Der lichtensteinische Lebensversicherungs-Nettopolice – und die Widerrufsbelehrung

Wie der Bundesgerichtshof bereits in seinen – vergleichbare Sachverhalte betreffenden – Urteilen vom 12.03.2014 entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstößt die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG1. Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung selbst2.

Der lichtensteinische Lebensversicherungs-Nettopolice – und die Widerrufsbelehrung

Dem Beklagten stand allerdings das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam ist3. Hieran hält der Bundesgerichtshof auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Klägerin fest. Der Bundesgerichtshof hat die hierzu von der Klägerin erhobenen Einwände geprüft, sieht indessen keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung.

Hat der Beklagte die Kostenausgleichsvereinbarung wirksam gekündigt hat, kann der Versicherer lediglich noch Zahlung der bis zum Kündigungszeitpunkt fälligen Raten für die Kostenausgleichsvereinbarung verlangen.

Vorliegend hatte der Versicherungsnehmer allerdings keinen Erfolg, da sein Widerruf der auf Abschluss des Versicherungsvertrages und der Kostenausgleichsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen verfristet war: Die Widerrufsbelehrungen zum Versicherungsvertrag und zur Kostenausgleichsvereinbarung sind weder aus inhaltlichen noch aus formalen Gründen zu beanstanden. Die Widerrufsbelehrungen im hier zu beurteilenden Fall entsprechen denjenigen, die der BGH-Entscheidung vom 14.05.20144 zugrunde lagen. Insoweit wird zunächst auf die dortigen Ausführungen Rn. 1419 verwiesen.

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Ohne Erfolg blieb vor dem Bundesgerichtshof auch die Rüge, dass die Belehrung zum Beginn des Widerrufsrechts den Hinweis enthält, die Frist beginne „nach Erhalt“ der maßgeblichen Unterlagen. Es werde nicht klar, ob die Widerrufsfrist bereits im Zeitpunkt des Erhalts der Unterlagen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnen solle. Eine derartige Unklarheit der Widerrufsbelehrung besteht indessen nicht. Der von der Revision herangezogene Vergleich mit dem5 trägt nicht. Dort war eine Belehrung des Inhalts erfolgt, dass die Widerrufsfrist „frühestens“ mit Erhalt der Belehrung in Textform beginnt6. Hierzu hat der XI. Zivilsenat ausgeführt, die Verwendung des Wortes „frühestens“ sei irreführend, weil sie es dem Verbraucher nicht ermögliche, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermöge ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginne, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen solle. Der Verbraucher werde jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche etwaigen weiteren Umstände dies seien.

Die Verwendung der Begriffe „nach“ und „frühestens“ unterscheidet sich jedoch grundlegend voneinander. Während für den Versicherungsnehmer bei der Formulierung „frühestens“ unklar bleibt, wann die Frist beginnen soll, wird er hier darauf hingewiesen, dass die Widerrufsfrist nach Erhalt der Versicherungsunterlagen beginnt. Der Versicherungsnehmer kann hieraus entnehmen, dass die Frist zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem er die Unterlagen erhalten hat. Unschädlich ist es demgegenüber, dass kein ausdrücklicher Hinweis auf die Berechnung der Frist gemäß § 187 Abs. 1 BGB erfolgt ist. Es muss insbesondere nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Widerrufsfrist erst einen Tag nach Erhalt der Unterlagen zu laufen beginnt. So hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Belehrung, der Lauf der Frist beginne mit der Aushändigung eines Durchschlages des Bestellscheins mit der schriftlichen Widerrufsbelehrung, für ausreichend erachtet7. Es genüge, dass das den Lauf der Frist auslösende Ereignis in der Belehrung benannt werde. Eine zusätzliche Belehrung auch über den Inhalt der §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB sei nicht notwendig. Nicht zu beanstanden ist ferner die Widerrufsbelehrung „Fristbeginn nach Aushändigung dieser Urkunde“8. Auch der Gesetzgeber verwendet entsprechende Begriffe. Im Muster für die Widerrufsbelehrung zu § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG ist geregelt, dass die Frist beginnt, nachdem der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein etc. erhalten hat.

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Auch verwirft der Bundesgerichshof die Rüge, die Widerrufsbelehrung betreffend die Kostenausgleichsvereinbarung sei unzureichend und irreführend, weil nicht klar sei, was mit der dortigen Bezugnahme auf den „Versicherungsvertrag“ gemeint sei. Neben dem Vertrag über die fondsgebundene Rentenversicherung ergebe sich aus dem Antragsformular, dass die Klägerin auch ein Produkt mit der Bezeichnung „Kostenausgleich Protect“ vertreibe. Hierbei handele es sich um eine Zahlungsausfallversicherung. Es sei damit unklar, ob in der Widerrufsbelehrung zur Kostenausgleichsvereinbarung der Rentenversicherungsvertrag oder die Zahlungsausfallversicherung gemeint sei. Von einer derartigen Unklarheit kann hier indessen keine Rede sein. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird unter dem Begriff des Versicherungsvertrages denjenigen der fondsgebundenen Rentenversicherung verstehen. Auf diesen und auf die Kostenausgleichsvereinbarung beziehen sich die vier Unterschriften, die der Versicherungsnehmer zur Antragstellung und zur Widerrufsbelehrung zu leisten hat. Im Antragsformular selbst finden sich unter B die Angaben zur Rentenversicherung sowie unter C zur Kostenausgleichsvereinbarung. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird deshalb nicht davon ausgehen, dass mit „Versicherungsvertrag“ die an einer eher versteckten Stelle im Rahmen der Rubrik über die Kostenausgleichsvereinbarung genannte Zahlungsausfallversicherung gemeint ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Februar 2015 – IV ZR 310/13

  1. BGH, Urteil vom 12.03.12014 – IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 1422; – IV ZR 255/13 1220[]
  2. BGH, Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 295/13 aaO Rn. 2325[]
  3. BGH, Urteile vom 12.03.2014 – IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 2635; – IV ZR 255/14 2130[]
  4. BGH, Beschluss vom 14.05.2014 – IV ZA 5/14, VersR 2014, 824[]
  5. BGH, Urteil vom 28.06.2011 – XI ZR 349/10, VersR 2012, 1405[]
  6. BGH, aaO Rn. 4[]
  7. BGH, Urteil vom 23.09.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 Rn. 26[]
  8. BGH, Urteil vom 27.04.1994, – VIII ZR 223/93, BGHZ 126, 56, 62[]
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