Der seinen Prämienanspruch geltend machende Versicherer kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer vom Versicherungsnehmer ausgesprochenen Kündigung wegen Fehlens eines Anschlussversicherungsnachweises gemäß § 205 Abs. 6 VVG berufen, wenn er den Versicherungsnehmer nicht nachweisbar auf dessen Fehlen hingewiesen hat.

Die Kündigung einer Pflichtkrankenversicherung i.S. des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG setzt nach § 205 Abs. 6 VVG den Nachweis eines bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung fortbestehenden Versicherungsschutzes voraus. Diesen erbrachte der Versicherungsnehmer erst mit einem der Versicherungsgesellschaft am 19.10.2012 zugegangenen Schreiben. Die Kündigung wird gemäß § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG a.F. (in der bis zum 30.04.2013 gültigen Fassung) erst im Zeitpunkt des Zugangs des Nachweises der Anschlussversicherung beim bisherigen Versicherer wirksam. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim bisherigen Versicherer kommt nicht in Betracht1.
Allerdings traf die ihren Erfüllungsanspruch auf Prämienzahlung geltend machende Versicherungsgesellschaft nach Erhalt der Kündigung die Pflicht, den Versicherungsnehmer auf die Notwendigkeit eines Anschlussversicherungsnachweises und dessen Fehlen hinzuweisen2. Diese Hinweispflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag, der in besonderer Weise vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird3. Ein derartiger Hinweis ist dem Versicherer, der die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, der eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, regelmäßig besser kennt als der Versicherungsnehmer, möglich und beeinträchtigt seine Interessen nicht4. Diese Hinweispflicht aus § 242 BGB wird nicht durch die Beratungspflicht gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VVG verdrängt5.
Dem Gesetz sind derartige Hinweispflichten des Versicherers nicht fremd. So bestimmt § 186 Satz 1 VVG für die Unfallversicherung, dass der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall anzeigt, ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen hat. Hiermit soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass dem Versicherungsnehmer möglicherweise berechtigte Ansprüche allein wegen Ablaufs einer ihm nicht immer geläufigen Frist verloren gehen6. Ähnlich liegt es bei der Kündigung eines Vertrages gemäß § 205 Abs. 6 VVG. Auch hier besteht ein berechtigtes Interesse des Versicherungsnehmers; vom Versicherer auf den fehlenden Anschlussversicherungsnachweis hingewiesen zu werden. Andernfalls besteht für ihn die Gefahr, dass er – wie auch hier – zwar tatsächlich über einen ununterbrochen fortlaufenden Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer verfügt, gleichzeitig aber das Vertragsverhältnis gegenüber dem bisherigen Versicherer wegen des nicht vorgelegten Anschlussversicherungsnachweises wirksam bleibt. Einer derartigen Doppelversicherung mit der Gefahr doppelter Prämienzahlung vorzubeugen, dient (jedenfalls auch) die Hinweispflicht des Versicherers. Nicht anders liegt es bei Versicherungsnehmern, die über keinen Anschlussversicherungsnachweis verfügen. Sie sind ebenfalls berechtigterweise daran interessiert, über die Unwirksamkeit ihrer Kündigung bis zum Nachweis einer Anschlussversicherung unterrichtet zu werden.
Die Hinweispflicht des Versicherers umfasst nicht nur die Absendung eines entsprechenden Hinweisschreibens, sondern auch dessen Zugang beim Versicherungsnehmer. Die dem Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben geschuldeten Informationen sind empfangsbedürftig7. Sie sollen ihm eine effektive Vertragsabwicklung ermöglichen, indem sie ihm entscheidungserhebliche Umstände aufzeigen, von denen er sonst nichts wüsste8. Die Hinweispflicht verfehlte ihren Zweck, erstreckte sie sich nicht zugleich auf den Erhalt der Information durch den Adressaten. Auch im Rahmen der Hinweispflicht nach § 186 Satz 1 VVG wird überwiegend ein Zugang des Hinweises gefordert, für den der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig ist9.
Diesen Nachweis des Zugangs des Hinweisschreibens hat die Versicherungsgesellschaft im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht erbracht.Dies führt allerdings nicht zur Wirksamkeit der Kündigung durch den Versicherungsnehmer bereits zum 31.12 2009. Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum insbesondere für die Zeit vor der Reform des Versicherungsvertragsrechts – die Auffassung vertreten wurde, der Versicherer dürfe sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung nicht berufen, sondern müsse sich so behandeln lassen, als habe der Versicherungsnehmer die Kündigungsvoraussetzungen schon zu einem früheren Zeitpunkt erfüllt10, ist das jedenfalls für Verletzungen der Hinweispflicht im Rahmen von § 205 Abs. 6 VVG unzutreffend. Hierdurch würde das erklärte Ziel des Gesetzgebers bei § 205 Abs. 6 VVG, ununterbrochenen Versicherungsschutz sicherzustellen, unterlaufen11. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG a.F. wird die Kündigung erst wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist. Eine Rückwirkung der Kündigungswirkung tritt weder durch die erst nachträglich erfolgte Vorlage des Anschlussversicherungsnachweises noch durch den unterbliebenen Hinweis des Versicherers ein.
Die Versicherungsgesellschaft ist allerdings unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich, wenn sie wegen des noch nicht beendeten Versicherungsvertrages ihren Prämienanspruch geltend macht, auf die Unwirksamkeit der vom Versicherungsnehmer erklärten Kündigung zu berufen, wenn sie diesen was sie darzulegen und zu beweisen hat nicht auf den fehlenden Anschlussversicherungsnachweis hingewiesen hat. Der Prämienanspruch des Versicherers im Falle einer vom Versicherungsnehmer erklärten Kündigung des Versicherungsvertrages, die mangels Vorlage des Anschlussversicherungsnachweises (noch) keine Wirkung entfaltet, setzt voraus, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf das Fehlen des Nachweises ununterbrochenen Versicherungsschutzes hingewiesen hat. Nur so wird für den Versicherungsnehmer sichergestellt, dass er nicht zeitgleich zwei Versicherungen mit demselben Leistungsinhalt und der Verpflichtung zu doppelter Prämienzahlung unterhält. Der Versicherer wird auch nicht über Gebühr belastet, wenn ihm, soweit er seinen Prämienanspruch verfolgt, die Beweislast dafür auferlegt wird, dass er dem Versicherungsnehmer den erforderlichen Hinweis erteilt hat und dieser ihm zugegangen ist. Dies muss nicht zwingend dadurch geschehen, dass der Versicherer sein Hinweisschreiben mit Einschreiben/Rückschein verschickt.
Vielmehr kann er den Nachweis des Zugangs auch auf andere Art und Weise sicherstellen, etwa durch eine dem Hinweisschreiben beigefügte vorformulierte Erklärung, mit der der Versicherungsnehmer den Erhalt des Hinweises bestätigt, welche er an den Versicherer zurücksendet, oder durch eine beim Versicherungsnehmer individuell gehaltene Nachfrage bezüglich des Zugangs des Hinweisschreibens.
Da das Versicherungsverhältnis allerdings für beide Vertragsteile von dem Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird, kann sich der Versicherungsnehmer seinerseits nicht auf einen unterbliebenen oder jedenfalls nicht bewiesenen Zugang des Hinweises des Versicherers berufen, wenn er für den Zeitraum zwischen Kündigungserklärung und Vorlage des Anschlussversicherungsnachweises wegen des noch fortbestehenden Versicherungsvertrages Leistungsansprüche aus der Krankheitskostenversicherung geltend macht. In einem solchen Fall ist er verpflichtet, da der Versicherer ihm Versicherungsschutz nicht kostenfrei zur Verfügung stellen muss, seinerseits die Prämien zu entrichten. Der Versicherer ist folglich in diesem Fall berechtigt, vertragliche Leistungen nur Zug um Zug gegen Prämienzahlung zu erbringen.
Da der Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall für den Zeitraum nach der Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages auch keine Leistungsansprüche gegen die Versicherungsgesellschaft geltend gemacht hat, steht ihr kein Prämienanspruch für diesen Zeitraum zu. Die weiteren Fragen, ob dem Versicherungsnehmer daneben ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gegen die Versicherungsgesellschaft wegen eines nicht erteilten Hinweises auf den Anschlussversicherungsnachweis zusteht, und wer für den Zugang im Rahmen eines derartigen Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweispflichtig ist, kann hier mithin offen bleiben12.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Januar 2015 – IV ZR 43/14
- vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2012 – IV ZR 258/11, VersR 2012, 1375 Rn. 22, 24[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2013 – IV ZR 94/11, VersR 2013, 305 Rn. 29 zur Hinweispflicht auf die Kenntnis der versicherten Person von der Kündigung gemäß § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG; zur Hinweispflicht im Rahmen von § 205 Abs. 6 VVG: HK-VVG/Rogler, 2. Aufl. § 205 Rn. 8; Reinhard in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 205 Rn. 21; Boetius, Private Krankenversicherung § 205 VVG Rn. 32[↩]
- BGH, Urteil vom 08.07.1991 – II ZR 65/90, VersR 1991, 1129 unter 2 b[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.01.2013 aaO Rn. 29 zur Hinweispflicht im Rahmen von § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG[↩]
- vgl. HK-VVG/Münkel, VVG 2. Aufl. § 6 Rn. 4, 36 f.; Pohlmann in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 6 Rn. 812, 103; MünchKomm-VVG/Armbrüster, § 6 Rn. 219, 279; Prölss in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 6 Rn. 44; Rixecker in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 6 Rn. 2[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/3945 S. 109[↩]
- vgl. Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 186 Rn. 29[↩]
- vgl. MünchKomm-VVG/Armbrüster, vor §§ 6, 7 Rn. 54[↩]
- so: Götz in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 186 Rn. 17; MünchKomm-VVG/Dörner, § 186 Rn. 12; PK-VVG/Brömmelmeyer, 2. Aufl. § 186 Rn. 15; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 186 Rn. 10; Kloth, Private Unfallversicherung Kap. G Rn. 42, 60; Marlow in Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1267; Kloth, r+s 2007, 397, 400; a.A. Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 47 Rn. 173; ähnlich Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 186 Rn. 53, sowie OLG Düsseldorf VersR 2001, 449, 451 und OLG Hamm r+s 1998, 260, jeweils zur früheren Rechtslage[↩]
- OLG Düsseldorf VersR 2004, 996, 997; OLG Hamm VersR 1977, 999 f.; OLG Karlsruhe VersR 2002, 1497; LG Hannover VersR 1977, 351; HK-VVG/Muschner, 2. Aufl. § 11 Rn. 29; Ebnet, NJW 2006, 1697, 1698 f.; vgl. LSG Essen VersR 2001, 1228[↩]
- BGH, Urteil vom 18.12 2013 – IV ZR 140/13, VersR 2014, 234 Rn. 7[↩]
- missverständlich und verkürzend insoweit BGH, Urteil vom 16.01.2013 – IV ZR 94/11, VersR 2013, 305 Rn. 29 f.[↩]