtspunkten der Verständlichkeit und Bestimmtheit wird bei einem durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmer durch die gewählte Formulierung nicht die Erwartung geweckt, dass noch andere als die im Infektionsschutzgesetz genannten Krankheiten oder Erreger oder sogar andere, im Infektionsschutzgesetz nicht genannte Krankheiten oder Erreger erfasst sein sollen. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird auch nicht davon ausgehen, dass spätere Änderungen der §§ 6 und 7 IfSG auf den Vertrag Anwendung finden. Dagegen spricht der klare Wortlaut von Ziff. 3.04. der Bedingungen sowie die am Ende vorgenommene ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern. Beides zusammen macht dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer, um das Risiko im erträglichen Rahmen zu halten, nur für die in den Bedingungen benannten Erreger und Krankheiten einstehen will, nicht jedoch für bei Vertragsschluss unbekannte Erreger5.

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Landgericht Aurich, Urteil vom 8. März 2021 – 3 O 677/20

  1. LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 21.10.2020 – 13 O 1637/20; vgl. Reiff, in: Langheid/Wandt, Münchner Kommentar zum VVG, 2. Aufl.2017, Bd. III, Ziffer 50 Rn. 79 m.w.N.[]
  2. vgl. Günther, Anmerkung zum Beschluss des OLG Hamm vom 15.07.2020 – I-20 W 21/20, FD-VersR2020, 431078[]
  3. OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 11.02.2021 – 1 U 261/20; LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 21.10.2020 – 13 O 1637/20; vgl. Rixecker, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Coronakrise, 2. Aufl.2020, § 11 Rn. 61 f.[]
  4. OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 11.02.2021 – 1 U 261/20; LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 21.10.2020 – 13 O 1637/20; vgl. auch Lüttringhaus, r+s 2020, 250 <253>[]
  5. OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 11.02.2021 – 1 U 261/20; LG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 21.10.2020 – 13 O 1637/20; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020 – I-20 W 21/20 4[]

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