Der Versicherungsnehmer, der innerhalb der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. zunächst nur ein Prozesskostenhilfegesuch einreicht, genügt seiner Verpflichtung, auf eine „demnächstige“ Zustellung der Klage mit größtmöglicher Beschleunigung hinzuwirken, auch dann, wenn er für eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe die Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO ausschöpft und die Beschwerde innerhalb dieser Frist begründet1.

Rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht i.S. von § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. ist der Anspruch auch mit einem fristgerecht eingereichten Prozesskostenhilfeantrag, wenn der Versicherungsnehmer anschließend alles ihm Zumutbare dafür getan hat, dass die Zustellung der Klage nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe „demnächst“ i.S. von § 167 ZPO (entsprechend § 270 Abs. 3 ZPO a.F.) erfolgt2.
So ist die Klägerin im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ihrer Obliegenheit nachgekommen, auch anschließend alles Zumutbare zu tun, um für eine „demnächstige“ Zustellung der Klageschrift Sorge zu tragen. Die Ausschöpfung der Beschwerdefrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO steht dem nicht entgegen.
Allerdings ist die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, dass der Versicherungsnehmer, der innerhalb der Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG a.F. zunächst nur ein Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hat, seiner Verpflichtung, auf eine „demnächstige“ Zustellung der Klage mit größtmöglicher Beschleunigung hinzuwirken, nur dann genügt, wenn er eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe innerhalb eines Zeitraums von höchstens zwei Wochen ab Zugang der angefochtenen Entscheidung einlegt und begründet3. Der Bundesgerichtshof hat sich dabei an der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO orientiert, weil diese Frist einen Hinweis darauf gebe, welchen Zeitraum ein Rechtsanwalt bei angemessener Sachbehandlung für eine ordnungsgemäße Prozessführung benötige.
Diese Rechtsprechung ist indessen ergangen, bevor der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPORG) vom 27.07.20014 mit Wirkung zum 1.01.2002 die Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 in die ZPO aufgenommen hat, nach der die Beschwerdefrist einen Monat beträgt.
Die Oberlandesgerichte Celle5 und Nürnberg6 haben auch nach Inkrafttreten dieser Regelung daran festgehalten, dass aus dem Gebot größtmöglicher Beschleunigung des Verfahrens weiterhin die Verpflichtung folge, die Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen und zu begründen7.
Dem folgt der Bundesgerichtshof nicht. Zutreffend ist vielmehr die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, die auch im Rahmen von § 12 Abs. 3 VVG a.F. die Wahrung der inzwischen vom Gesetzgeber festgesetzten Beschwerdefrist von einem Monat für ausreichend hält.
Es ist bereits vor der ZPO-Reform anerkannt gewesen, dass ein Versicherungsnehmer vom Gericht gesetzte Fristen trotz des Beschleunigungsgebots ausschöpfen darf, weil er darauf vertrauen kann, das Verfahren mit Einhaltung dieser Fristen ausreichend zu fördern8.
Dies gilt in gleichem Maße für die vom Gesetzgeber festgesetzte Frist zur Einlegung einer Beschwerde im Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit der Regelung in § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO hat der Gesetzgeber eine verbindliche Entscheidung darüber getroffen, wie viel Zeit sich eine bedürftige Partei für die Einlegung des Rechtsmittels lassen darf.
Wie der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 01.10.1986 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts9 ausgeführt hat10, gebietet es der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art.20 Abs. 1 GG), die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen; der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung im Vergleich zur Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Hieraus und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist deshalb ebenfalls zu folgern, dass die Antragstellerin die ihr vom Gesetz eingeräumte Beschwerdefrist bis zum letzten Tage ausschöpfen durfte. So ist es vom Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden, dass der Bürger berechtigt ist, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen11. Dem materiellen Gehalt dieses Rechts wäre für die bedürftige Partei nicht genügt, wenn sie bei voller Ausnutzung der Frist zwar eine Überprüfung ihres Prozesskostenhilfeantrages im Bewilligungsverfahren erreichen könnte, die materielle Prüfung des von ihr verfolgten Anspruchs im folgenden Klageverfahren aber allein wegen Ausschöpfung der Frist abgeschnitten wäre. Für einen Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 234 ZPO ist damit kein Raum mehr.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. November 2011 – IV ZR 143/11
- Aufgabe von BGHZ 98, 295, 301[↩]
- BGH, Urteil vom 01.10.1986 – IVa ZR 108/85, BGHZ 98, 295, 300 f.[↩]
- BGH, Urteile vom 06.06.1990 – IV ZR 262/89, VersR 1990, 882 unter I; und vom 01.10.1986 aaO S. 301[↩]
- BGBl. I S. 1887[↩]
- OLG Celle VersR 2006, 101 f.[↩]
- OLG Nürnberg VersR 2011, 57 Rn. 39[↩]
- ebenso Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rn. 64[↩]
- vgl. OLG Köln VersR 1998, 749 f.; OLG Koblenz VersR 2002, 557, 558; Prölss aaO[↩]
- BVerfGE 2, 336, 340; 9, 124, 130 f.; 10, 264, 270[↩]
- aaO S. 299 f.[↩]
- BVerfGE 52, 203, 207[↩]