Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage zu befassen, die der vom Rechtsschutzversicherer aus gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangenem Recht in Anspruch genommene Rechtsanwalt im Wege der isolierten Drittwiderklage gegen den Versicherungsnehmer erhebt.

Im Streit steht hier eine auf die Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen gerichtete isolierte Drittwiderklage. Der drittwiderbeklagte Versicherungsnehmer hält eine Rechtsschutzversicherung bei der in der Revisionsinstanz nicht mehr am Rechtsstreit beteiligten Versicherungsgesellschaft. Diese hat die beklagte Rechtsanwältin des drittwiderbeklagten Versicherungsnehmers aus gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch genommen. Die Rechtsanwältin hat Widerklage gegen den drittwiderbeklagten Versicherungsnehmer, ihren (ehemaligen) Mandanten, auf Feststellung erhoben, dass diesem keine Ansprüche gegen sie zustehen.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Soest hat die Klage als unbegründet mangels Pflichtverletzung der Rechtsanwältin und die Drittwiderklage als unzulässig mangels Feststellungsinteresses abgewiesen1. Dagegen hat (nur) die Rechtsanwältin Berufung eingelegt, die das Landgericht Arnsberg zurückgewiesen hat2. Nach Auffassung des Landgerichts Arnsberg steht zwar § 33 ZPO der Zulässigkeit der nur gegen den Versicherungsnehmer erhobenen (isolierten) Widerklage nicht entgegen. Die Rechtsanwältin habe aber kein rechtlich hinreichendes Interesse an der begehrten Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Es könne dahinstehen, ob es zwingend sei, dass sich der Versicherungsnehmer (Mandant) eines Anspruchs gegen die Rechtsanwältin berühme. Jedenfalls sei die zur isolierten Drittwiderklage im Rahmen von Abtretungsverhältnissen ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 VVG nicht übertragbar. Die Interessenlage sei nicht vergleichbar. An der Wirksamkeit des gesetzlichen Anspruchsübergangs nach § 86 Abs. 1 VVG könne es vorliegend und auch generell keinen Zweifel geben. Dies folge daraus, dass Voraussetzung des Anspruchsübergangs nicht die Leistungspflicht des Versicherers, sondern die tatsächliche Leistung sei. Nach zutreffender Ansicht finde ein Anspruchsübergang auch bei irrtümlichen Zahlungen sowie bei Kulanzleistungen des Versicherers statt.
Auf die im Berufungsurteil zugelassene Revision der Rechtsanwältin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Arnsberg zurückverwiesen; mit der gegebenen Begründung hätte das Landgericht Arnsberg die Zulässigkeit der Drittwiderklage nicht verneinen dürfen:
Noch zutreffend hat das Landgericht Arnsberg angenommen, dass § 33 ZPO der Zulässigkeit der Drittwiderklage nicht entgegensteht.
Zwar setzt eine Widerklage nach § 33 Abs. 1 ZPO eine anhängige Klage voraus; der Widerkläger muss ein Rechtsanwältinr und der Widerbeklagte muss ein Versicherungsgesellschaft sein. Daher ist eine Widerklage gegen einen bisher am Prozess nicht beteiligten Dritten grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie zugleich gegenüber dem Versicherungsgesellschaft erhoben wird. Eine Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet (isolierte Drittwiderklage), ist regelmäßig unzulässig3. Der Bundesgerichtshof hat aber unter Berücksichtigung des prozessökonomischen Zwecks der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt zu vermeiden und eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über zusammengehörende Ansprüche zu ermöglichen, Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen, dass eine Widerklage auch gegen den Versicherungsgesellschaft erhoben worden sein muss, und zwar unter anderem für die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten der Klageforderung4. Ausschlaggebend für die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage ist danach eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht enge Verknüpfung der Streitgegenstände von Klage und Drittwiderklage sowie eine fehlende Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des drittwiderbeklagten Versicherungsnehmers5.
Ebenso liegt es, wenn wie im Streitfall – auf die Klage eines Versicherers aus einem gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangenen Ersatzanspruch der Rechtsanwältin im Wege der isolierten Drittwiderklage die Feststellung begehrt, dass dem Versicherungsnehmer Ersatzansprüche nicht zustehen. Die Gegenstände von Klage und Widerklage hängen tatsächlich und rechtlich eng miteinander zusammen. Da der Klage und der Drittwiderklage inhaltlich identische Ansprüche zugrunde liegen, folgt der Erfolg oder das Scheitern der Drittwiderklage grundsätzlich der Entscheidung über die Klageforderung6. Schutzwürdige Interessen des drittwiderbeklagten Versicherungsnehmers werden durch die Einbeziehung der Widerklage in den anhängigen Rechtsstreit nicht verletzt. Die Aufspaltung in zwei Prozesse brächte prozessökonomisch keine Vorteile, sondern Mehrbelastungen und das Risiko einander widersprechender Entscheidungen7.
Zu Unrecht hat das Landgericht Arnsberg jedoch ein rechtliches Interesse der Rechtsanwältin an der beantragten richterlichen Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO) mit der Begründung verneint, aus Sicht des in Anspruch genommenen Schuldners könne es vorliegend und auch generell keinen Zweifel an der Wirksamkeit des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 86 Abs. 1 VVG geben.
Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO setzt grundsätzlich voraus, dass dem Recht oder der Rechtsposition des Versicherungsgesellschafts eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen8. Das kann hier nicht mit der vorgenannten Begründung verneint werden.
Der Bundesgerichtshof hat das Feststellungsinteresse für die isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten der Klageforderung bejaht, mit der das Nichtbestehen der mit der Klage verfolgten Ansprüche mit Rechtskraft auch gegenüber dem Zedenten festgestellt werden soll9. Vom Standpunkt des Rechtsanwältin könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtskrafterstreckung nach § 325 Abs. 1 ZPO mangels wirksamer Abtretung nicht eintrete. Die im Wege der Drittwiderklage erhobene negative Feststellungsklage sei für den Rechtsanwältin daher der sichere Weg, in demselben Rechtsstreit zu einer auch gegenüber dem drittwiderbeklagten Versicherungsnehmer der Rechtskraft fähigen Entscheidung zu kommen10. Der Schuldner, der regelmäßig die Umstände nicht kenne, die zur Abtretung der Ansprüche geführt hätten, erhalte damit eine prozessuale Möglichkeit, einer doppelten Inanspruchnahme durch Zessionar und Zedent bereits im Erstprozess des Zessionars entgegenzuwirken11.
Entsprechendes gilt für die vorliegende Fallkonstellation. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Arnsberg kann dem Rechtsanwalt das rechtliche Interesse an der Feststellung, dem Versicherungsnehmer stehe kein Anspruch gegen ihn zu, nicht mit der Begründung abgesprochen werden, der Übergang des Anspruchs auf den Versicherer könne keinem Zweifel unterliegen.
Der vom Rechtsschutzversicherer aus einer gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangenen Forderung des Versicherungsnehmers in Anspruch genommene Rechtsanwalt ist nicht Partei des Versicherungsvertrages und kennt die dortigen Verhältnisse regelmäßig nicht. Zwar wird er meist wissen, ob und in welcher Höhe der Rechtsschutzversicherer durch Tragung der Rechtsverfolgungskosten den Schaden im Sinne von § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG ersetzt hat12. Ob einer der von der Revision angeführten Sonderfälle vorliegt (etwa Kulanzleistungen des Versicherers, irrtümlich oder unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbrachte Leistungen, arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer, nicht zustande gekommener, wirksam angefochtener oder beendeter Versicherungsvertrag), entzieht sich aber typischerweise der Kenntnis des Rechtsanwalts. Ob in diesen und anderen denkbaren Fällen der Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG ausgeschlossen ist oder entfällt und welche Folgen dies für den Ersatzanspruch hat, ist nur teilweise geklärt13. Ungeklärt ist etwa, was bei einer Leistung des Versicherers aus „bewusster Liberalität“ gilt14. Auch für andere Fälle wird in der Literatur diskutiert, dass es an einem wirksamen Anspruchsübergang fehlen kann15. Vor diesem Hintergrund verbleibt entgegen der Auffassung des Landgerichts Arnsberg auch für den vom Rechtsschutzversicherer in Anspruch genommenen Rechtsanwalt eine Unsicherheit, ob der gegen ihn erhobene Anspruch auf den Versicherer übergegangen ist und weiterhin diesem, nicht aber dem Versicherungsnehmer zusteht.
Ob sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO), vermag der Bundesgerichtshof mangels tatrichterlicher Feststellungen nicht zu entscheiden, weshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Arnsberg zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das erforderliche Feststellungsinteresse des Versicherungsgesellschafts regelmäßig aus einer vom Rechtsanwältin aufgestellten Bestandsbehauptung („Berühmung“) der vom Versicherungsgesellschaft verneinten Rechtslage16.
Zu Recht weist die Revision zwar darauf hin, für Fälle rechtsgeschäftlicher Abtretung (negative Feststellungsklage im Wege der isolierten Drittwiderklage gegen den Zedenten) sei es unerheblich, dass sich der Zedent nach der Abtretung keiner eigenen Ansprüche mehr berühmt hat17. Entsprechendes gilt aber nicht, wenn wie im Streitfall ein gesetzlicher Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 VVG in Rede steht. In der rechtsgeschäftlichen Abtretung kann ein Berühmen des Zedenten gesehen werden, ihm stehe eine Forderung gegen den vom Zessionar in Anspruch genommenen Dritten zu18. Ein vergleichbarer Umstand fehlt bei dem gesetzlichen Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 VVG, der ohne Zutun des Versicherungsnehmers eintritt.
Die Rechtsstellung des Versicherungsgesellschafts einer negativen Feststellungsklage ist schutzwürdig betroffen, wenn der Rechtsanwältin geltend macht, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Versicherungsgesellschaft ergeben19. Dies setzt eine ausdrückliche Berühmung seitens des Rechtsanwältin nicht in jedem Fall voraus20. Andererseits reicht ein bloßes Schweigen oder passives Verhalten im Allgemeinen nicht aus21. In der vorliegenden Fallkonstellation wird es insbesondere darauf ankommen, ob der Versicherungsnehmer vorprozessual Ansprüche gegen den Rechtsanwalt behauptet hat. Hierzu hat das Landgericht Arnsberg – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – keine Feststellungen getroffen. Gegen die Annahme eines Feststellungsinteresses für die Drittwiderklage spräche es, wenn wie dies der Tatbestand des angefochtenen Urteils als streitigen Vortrag berichtet und worauf auch die Revisionserwiderung hinweist – der Versicherungsnehmer (Mandant) zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, von der Rechtsanwältin fehlerhaft beraten worden zu sein oder sonst Ansprüche gegen sie zu besitzen. Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht Arnsberg Gelegenheit, dem nachzugehen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. April 2022 – IV ZR 344/20
- AG Soest, Urteil vom 23.07.2019 – 14 C 44/17[↩]
- LG Arnsberg, Urteil vom 25.11.2020 – I3 S 4/20[↩]
- BGH, Urteile vom 25.11.2020 – VIII ZR 252/18, BGHZ 228, 1 Rn. 25; vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, VersR 2019, 962 Rn. 18[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 25.11.2020 – VIII ZR 252/18, aaO Rn. 26 ff.; vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, aaO Rn.19 ff.; vom 13.06.2008 – V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rn. 27 f.; vom 05.04.2001 – VII ZR 135/00, BGHZ 147, 220 unter – II 1 5 ff.][↩]
- BGH, Urteile vom 25.11.2020 – VIII ZR 252/18, aaO Rn. 28; vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, aaO; vom 07.11.2013 – VII ZR 105/13, NJW 2014, 1670 Rn. 16; vom 13.06.2008 – V ZR 114/07, aaO; vom 13.03.2007 – VI ZR 129/06, VersR 2007, 1291 Rn. 10; Beschluss vom 17.12.2015 – III ZB 61/15, zfs 2016, 225 Rn. 4[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, aaO Rn.20, 31; Althammer, NJW 2019, 1613[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, aaO Rn.20[↩]
- st. Rspr.; BGH, Urteile vom 22.01.2019 – II ZR 59/18, NJW 2019, 1002 Rn. 12; vom 25.07.2017 – II ZR 235/15, NJW-RR 2017, 1317 Rn. 16 m.w.N.[↩]
- BGH, Urteile vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, VersR 2019, 962 Rn. 22; vom 13.06.2008 – V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rn. 32; Beschluss vom 17.12.2015 – III ZB 61/15 8[↩]
- BGH, Urteil vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, aaO Rn. 31[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 90/19, VersR 2020, 476 Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.04.2021 – IV ZR 169/20, VersR 2021, 772 Rn. 18 zur Leistung trotz fehlender rechtlicher Verpflichtung[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19, VersR 2021, 1438 Rn. 21[↩]
- vgl. nur BeckOK-VVG/Rust, § 86 Rn. 52 ff. [Stand 15.02.2022] m.w.N. zum Streitstand[↩]
- st. Rspr.; BGH, Urteile vom 13.01.2010 – VIII ZR 351/08, NJW 2010, 1877 Rn.19; vom 16.09.2008 – VI ZR 244/07, VersR 2009, 121 Rn. 14; jeweils m.w.N.[↩]
- BGH, Urteile vom 11.10.2018 – I ZR 114/17, VersR 2019, 962 Rn. 22; vom 13.06.2008 – V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rn. 31; Beschluss vom 17.12.2015 – III ZB 61/15 8[↩]
- Zöller/Greger, ZPO 34. Aufl. § 256 Rn. 14a; Skusa, NJW 2011, 2697, 2700; vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.09.2002 – 22 U 195/01 68[↩]
- BGH, Urteile vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 15; vom 10.10.1991 – IX ZR 38/91, VersR 1992, 762 unter – II 1 14][↩]
- BGH, Urteil vom 13.01.2010 – VIII ZR 351/08, NJW 2010, 1877 Rn.19[↩]
- BGH, Urteil vom 22.03.1995 XII ZR 20/94, NJW 1995, 2032 unter 3 a 9][↩]