Hat ein Versicherer in der Betriebsschließungsversicherung lediglich Deckungsschutz für die in seinen Versicherungsbedingungen namentlich aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger gewährt, wobei das Corona-Virus (Sars-Cov2) bzw. die COVID-19-Erkrankung in dieser Liste fehlt, entfällt der Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie – trotz Bezugnahme auf das Infektionsgesetz.

Mit dieser Begründung hat das Landgericht Oldenburg in dem hier vorliegenden Fall die Klage eines Gastronomen abgewiesen, der Leistungen aus seiner Betriebsschließungsversicherung begehrt hat. Der Inhaber eines Restaurants unterhält seit dem 1. Januar 2017 u.a. eine Betriebsschließungsversicherung bei der beklagten Versicherung. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sind versichert: „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: (…)“. Daran schließt sich eine Auflistung von namentlich genannten Krankheiten (lit. a) sowie Krankheitserregern (lit. b) an. Am 21.03.2020 erging eine Allgemeinverfügung des Landkreises nach der Restaurants, Speisegaststätten usw. für den Publikumsverkehr zu schließen waren. Der Außerhausverkauf und gastronomische Lieferdienste waren davon ausgenommen. Aufgrund dieser Anordnung musste der Kläger sein Restaurant in der Zeit vom 22.03.2020 bis mindestens zum 18.04.2020 schließen. Weiter führt der Kläger an, dass er seinen Betrieb über den 18.04.2020 hinaus wegen der Verordnung des Landes Niedersachsens zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie vom 27.03.2020 bis zum 10.05.2020 habe geschlossen halten müssen.
Mit seiner Klage begehrt er Leistungen aus seiner Versicherung. Die Beklagte schulde ihm für 43 Tage der Betriebsschließung gem. Ziff. 2.1 AVB eine Versicherungsleistung i.H.v. insgesamt 123.000 €. Daneben stehe ihm aus Ziff. 7.1 AVB ein Anspruch auf Entschädigung für den Warenschaden zu. Insoweit behauptet er, infolge der Schließung Waren im Wert von netto 2.479,74 € habe entsorgen müssen. Er ist der Ansicht, dass die in Ziff. 1.2 AVB enthaltene Aufzählung der Krankheiten und Erreger nicht abschließend sei. Es sei von einer dynamischen Verweisung auf die §§ 6 und 7 IfSG auszugehen, da die ausdrückliche Bezugnahme auf diese Vorschriften überflüssig wäre, wenn sich die versicherten Krankheiten und Erreger ohne Weiteres bereits aus der Auflistung in den Versicherungsbedingungen ergäben. Für eine dynamische Verweisung spreche zudem, dass die Bedingung ohne Einschränkung auf § 6 IfSG verweise, sodass der Verweis auch die Ziff. 5 des ersten Absatzes von § 6 IfSG umfasse, wonach auch solche Krankheiten meldepflichtig seien, die in den Nrn. 1-4 des § 6 IfSG nicht aufgezählt seien. Ein verständiger Versicherungsnehmer würde deshalb davon ausgehen, dass alle unter die §§ 6 und 7 IfSG fallenden Erreger und Krankheiten als Grundlage für die versicherte Betriebsschließung in Betracht kämen, mithin auch das Corona-Virus. Nachdem die Versicherung die Leistung verweigert hatte, ist vom Gastronomen Klage erhoben worden.
In seiner Urteilsbegründung hat das Landgericht Oldenburg ausführlich erklärt, dass der Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Leistungen aus der bestehenden Betriebsschließungsversicherung wegen eines Betriebsschließungs- oder Warenschadens, der ihm durch die auf der Corona-Pandemie beruhenden Schließung seines Betriebes entstanden ist, hat. Ein solcher Anspruch folgt weder aus Ziff. 1.1. i.V.m. Ziff. 2.1 (Betriebsschließungsschaden) noch aus Ziff. 1.1. i.V.m. Ziff. 7 (Warenschaden) der AVB.
Allerdings scheitert – entgegen der Ansicht der Beklagten – ein Anspruch nicht daran, dass die Schließung nicht auf einer einzelfall- und betriebsbezogenen Schließungsverfügung beruht. Außerdem ist nicht entscheidend, ob die Anordnung der Schließung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften rechtmäßig war und ob sie einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung standhalten würde1.
Es fehlt vorliegend aber deshalb an einem Versicherungsfall, weil die durch das Corona-Virus ausgelöste Krankheit bzw. das Corona-Virus nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten und Erregern im Sinne der Bedingungen zählt. Das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bekannte Corona-Virus wird in Ziff. 1.2 AVB weder unter lit. a) noch unter lit. b) der auf die Definition folgenden ausführlichen Auflistung genannt. Diese Auflistung ist abschließend.
Auch der Umstand, dass die §§ 6 und 7 IfSG in Ziff. 1.2 AVB ohne weitere Eingrenzung etwa durch die Nennung von Absätzen und Nummern in Bezug genommen werden, spricht entgegen der Ansicht des Klägers nicht dafür, dass sämtliche unter die §§ 6 und 7 IfSG fallenden Krankheiten und Erreger als Grundlage der Betriebsschließung in Betracht kommen sollten. Denn durch die Verwendung des Wortes „namentlich“ im unmittelbaren Anschluss an die §§ 6 und 7 IfSG wird deutlich, dass gerade nur die namentlich in §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten und Erreger gemeint waren. Durch das Wort „folgende“ erfolgt eine weitere Eingrenzung dergestalt, dass nur die folgenden, d.h. die in den Bedingungen genannten Krankheiten und Erreger zu bedingungsgemäßen Krankheiten zählen.
Die Klausel ist auch nicht etwa deshalb intransparent gemäß § 307 Abs.1 S.2 BGB, weil sie einerseits auf die folgenden Krankheiten und Erreger verweist, andererseits aber auf das Infektionsschutzgesetz Bezug nimmt. Der Regelungsgehalt dahin, dass folgende aufgezählte Krankheiten und Erreger versichert sind, ist für den verständigen Versicherungsnehmer eindeutig zu erkennen.
Ein verständiger Versicherungsnehmer wird auch nicht davon ausgehen, dass spätere Änderungen der §§ 6 oder 7 IfSG auf den Vertrag Anwendung finden. Auch gegen eine solch weite Auslegung spricht der klare Wortlaut der Ziff. 1.2 AVB („folgende (…) namentlich genannte Krankheiten (…)“) sowie die sich daran anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern. Beides zusammen macht es dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer, um das Risiko im erträglichen Rahmen zu halten, nur für die in den Bedingungen benannten Erreger und Krankheiten einstehen will, nicht jedoch für die bei Vertragsschluss unbekannten Erreger2. Damit ist der Umstand, dass die Coronavirus-Krankheit nunmehr durch Gesetzesänderung mit Wirkung zum 23.05.2020 namentlich als Krankheit in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. t) IfSG aufgenommen wurde, aufgrund der abschließenden Auflistung für das streitgegenständlichen Verfahren unbeachtlich.