Die Bezugsberechtigung bei der Lebensversicherung

Bei der Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den Versicherungsnehmer handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe abstellend aus Sicht des Versicherers als objektivem Empfänger gemäß §§ 133, 157, 242 BGB auszulegen ist1. Dabei ist der dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers maßgebend. Nachträgliche Absichtserklärungen des Versicherungsnehmers bleiben außer Betracht, wenn keine Mitteilung an den Versicherer erfolgt, aus dem sich eine Bezugsrechtsänderung ergibt.

Die Bezugsberechtigung bei der Lebensversicherung

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Hamm in dem hier vorliegenden Fall – anders als noch in der Vorinstanz das Landgericht Arnsberg2 – die Ex-Ehefrau nach Auslegung des Risikolebensversicherungsvertrages als Bezugsberechtigte dieses Vertrages angesehen und ihr einen Anspruch auf Auszahlung der Todesfallleistung aus der von einem Verstorbenen geschlossenen Risikolebensversicherung gem. §§ 328, 331 BGB i.V.m. § 159 VVG zugebilligt. Denn mit dem Erwerb des Bezugsrechts erwirbt der bezugsberechtigte Dritte beim Tod des Versprechensempfängers einen unmittelbaren Anspruch auf die Versicherungsleistung.

Dem Verfahren vorausgegangen war die Weigerung eines Versicherers, der Ex-Ehefrau eine Versicherungsleistung aus einer von ihrem früheren Ehemann bei der beklagten Versicherungsgesellschaft gehaltenen Risikolebensversicherung nach dem Tod des Ex-Mannes (Erblassers) auszuzahlen. Während der Ehe erwarben die (nunmehrige Ex-)Ehefrau und der Erblasser gemeinsam einen Grundbesitz, dessen Kaufpreis u.a. durch Aufnahme eines gesamtschuldnerischen Darlehens bei der C von 106.000,00 € finanziert wurde. Zur Absicherung haben die beiden damaligen Ehegatten Risikolebensversicherungen bei der beklagten Versicherungsgesellschaft abschlossen. Als bezugsberechtigte Person wurde wechselseitig angegeben: „verwitweter Ehepartner“. Als Todesfallleistung wurde bei Tod des versicherten Erblassers ein Betrag von 53.823,00 € vereinbart. Nachdem die Ehe geschieden wurde, blieben beide je hälftig Miteigentümer des Grundstücks und hafteten für die aufgenommenen Darlehen weiter gesamtschuldnerisch. Der Erblasser heiratete im Jahr 2014 erneut; seine neue Ehefrau beerbte ihn – zusammen mit seinen Kindern – nach seinem Tod. Ihr wurde auch die Versicherungsleistung ausgezahlt. Damit war die Ex-Ehefrau nicht einverstanden. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Auszahlung der Versicherungsleistung aus der Risikolebensversicherung an die neue Ehefrau keine schuldbefreiende Wirkung habe entfalten können, da diese nicht bezugsberechtigt gewesen sei. Als zum Zeitpunkt der Abgabe der Bezugserklärung mit dem Erblasser verheiratete Ehefrau sei sie bezugsberechtigt.

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Dieser Auffassung ist das Landgericht Arnsberg nicht gefolgt. Zwar hat es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Erklärung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, im Falle seines Todes solle „der verwitwete Ehegatte“ Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, so ausgelegt, dass auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers, der mit ihm zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt ist. Doch in diesem Fall habe die Ex-Ehefrau die Verfügung der Versicherungsgesellschaft nachträglich genehmigt und damit die Wirksamkeit der Verfügung herbeigeführt. So soll eine (konkludente) Genehmigung in dem gegen die neue Ehefrau als nichtberechtigte Empfängerin der Versicherungsleistung in einem anderen Verfahren gestellten Prozesskostenhilfeantrag liegen. Dagegen hat sich die Ex-Frau mit der Berufung gewehrt.

In seiner Urteilsbegründung hat das Oberlandesgericht Hamm nunmehr deutlich erklärt, dass die Ex-Ehefrau nach Auslegung des Risikolebensversicherungsvertrages als Bezugsberechtigte dieses Vertrages anzusehen ist. Es ist bei der Festlegung des Bezugsrechts auf den vorhandenen und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachten Willen des Versicherungsnehmers abzustellen. Hier sprechen hier die Umstände bei Abschluss der Lebensversicherung dafür, dass der Erblasser die zum damaligen Zeitpunkt mit ihm verheiratete (nunmehrige Ex-)Ehefrau als Bezugsberechtigte einsetzen wollte.

Darüber hinaus hat die Ex-Ehefrau die Auszahlung der Versicherungsleistung an die neue Ehefrau auch nicht durch die Stellung des Antrags im Prozesskostenhilfeverfahrens vor dem Landgericht Arnsberg, mit dem sie einen Anspruch auf Auszahlung eines Betrages in Höhe der Versicherungssumme gegenüber der Streitverkündeten geltend machen wollte, gem. § 185 BGB genehmigt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm wäre eine konkludente Genehmigung nur dann gegeben, wenn sie mit dem Prozesskostenhilfeantrag eine Rechtsfolge bezwecken wollte, hier die Wirksamkeit der Auszahlung, damit ein Anspruch gegen die dortige Antragsgegnerin (die neue Ehefrau) gem. § 816 Abs. 2 BGB zum Entstehen gelangt. Doch weder das Landgericht Arnsberg noch das damals über die sofortige Beschwerde der Ex-Ehefrau entscheidende Oberlandesgericht Hamm haben den Prozesskostenhilfeantrag der Ex-Ehefrau als Geltendmachung eines Anspruchs gem. § 816 Abs. 2 BGB verstanden. Auch eine konkludente Genehmigung, die als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gem. § 185 Abs. 1 BGB i.V.m. § 182 BGB entweder gegenüber der neuen Ehefrau oder der Versicherungsgesellschaft hätte erfolgen müssen, kann nicht festgestellt werden. Weiterhin liegt auch in der Mitteilung der Anschrift der Ehefrau des Verstorbenen durch die Ex-Ehefrau an die Versicherungsgesellschaft keine konkludente Genehmigung. Denn die Ex-Ehefrau ging zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Mitteilungen der Lebensversicherung, davon aus, dass die neue Ehefrau Bezugsberechtigte geworden sei und sah sich noch nicht als Bezugsberechtigte an.

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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 16. November 2017 – 6 U 58/17

  1. BGH, Urteil vom 22.07.2015 – IV ZR 437/14[]
  2. LG Arnsberg, Urteil vom 16.03.2017 – 4 O 143/16[]