Einer Unterlassungsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit ihr auf einen Haftpflichtversicherer eingewirkt werden soll, um ihn daran zu hindern, im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare ohne auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Hinweis auf pauschale Vergütungssätze zu kürzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind.

Einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden1.
Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen2. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerungen wehren, ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen allerdings besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss3.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren im Interesse der daran Beteiligten, aber auch im öffentlichen Interesse nicht mehr als unbedingt notwendig behindert werden darf. Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit nicht zwingende rechtliche Grenzen entgegenstehen, vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten. Dabei müssen, wenn dies der Verfahrensgegenstand rechtfertigt, auch Tatsachenbehauptungen und bewertungen mit Bezug auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte zum Inhalt des Vorbringens gemacht werden können. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung in dem betreffenden Verfahren befassten Organs, die Erheblichkeit und Richtigkeit des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen. Nur so ist eine rechtsstaatliche Verfahrensführung gewährleistet. Es geht nicht an, dass diese mehr als unabdingbar notwendig von außen beeinflusst wird, indem Dritte durch gerichtliche, an einen Verfahrensbeteiligten gerichtete Unterlassungsgebote außerhalb des Ausgangsverfahrens vorgeben, was in diesem vorgetragen und damit zum Gegenstand der betreffenden Entscheidung gemacht werden darf4. Die Durchsetzung individueller Ansprüche Dritter auf Schutz ihrer durch das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten betroffenen Rechte ist damit nicht generell ausgeschlossen. Ist etwa ein Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren nicht erkennbar, sind diese auf der Hand liegend falsch oder stellen sie sich als unzulässige Schmähung dar, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht, kann eine gesonderte Klage auf Unterlassung oder Widerruf ausnahmsweise zulässig sein5.
Von einer Haftpflichtversicherung kann nicht verlangen werden, es zu unterlassen, in einem Haftpflichtprozess über den Ersatz der Sachverständigenkosten die Kürzung des Sachverständigenhonorars ohne eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Berufung auf das Ergebnis des BVSKGesprächs vorzunehmen. Dadurch würde auf die Rechtsverteidigung der Beklagten in einem gerichtlichen Verfahren eingewirkt werden, was grundsätzlich unzulässig ist.
Der Unterlassungsantrag ist aber auch insoweit unzulässig, als er das außergerichtliche Regulierungsverhalten der beklagten Haftpflichtversicherung betrifft.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage nicht nur in Fällen fehlt, in denen Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren untersagt werden sollen. Privilegiert sind grundsätzlich auch Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder verteidigung in einem behördlichen Verfahren dienen oder die im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen6.
Danach fehlt auch einer Unterlassungsklage das Rechtsschutzbedürfnis, mit der auf die Beklagte als Haftpflichtversicherer eingewirkt werden soll, um sie daran zu hindern, im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare ohne auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Berufung auf das BVSKGesprächsergebnis zu kürzen. Denn die Begründung für die Kürzung von Schadenspositionen im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung einer Haftpflichtversicherung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung im Prozess. Dies ergibt sich insbesondere aus § 100 VVG. Danach ist der Versicherer bei der Haftpflichtversicherung verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten aufgrund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Diese Verpflichtung umfasst die außergerichtliche und gerichtliche Abwehr von Ansprüchen Dritter7. Die Abwehr unbegründeter Ansprüche Dritter durch den Haftpflichtversicherer bildet daher eine Einheit und kann nicht in eine außergerichtliche Abwehr unbegründeter Ansprüche und eine Abwehr von Ansprüchen in einem gerichtlichen Verfahren durch den Haftpflichtversicherer aufgespaltet werden.
Dem geschädigten Dritten, der mit den Sachverständigenkosten belastet ist, und dem Sachverständigen stehen ausreichende Rechtsschutzgarantien zur Verfügung, um die Berechtigung der Anspruchskürzung überprüfen zu lassen. Der geschädigte Dritte kann die Beklagte als Haftpflichtversicherer im Umfang der Anspruchskürzung verklagen; der Sachverständige kann erforderlichenfalls seinen Auftraggeber auf Zahlung der (ungekürzten) Sachverständigenkosten gerichtlich in Anspruch nehmen, der der Beklagten als Haftpflichtversicherer im Honorarprozess den Streit verkünden kann (§§ 72, 73 ZPO). Die vorliegende Fallkonstellation ist entgegen der Ansicht der Revision nicht mit Äußerungen vergleichbar, die in einem Erstbericht eines Konkursverwalters an die Gläubigerversammlung enthalten sind, deren Wahrheitsgehalt im Konkursverfahren nicht rechtsverbindlich überprüft werden konnte8.
Auch dem Argument, es gehe vorliegend nicht in erster Linie um konkrete Äußerungen der Beklagten, sondern um ihre Regulierungspraxis, Sachverständigenhonorare ohne eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung zu kürzen, folgt der Bundesgerichtshof nicht: Die Begründung der Haftpflichtversicherung, mit der sie die pauschalen Honorarkürzungen unter Hinweis auf das BVSK-Gesprächsergebnis vornimmt, lässt sich nicht von der von ihr vertretenen Ansicht trennen, nicht verpflichtet zu sein, eine einzelfallbezogene Prüfung und Begründung vorzunehmen.
Es liegt keine Konstellation vor, in der die Durchsetzung individueller Ansprüche Dritter auf Schutz ihrer durch das Vorbringen der Beklagten betroffenen Rechte ausnahmsweise Vorrang haben muss. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Begründung, mit der die beklagte Haftpflichtversicherung die Honorare kürzt, keinen Bezug zur Regulierung des Haftpflichtschadens hat, auf der Hand liegend falsch ist oder eine unzulässige Schmähung der Sachverständigen darstellt, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 105/11
- vgl. BGH, Urteil vom 22.01.1998 – I ZR 177/95, GRUR 1998, 587, 589 = WRP 1998, 512 Bilanzanalyse Pro 7; Urteil vom 10.12.2009 – I ZR 46/07, BGHZ 183, 309 Rn. 14 Fischdosendeckel[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.11.1972 – VI ZR 102/71, GRUR 1973, 550, 551 halbseiden[↩]
- BGH, Urteil vom 11.12.2007 – VI ZR 14/07, WRP 2008, 359 Rn. 15 = NJW 2008, 996; BGHZ 183, 309 Fischdosendeckel[↩]
- vgl. BGH, WRP 2008, 359 Rn. 16; BGHZ 183, 309 Rn. 16 Fischdosendeckel[↩]
- BGH, WRP 2008, 359 Rn. 17; vgl. ferner BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.09.2006 1 BvR 1898/03, NJW-RR 2007, 840, 841[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1977 – VI ZR 111/75, GRUR 1977, 745, 747 = NJW 1977, 1681, insoweit nicht in BGHZ 69, 181; Urteil vom 05.05.1981 – VI ZR 184/79, GRUR 1981, 616 f. = NJW 1981, 2117; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03, WRP 2005, 236, 237 = NJW 2005, 279[↩]
- vgl. Lücke in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., § 100 VVG Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.10.1994 VI ZR 74/94, GRUR 1995, 66, 67 = NJW 1995, 397[↩]