Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer nur die tatsächlich gezogene Nutzungen herausverlangen und trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Er kann seinen Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe stützen.

Nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB sind nur die Nutzungen herauszugeben, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen wurden1. Bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen können die vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden.
Dem Versicherungsnehmer stehen keine Nutzungen aus dem Risikoanteil zu, welcher der Versicherungsgesellschaft als Wertersatz für den vom Versicherungsnehmer bis zu seinem Widerspruch faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt. Zur Herstellung eines vernünftigen Ausgleichs und einer gerechten Risikoverteilung zwischen den Beteiligten, die im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht eröffnet ist2, ist es geboten, dass der Versicherer neben dem Risikoanteil auch hieraus gegebenenfalls gezogene Nutzungen behalten darf. Es käme zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten, wenn die widersprechenden Versicherungsnehmer trotz Gewährung des Versicherungsschutzes alle möglicherweise durch den Versicherer aus ihren Risikobeiträgen gezogenen Nutzungen erhielten.
Auch hinsichtlich des auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallenden Prämienanteils ist eine Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft zur Herausgabe von Nutzungen abzulehnen.
Der Prämienanteil, der auf die Abschlusskosten entfällt, bleibt für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Der Umstand, dass sich ein Bereicherungsschuldner – wie hier die Versicherungsgesellschaft – auf eine tatsächlich eingetretene Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB nicht berufen kann, besagt nicht, dass er sich so behandeln lassen muss, als habe er aus dem Erlangten Nutzungen gezogen, obwohl ihm in Höhe der Entreicherung ein wirtschaftlich nutzbarer Vermögenswert tatsächlich nicht zur Verfügung stand. Es muss insoweit unterschieden werden zwischen der rechtlichen Verteilung des Entreicherungsrisikos und dem tatsächlich zur Ziehung von Nutzungen zur Verfügung stehenden Vermögen3.
Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer Prämienteile, welche er für Abschlusskosten aufwandte, nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte4. Wenn er sich gleichwohl so behandeln lassen müsste, als hätte er die Gelder gewinnbringend angelegt, stünde er schlechter, als er ohne die Prämienzahlungen des widersprechenden Versicherungsnehmers gestanden hätte. Dies ist mit der Privilegierung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners gemäß § 818 Abs. 1 BGB nicht in Einklang zu bringen5.
Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann nicht vermutet werden, dass die Versicherungsgesellschaft Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat.
Selbst wenn die Versicherungsgesellschaft diesen Prämienanteil zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufwandte und auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel ersparte6, die sie zur Ziehung von Nutzungen verwenden konnte, kann, anders als die Anschlussrevision meint, nicht auf eine allgemeine Vermutung einer Renditeerzielung in bestimmter Höhe abgestellt werden.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Ziehung von Nutzungen trägt, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, der Versicherungsnehmer. Er kann seinen Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe, etwa – wie hier – in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, stützen7.
Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob der Erfahrungssatz, dass Banken für sich vereinnahmte Gelder in einer Weise verwenden, welche die Erzielung von Erträgen erwarten lässt8, auf Versicherungsunternehmen übertragbar ist9. Jedenfalls kann nicht vermutet werden, dass ein Versicherer Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat. Die Anschlussrevision verweist insoweit ohne Erfolg darauf, dass eine Vermutung für die Ziehung von Nutzungen in Höhe von 4% bei einem gegen einen Pensions-Sicherungs-Verein gerichteten öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch angenommen worden ist10. Zum einen beruht diese Annahme auf der üblichen Zinserwartung Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und kann nicht ohne weiteres auf die Gegenwart übertragen werden. Zum anderen wird in der von der Anschlussrevision angeführten Entscheidung auf Erkenntnisse aus den Geschäftsunterlagen des konkreten Versicherers abgestellt11.
Zu diesen hat der Versicherungsnehmer im hier entschiedenen Fall nichts vorgebracht. Er hat nur allgemein vorgetragen, Lebensversicherungen hätten im Jahre 2001 durch schnittlich 7, 08% und im Jahre 2013 durchschnittlich 3, 61% als Verzinsung erwirtschaftet; die Versicherungsgesellschaft habe deshalb mit Sicherheit eine Rendite von 5% über dem Basiszinssatz erzielt. Damit hat er keinen aus der Ertragslage der Versicherungsgesellschaft abgeleiteten Gewinn dargetan, sondern nur pauschal durchschnittliche Zinsgewinne behauptet. Die Anschlussrevision verweist insofern ohne Erfolg auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Es ist nicht erkennbar, dass dem Versicherungsnehmer entsprechender Vortrag, etwa auf der Grundlage veröffentlichter Geschäftsberichte der Versicherungsgesellschaft, nicht möglich gewesen wäre.
Der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn steht dem Versicherungsnehmer bei kapitalbildenden Lebensversicherungen als tatsächlich gezogene Nutzung zu.
Allerdings kann insbesondere bei einer – hier streitgegenständlichen – fondsgebundenen Lebensversicherung nicht vermutet werden, dass der Versicherer aus den Sparanteilen der vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt hat. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung hat der Versicherer, um seinen Verpflichtungen nachkommen zu können, die Beiträge, soweit sie der Vermögensanlage dienen, vollständig mit den vereinbarten Finanzprodukten zu bedecken12. Diese weisen anlageklassenbedingt eine mehr oder minder große Volatilität auf, so dass die mit ihnen erzielten jährlichen Wertzuwächse keiner konstanten jährlichen Verzinsung entsprechen und unter Umständen – wie hier – sogar ganz ausbleiben können. So wurden hier nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Versicherungsgesellschaft, der insoweit die sekundäre Darlegungslast oblag, mit den in die Fonds eingezahlten Sparanteilen keine Gewinne, sondern Verluste erzielt.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. November 2015 – IV ZR 513/14
- BGH, Urteile vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14 aaO Rn. 46; – IV ZR 448/14 aaO Rn. 51; BGH, Beschluss vom 30.07.2012 – IV ZR 134/11 5; jeweils m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 07.05.2014 Rn. 45[↩]
- BGH, Urteil vom 12.05.1998 – XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529 unter – II 1 b bb (2); Rudy, r+s 2015, 115, 119 f.; a.A. MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl. § 818 BGB Rn. 18[↩]
- OLG Karlsruhe r+s 2015, 337 Rn. 46; OLG Schleswig VersR 2015, 1009 unter 2 b aa; OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2015 – 4 U 786/14; OLG Köln r+s 2015, 121 Rn. 29; a.A. Reiff, r+s 2015, 105, 113[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1998 aaO[↩]
- BGH, Urteile vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14 aaO Rn. 42; – IV ZR 448/14 aaO Rn. 47[↩]
- BGH, Urteile vom 29.07.2015 – IV ZR 384/14 aaO Rn. 46; – IV ZR 448/14 aaO Rn. 51[↩]
- BGH, Urteile vom 12.05.1998 aaO unter – II 1 c; vom 04.06.1975 – V ZR 184/73; BGHZ 64, 322, 323 f.[↩]
- so OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2015 aaO Rn. 38; Reiff, r+s 2015, 105, 112[↩]
- vgl. dazu BVerwGE 107, 304, 310 f.[↩]
- BVerwG aaO 311[↩]
- Winter in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Lebensversicherung Einführung Rn. 71; vgl. auch Rudy, r+s 2015, 115, 119[↩]