Von Arglist des Versicherungsnehmers kann bei einem Zusatzkrankenversicherungsantrag nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn wegen Schwerhörigkeit des Versicherungsnehmers nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser die Aufklärung des Arztes über eine objektiv bestehende und im Antrag nicht angegebene Vorerkrankung nicht gewusst hat.

Eine Anfechtung durch die Versicherungsgesellschaft wegen einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer (§§ 123 Abs. 1 BGB, 22 VVG) durch Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antragsformular ist in diesem Fall ausgeschlossen.
Ein arglistiges Verhalten ist anzunehmen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sei muss [1]. Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist somit, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben macht. Arglistig täuscht im Sinne von § 123 BGB damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früherer Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Versicherungsangebots zu beeinflussen [2].
Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht gemacht zu werden pflegt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bzw. durchgeführten Behandlungen bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Liegen objektive Falschangaben vor, ist es Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiv falschen Angaben gekommen ist [3].
Nach diesem Maßstab hat die Versicherungsgesellschaft vorliegend den ihr obliegenden Beweis eines arglistigen Verhaltens des Versicherungsnehmers nicht zur Überzeugung des Oberlandesgerichts (§ 286 ZPO) geführt. Erforderlich ist insoweit nicht eine über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit. Vielmehr genügt eine „persönliche Gewissheit“, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen [4]. Eine solche Gewissheit konnte das Oberlandesgericht auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme bei Würdigung des bei der Anhörung des Versicherungsnehmers gewonnenen unmittelbaren persönlichen Eindrucks von diesem nicht gewinnen.
Ob der Versicherungsnehmer – wovon unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren Angaben des Zahnarztes und unter Berücksichtigung der Eintragungen in der Patientenkartei allerdings auszugehen sein dürfte – vom Zahnarzt das Merkblatt „Information zur Parodontitisbehandlung“ ausgehändigt erhielt, kann für die Entscheidung dahinstehen. Selbst eine solche Aushändigung unterstellt, konnte das Oberlandesgericht nach dem persönlichen Eindruck vom Versicherungsnehmer bei seiner Anhörung nicht die Überzeugung gewinnen, dass er den Inhalt des Informationsblattes – sollte es ihm ausgehändigt worden sein – tatsächlich auch zur Kenntnis genommen hat. Der Versicherungsnehmer hat nachvollziehbar geschildert, Anlass für den Zahnarztbesuch sei eine Routineuntersuchung gewesen, um die Eintragung in das Bonusheft hinsichtlich der Erstattung von Kosten für Zahnersatz durch die gesetzliche Krankenversicherung zu erhalten. Hat der Versicherungsnehmer aber im Hinblick auf seine ausgeprägte Schwerhörigkeit die Erläuterungen des Zahnarztes zur Notwendigkeit der Parodontosebehandlung während des Behandlungstermins am 11.11.2008 – was dem Oberlandesgericht durchaus naheliegend erscheint – nicht verstanden, so bestand für ihn auch keine besondere Veranlassung, ein ihm ausgehändigtes Merkblatt zu lesen.
Lediglich ergänzend – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – ist darauf hinzuweisen, dass sich selbst im Falle der Lektüre des Merkblattes dem Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres erschlossen hätte, dass gerade bei ihm eine behandlungsbedürftige Parodontitis festgestellt wurde. Ohne Kenntnis der eigenen Behandlungsbedürftigkeit aufgrund vorangegangener persönlicher Beratung durch den Zahnarzt – von einer solchen Kenntnis ist, wie ausgeführt, beim Versicherungsnehmer gerade nicht auszugehen – lässt sich das Merkblatt vielmehr auch – seiner Überschrift entsprechend – als allgemeine „Information zur Parodontitisbehandlung“ verstehen.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung konnte das Oberlandesgericht – auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufes, der Antragstellung gegenüber der Versicherungsgesellschaft nur etwa einen Monat nach der Behandlung am 11.11.2008 – nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Antragstellung gegenüber der Versicherungsgesellschaft Kenntnis von der Notwendigkeit einer Parodontosebehandlung hatte. Soweit er – eine Aushändigung des Merkblattes unterstellt – die Möglichkeit hatte, sich eine entsprechende Kenntnis zu verschaffen, begründet eine objektiv fehlerhafte Beantwortung der Gesundheitsfrage trotz entsprechender Kenntnismöglichkeit – und damit eine fahrlässige Falschbeantwortung – nicht den Vorwurf der Arglist.
Soweit die Versicherungsgesellschaft im Hinblick auf den Einwand eines arglistigen Handelns des Versicherungsnehmers auf den Zeitpunkt der Durchführung der Parodontosebehandlung beim Versicherungsnehmer nach Ablauf der im streitgegenständlichen Versicherungsvertrag vereinbarten Wartezeit hinweist, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Die Wartezeit beträgt gemäß § 3 Ziffer 3 AVB acht Monate, die Parodontosebehandlung erfolgte erst im Januar 2011 und damit – bei Versicherungsbeginn am 01.01.2009 – in einigem zeitlichen Abstand zum Ablauf der Wartezeit. Insoweit ist auch zu sehen, dass der Versicherungsnehmer Anfang des Jahres 2009 schwer erkrankte und mehrere stationäre Krankenhausaufenthalte durchlief, was die Behandlung nach Ablauf der Wartezeit überdies nachvollziehbar erscheinen ließe.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 29. Juli 2014 – 12 U 159/13
- BGH, NJW 2001, 2326; OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.04.2005 – 12 U 391/04 27[↩]
- OLG Karlsruhe, Urteile vom 07.04.2005 – 12 U 391/04 27; und vom 05.02.2013 – 12 U 140/12[↩]
- OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2013 – 12 U 140/12; OLG Saarbrücken, VersR 2007, 96[↩]
- Zöller – Greger, 30. Aufl.2014, § 286 ZPO, Rn.19 m.w.N.[↩]