Gemäß § 5 handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Irreführend ist eine geschäftliche Handlung, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Ob eine Werbeaussage unwahre Angaben enthält, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers [1]. Dessen Erwartungen kann das Oberlandesgericht vorliegend selbst beurteilen, da sich die Aussage an Allgemeinheit richtet. Zur Feststellung der Verkehrsauffassung ist der Tatrichter als Teil dieser Allgemeinheit regelmäßig ohne weiteres in der Lage [2]. Der Einholung eines auf eine Verkehrsbefragung gestützten Sachverständigengutachtens, um das Verständnis des Verkehrs zu ermitteln, bedarf es nicht [1].

Es ist nicht erforderlich, dass alle Angehörigen oder auch nur der überwiegende Teil der angesprochen Verkehrskreise irregeführt werden; es genügt die Irreführung eines erheblichen Teils. Bei der Beurteilung, ob eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG vorliegt, ist zwar auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die genannte Vorschrift nur dann eingreift, wenn die Angabe geeignet ist, jeden durchschnittlich informierten und verständigen Werbeadressat irrezuführen. Denn auch durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher können eine Werbeangabe unterschiedlich auffassen [3].
Ein zumindest erheblicher Teil der Verbraucher versteht den Begriff „Kundenanwalt“ dahingehend, dass es sich um einen Rechtsanwalt handelt, der ihre individuellen Kundeninteressen gegenüber der Rechtsschutzversicherung wahrnimmt.
Anwalt ist nach der Verkehrsanschauung der Rechtsanwalt [4]. Nicht umsonst nennt der Duden als Bedeutung von „Anwalt“ an erster Stelle den „Rechtsanwalt“ und erst danach die allgemeinere „Verfechter einer Sache; Fürsprecher“. Dieses Verständnis liegt auch gebräuchlichen Begriffen wie „Anwaltschaft“ zugrunde, zu denen niemand nicht zur Rechtsanwaltschaft gehörende „Fürsprecher“ zählen würde, sieht man von der Gruppe der Patentanwälte ab, wobei auch deren abweichende Qualifikation wohl nur einer Minderheit bekannt sein dürfte. Wer einen Rechtsanwalt sucht, bedient sich eines „Anwaltsverzeichnisses“ wie „anwalt.de“.
Soweit der Begriff „Anwalt“ in einem nicht auf Rechtsanwälte bezogenen Sinne Verwendung findet, steht die Wahrnehmung öffentlicher Belange oder die Vertretung der Interessen gesellschaftlich relevanter Gruppen in Rede. Der Vorsitzende des Bundes der Versicherten als „Verbraucheranwalt“ und der frühere Umweltminister T. als „Umweltanwalt“ wirken auf die Meinungsbildung der Öffentlichkeit und auf den Gesetzgeber ein. Die „Zuschaueranwältin“ des WDR soll Sprachrohr der großen und heterogenen Gruppe der Zuschauer sein. Hier geht es nicht um die Vertretung individueller Rechte, sondern um gesellschaftliche Aufgaben. Gleiches gilt für Bezeichnung einer für ihr karitatives Engagement bekannten Person wie Mutter Teresa als „Anwältin der Armen“.
Diese Verwendungen sind daher nicht geeignet, ein auf den Rechtsanwalt bezogenes Verständniss des Begriffs „Anwalt“ in den Fällen in Frage zu stellen, in denen es um die Wahrnehmung individueller Rechte geht. Soweit die Beklagte auf den „Kundenanwalt“ der Y‑Bank verweist, ist schon nicht festzustellen, dass diese Verwendung großen Teilen des Verkehrs bekannt ist, geschweige denn, dass der Verkehr um ein Fehlen seiner rechtsanwaltlichen Qualifikation weiß. Gleiches gilt für Bezeichnung des Verfahrensbeistands nach § 158 FamFG als „Kinderanwalt“ in einem Wikipedia-Artikel zu diesem Thema. Die Verwendung eines Begriffs in einem Lexikon ist nicht geeignet, eine allgemeine Bekanntheit des Bedeutungsgehalts einer Begrifflichkeit zu belegen. Den Mitgliedern des erkennendas Oberlandesgerichts ist der Begriff jedenfalls erst im Zuge eines Parrallelverfahrens bekanntgeworden, in der es um die Frage einer Irreführung durch die Verwendung des Begriffs „Kinderanwältin“ durch eine Nicht-Rechtsanwältin ging.
Der „X‑Kundenanwalt“ soll gerade nicht die kollektiven Interessen der Gesamtheit der Versicherten vertreten, sondern sich um konkrete Anliegen einzelner Versicherter kümmern. Die Vertretung bei der Wahrnehmung individueller vertraglicher Ansprüche ist eine typische anwaltliche Tätigkeit. Insoweit folgt die Begriffsbildung „Kundenanwalt“ hier dem im Bereich der rechtsanwaltlichen Werbung etablierten Trend, die Spezialisierung auf die Vertretung vermeintlich oder tatsächlich benachteiligter Gruppen in der Selbstbezeichnung zum Ausdruck bringen. Die von der Klägerin genannten Beispiele „Opferanwalt“, „Verbraucheranwalt“ oder „Schuldneranwalt“ lassen sich noch – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – um den „Mieteranwalt“ und den „Patientenanwalt“ ergänzen. In diese Reihe fügt sich der „Kundenanwalt“, der die Kunden der Versicherung vertritt, nahtlos ein.
Daran ändert auch der Zusatz „X“ nichts. Der „X Kundenanwalt“ vertritt speziell die Kunden der X Versicherung. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Verkehr einen „X Kundenanwalt“, der auf der Internetseite der X Versicherungsgruppe vorgestellt und als „Stimme der Kunden im Unternehmen“ bezeichnet wird, nicht für völlig unabhängig halten wird. So geht der Verkehr selbstverständlich davon aus, dass der „X Kundenanwalt“ sein Geld von der Beklagten erhält und zwar auch dann, wenn er den Kunden dieser gegenüber vertritt. Dies steht dem Verständnis, es handele sich um einen Rechtsanwalt aber nicht entgegen.
Der „X‑Kundenanwalt“ ist in die in der Kopfzeile der Seite angezeigte Rubrik „Versichern heißt Verstehen“ eingebettet, ein Slogan, auf dem die breit beworbene Imagekampagne der Beklagten aufbaut. Von daher wird der Verkehr annehmen, dass die Beklagte extra einen Rechtsanwalt angestellt hat, der aufgrund seines Berufsethos als Organ der Rechtspflege – auch wenn er vorliegend nicht als solches tätig werden könnte – ein höheres Maß an Gewähr für eine engagierte Vertretung der berechtigten Interessen der Kunden bietet, als es ein in der Hierarchie der Versicherung großgewordener Angestellten der Beschwerdestelle könnte. So wäre der „X Kundenanwalt“ Ausdruck eines ernstgenommenen „Versichern heißt Verstehen“. In diesem Verständnis wird der Verkehr noch durch die hochtrabende Aussage „Unser Ziel: Gerechtigkeit“ bestärkt, die den Eindruck erweckt, die Beklagte habe nun wirklich alles getan, um die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Vertretung der Interessen der Kunden ihr gegenüber zu gewährleisten.
Für die Unterseite „Arbeitsweise des X Kundenanwalts“ gilt nichts anderes. Auch hier wird durch den Neutralität suggerierenden Begriff „Schlichtungsfunktion“ der Eindruck verstärkt, es handele sich um einen Rechtsanwalt, der aufgrund von Qualifikation und beruflicher Herkunft die Gewähr für eine maximale innere Unabhängigkeit von der Beklagten biete.
Die Klarstellung im Fließtext ist nicht geeignet, die Gefahr einer Irreführung zu beseitigen, da sie nicht am Blickfang teilnimmt. Die Grundsätze der Blickfangwerbung sind vorliegend anwendbar, da zu den Besuchern der Internetseite der Beklagten nicht nur Bestandskunden gehören, die sich aufgrund aktueller Probleme bei der Regulierung eines Schadens für die „Arbeitsweise des X Kundenanwalts“ interessieren, sondern auch potentielle Neukunden, die sich einen Eindruck von der „geläuterten“ Beklagten verschaffen wollen und sich mit Schlagworten zufrieden geben. Von daher hätte es zumindest eines Sternchenhinweises oder anderen geeigneten Warnsignals bedurft, das dem Interessenten zeigt, dass der Begriff „Kundenanwalt“ der Erläuterung bedarf [5]. Eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe darf für sich genommen nicht unrichtig oder auch nur für den Verkehr missverständlich sein; eine irrtumsausschließende Aufklärung kann in solchen Fällen nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen kann, wenn dieser am Blickfang teilhat und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt [6].
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 28. Oktober 2014 – I ‑20 U 168/13
- BGH, GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft[↩][↩]
- BGH, GRUR 2002, 550, 552 – Elternbriefe[↩]
- BGH, GRUR 2004, 162, 163 – Mindestverzinsung[↩]
- Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn.05.149[↩]
- vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. § 5 Rn.02.98[↩]
- BGH, GRUR 2007, 802 Rn.19 – Testfotos III[↩]