Leistungsfreiheit der Wohngebäudeversicherung bei U-Haft des Mieters?

Es liegt keine zur Leistungsfreiheit führende Gefahrerhöhung in der Wohngebäudeversicherung (hier: Brand) vor, wenn die bisherigen Mieter eines Wohnhauses sich in Untersuchungshaft befinden, der Vermieter als Versicherungsnehmer sowie von den Mietern beauftragte Personen aber weiterhin durch ihnen zur Verfügung stehende Schlüssel das Haus kontrollieren, die Miete weiter gezahlt wird und noch vor dem Brand durch den Versicherungsnehmer das zuvor aufgebrochene Schloss einer Seiteneingangstür ersetzt wird und wieder funktionstüchtig schließt.

Leistungsfreiheit der Wohngebäudeversicherung bei U-Haft des Mieters?

Nach §§ 23, 28 VVG a. F. i. V. m. Ziff. 17.1 und 17.2 W…/05 darf der Versicherungsnehmer nach Abschluss des Vertrages ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Erlangt er Kenntnis davon, dass durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht ist, so hat er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Tritt nach Vertragsschluss unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung ein, so hat er, sobald er hiervon Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen. Verletzt der Versicherungsnehmer seine Verpflichtungen, so ist der Versicherer nach Maßgabe der §§ 25, 28 VV a.F. i. V. m. Ziff. 17.5 W…/05 von der Verpflichtung zur Leistung frei.

Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn nach Vertragsschluss eine auf gewisse Dauer angelegte Änderung der gefahrerheblichen Umstände eingetreten ist, die die Grundlage eines neuen natürlichen Geschehensablaufs sein kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles zu fördern geeignet ist1. Maßgebend ist mithin, ob nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, die eine nachhaltige Erhöhung der Möglichkeit der Risikoverwirklichung in Bezug auf den Schadenseintritt, die Vergrößerung des Schadens und/oder eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Versicherers darstellt, bei der der Versicherer den Vertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte2. Hierbei kommt es nicht nur auf einzelne Gefahrumstände an, sondern es ist zu fragen, wie sich die Gefahrenlage seit Antragstellung insgesamt entwickelt hat. Dabei sind alle gefahrerheblichen Umstände in Betracht zu ziehen, sodass gefahrerhöhende und verminderte Umstände im Sinne einer Gefahrkompensation gegeneinander abzuwägen sind3.

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Soweit es um den Brand eines Gebäudes geht, begründet zunächst alleine das Leerstehen eines Gebäudes noch keine relevante Erhöhung der Brandgefahr4. Zwar besteht hier eine erhöhte Brandgefahr wegen des Eindringens unbefugter Personen und der verminderten Kontrollmöglichkeiten. Andererseits wird die Feuergefahr vermindert, weil bestimmte mit der Benutzung verbundene Gefahrenquellen wegfallen. Das gilt jedenfalls für regelmäßig überwachte Gebäude in geschlossenen Ortslagen. Anders liegt es dagegen, wenn zu dem Leerstehen weitere Umstände hinzu kommen, insbesondere die unbeobachtete Lage außerhalb des Ortes, eine seit dem Auszug der letzten Nutzer erheblich verstrichene Zeit sowie ein nach außen offenkundig verwahrloster Zustand, insbesondere bezüglich nicht mehr ordnungsgemäß funktionierender Türen und Fenster5. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass das Gebäude zu einem Anziehungspunkt für Unbefugte wird, die erfahrungsgemäß mit fremdem Eigentum eher sorglos umgehen, sodass die erhöhte Gefahr einer Brandstiftung besteht. Auch hier kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalles an. So kann eine Gefahrerhöhung auch bei Gebäuden in Betracht kommen, die nicht außerhalb einer geschlossenen Bebauung liegen, wenn das Gebäude frei zugänglich ist, eine Sicht von Nachbargrundstücken auf dieses versperrt ist und es bereits seit längerer Zeit zu einer Nutzung durch Unbefugte zum Drogenkonsum und mit Vandalismusschäden gekommen ist6.

Auf dieser Grundlage kam in dem jetzt vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall keine Gefahrerhöhung in Betracht. Zunächst reicht es alleine für eine Gefahrerhöhung nicht aus, dass die bisherigen Mieter S. des Objekts sich seit Oktober 2006 nicht mehr in dem Haus befanden, weil sie verhaftet worden waren und sich in UHaft befanden. Zunächst folgt hieraus noch nicht ohne weiteres ein dauerhafter Leerstand des Gebäudes, weil die Mieter noch nicht endgültig ausgezogen waren, sondern sich weiterhin ihr Hausrat in dem Objekt befand und auch die Mieten weiterhin durch das Sozialamt gezahlt wurden (Bl. 6, 220 d. A.). Insoweit war auch für die Klägerin gar nicht absehbar, für welchen Zeitraum sich die Mieter nicht mehr in dem Objekt aufhalten würden. Soweit in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Gefahrerhöhung insbesondere dann angenommen wird, wenn ein Gebäude nicht genutzt ist, ist zunächst nicht ersichtlich, dass hiermit der Begriff der Gefahrerhöhung weiter gefasst werden sollte als in §§ 23 ff. VVG a. F. und der Ausprägung durch die Rechtsprechung. Selbst wenn das beabsichtigt sein sollte, indem nicht auf den Leerstand, sondern die fehlende Nutzung abgestellt wird, kommt es hierauf nicht an, da nach § 34 a VVG a. F. von den Vorschriften der §§ 23 ff. VVG a. F. durch Vereinbarung nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden kann.

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Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 24. September 2009 – 8 U 99/09

  1. BGH, VersR 1999, 484. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 23 Rdnr. 11[]
  2. BGH, VersR 2005, 218; OLG Celle, Urteil vom 09.08.2007 – 8 U 62/07, r+s 2007, 683[]
  3. BGH, VersR 2005, 218[]
  4. BGH, VersR 1982, 466. OLG Rostock, ZfS 2008, 35. HK VVG/Karczewski, § 23 Rdnr. 22[]
  5. BGH, VersR 1982, 466. OLG Koblenz, VersR 2005, 1283[]
  6. OLG Hamm, VersR 2006, 113[]