Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Kündigung der (Haupt-)Lebensversicherung

Eine Klausel in den Bedingungen einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, nach der von einem Rückkauf oder einer Umwandlung der Hauptversicherung (Lebensversicherung) in eine beitragsfreie Versicherung mit herabgesetzter Versicherungsleistung (lediglich) anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung nicht berührt werden, ist unwirksam.

Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Kündigung der (Haupt-)Lebensversicherung

Tritt Berufsunfähigkeit – mithin der Versicherungsfall – während des Laufes der Versicherung und vor ihrer Beendigung durch Kündigung der Hauptversicherung ein, endet die Leistungspflicht des Versicherers nicht mit dem Erlöschen der Zusatzversicherung. Allerdings kann, so der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil, aus § 9 (8) B-BUZ nicht gefolgert werden, dass lediglich anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung vom Rückkauf der Lebensversicherung unberührt bleiben. Die Regelung in § 9 (8) B-BUZ erweist sich insoweit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam.

Zutreffend ist allerdings die Klauselauslegung, wonach mit § 9 (8) B-BUZ das Leistungsversprechen des Versicherers dahingehend eingeschränkt wird, dass nach Beendigung des Hauptvertrages Versicherungsleistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nur noch dann erbracht werden, wenn der Anspruch aus der Zusatzversicherung bereits festgestellt oder anerkannt worden ist.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann1.

Zu der Frage, inwieweit der Versicherungsnehmer auch nach Beendigung des Hauptvertrages Versicherungsleistungen aus der Zusatzversicherung beanspruchen kann, wird er zunächst das Leistungsversprechen des Versicherers in den Blick nehmen. Dessen wesentlichen Inhalt entnimmt er § 1 (1) der Bedingungen („Was ist versichert?“). Danach ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherte „während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50% berufsunfähig“ wird. Es genügt mithin für die Begründung dieser Leistungspflicht, dass die Berufsunfähigkeit in versicherter Zeit eingetreten ist. § 1 (3) der Bedingungen entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiter, dass die Leistungspflicht des Versicherers nur bei einem Wegfall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, bei Tod des Versicherten oder bei Ablauf des Versicherungsvertrages, also bei Erreichen des im Versicherungsschein aufgeführten Versicherungsendes, erlischt. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Beendigung des Versicherungsvertrages die Leistungspflicht des Versicherers für bereits in versicherter Zeit eingetretene Berufsunfähigkeit nach dem in § 1 B-BUZ gegebenen Leistungsversprechen unangetastet lässt. Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die Regelung in § 9 (8) B-BUZ als Einschränkung des Leistungsversprechens verstehen. Denn wenn dort davon die Rede ist, dass im Falle des Rückkaufs der Hauptversicherung „anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung“ nicht berührt werden, drängt sich im Umkehrschluss auf, dass sonstige, also infolge des Leistungsversprechens eigentlich begründete, jedoch vor Vertragsbeendigung noch nicht vom Versicherer (hier nach § 5 B-BUZ) anerkannte oder gerichtlich oder durch Vergleich festgestellte Ansprüche2 „berührt“ werden, mithin nicht mehr fortbestehen sollen.

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Soweit teilweise bereits bezweifelt wird, dass diese in § 9 (8) B-BUZ oder wortgleichen Klauseln enthaltene Leistungsbeschränkung hinreichend transparent ist3, kann dies dahinstehen; denn jedenfalls benachteiligt sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB4.

Beim Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung handelt es sich um einen so genannten gedehnten Versicherungsfall, der durch die Fortdauer des mit seinem Eintritt geschaffenen Zustandes bestimmt wird5. Der Versicherer verpflichtet sich im Leistungsversprechen (hier in § 1 (1) B-BUZ) dazu, nicht lediglich eine einmalige Versicherungsleistung zu erbringen, sondern längstens bis zum Ablauf der vertraglich bestimmten Leistungszeit so lange fortlaufend zu leisten, wie der den Versicherungsfall auslösende Zustand andauert. Grundsätzlich gilt, dass die Beendigung des Versicherungsverhältnisses, auch wenn sie infolge einer Kündigung der Hauptversicherung (hier der Lebensversicherung in Form einer Leibrentenversicherung) eintritt, die Leistungspflicht aus einem schon zuvor in der Zusatzversicherung eingetretenen Versicherungsfall nicht beendet6. Lediglich für Versicherungsfälle, die erst nach der Beendigung des Hauptvertrages und der Zusatzversicherung eintreten, besteht kein Versicherungsschutz mehr.

Soweit die Regelung in § 9 (8) B-BUZ demgegenüber eine Einschränkung des Leistungsversprechens herbeiführt und die Leistungspflicht des Versicherers auch dann, wenn der Versicherungsfall schon vor Beendigung der Zusatzversicherung eingetreten ist, auf festgestellte oder anerkannte Ansprüche aus der Zusatzversicherung beschränkt, benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen.

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Das gilt schon mit Blick auf die Reichweite der Beschränkung. Sie greift ohne Ausnahme ein, gleichviel ob der Versicherungsfall schon lange oder unmittelbar vor der Beendigung der Zusatzversicherung eingetreten ist, sie greift selbst dann ein, wenn der Versicherungsfall schon vor der Beendigung angezeigt worden ist, und auch dann, wenn sich die Vertragsparteien bereits um den Eintritt des Versicherungsfalles streiten und die Beendigung der Zusatzversicherung zu dieser Zeit etwa durch die Kündigung der Hauptversicherung durch einen Dritten (Zessionar) herbeigeführt worden ist. Das widerspricht evident dem Interesse des Versicherungsnehmers, für die in versicherter Zeit geleisteten Prämien bei Eintritt des Versicherungsfalles die versprochenen Versicherungsleistungen zu erhalten, insbesondere wenn selbst der eingeschränkte Fort-bestand von Ansprüchen noch von Umständen abhängt, die er allein nicht beeinflussen kann. Sich anderweitige Deckung für den ausgeschlossenen Anspruch zu verschaffen, ist dem Versicherungsnehmer überdies nicht möglich, weil er bei Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages die bereits eingetretene Berufsunfähigkeit offen legen und sich diese zudem in einem solchen Vertrag als vorvertraglich darstellen müsste.

Dem stehen keine Interessen des Versicherers gegenüber, die eine solche Einschränkung des Leistungsversprechens rechtfertigen könnten. Die in § 9 (8) B-BUZ getroffene Regelung entlastet den Versicherer zwar davon, sich nach Beendigung der Zusatzversicherung noch mit der Prüfung zurückliegender, un- oder nicht abschließend geklärter Versicherungsfälle zu befassen. Es sollen erkennbar eine zeitverzögerte Prüfung und die damit verbundenen Schwierigkeiten für eine zuverlässige Feststellung des angezeigten Versicherungsfalles vermieden werden. Allerdings hat sich der Versicherer bereits mit der Regelung in § 1 (2) B-BUZ ein Instrument verschafft, das den Versicherungsnehmer zur zeitgerechten Anzeige des Versicherungsfalles anhält und auch Ansprüche vor der Anzeige – so sie denn schuldhaft nicht erfolgt – ausschließt. Dass dem Interesse an zeitgerechter Prüfung und Entscheidung darüber hinaus noch mit dem Wegfall nicht festgestellter oder nicht anerkannter Ansprüche bei Vertragsbeendigung Rechnung getragen werden muss, ist nicht zu erkennen. Die Klausel schafft in der dargestellten Reichweite einen für den Versicherungsnehmer nicht mehr zumutbaren, unangemessenen Eingriff in den ihm versprochenen Versicherungsschutz für in versicherter Zeit eingetretene Versicherungsfälle.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Juni 2010 – IV ZR 226/07

  1. vgl. BGHZ 123, 83, 85[]
  2. vgl. dazu Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. BUZ § 9 Rdn. 10; Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, BUZ § 9 Rdn. 11[]
  3. vgl. dazu OLG Karlsruhe VersR 2006, 1348 f.; r+s 2007, 255[]
  4. vgl. dazu Terno, r+s 2008, 361, 367[]
  5. BGH; Urteil vom 12.04.1989 – IVa ZR 21/88, VersR 1989, 588[]
  6. OLG Saarbrücken VersR 2007, 780, 782; OLG Karlsruhe VersR 1995, 1341; Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann aaO § 46 Rdn. 90; Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. VI Anm. D 16; Prölss in Prölss/Martin aaO Rdn. 33; Terno aaO; Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess 2005 § 8 Rdn. 137 f.[]