Schadensteilung bei Doppelversicherung eines Kfz-Anhänger-Gespanns

Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger (bzw. Auflieger) haben im Regelfall nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen1. Dabei bedarf es nicht der Feststellung eines konkreten eigenständigen Ursachenbeitrags des Anhängers (bzw. Aufliegers) für den durch das Gespann als Betriebseinheit verursachten Schaden. Die Ausgleichsregelung des § 59 Abs. 2 VVG a. F. geht insoweit auch einer Verteilung der Mitverursachungsanteile nach §§ 17 Abs. 4, 18 Abs. 3 StVG oder einem Innenausgleich nach § 426 BGB i. V. m. §§ 840 Abs. 2, 254 BGB vor2.

Schadensteilung bei Doppelversicherung eines Kfz-Anhänger-Gespanns

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. liegen entgegen der Auffassung der Beklagten vor.

Eine Deckungsgleichheit des Versicherungsschutzes für das jeweils versicherte Fahrzeug (Zugmaschine bzw. Auflieger) ist gemäß § 10, § 10 a AKB in der hier gültigen Fassung von 2003 bis 2008 entsprechend den Grundsätzen der BGH-Entscheidung vom 27.10.20103 zu bejahen.

Beide Versicherungen haben die Befriedigung begründeter Schadensersatzansprüche aus dem Gebrauch des betreffenden Fahrzeugs zum Gegenstand. Dabei erstreckt sich die Versicherung für die Zugmaschine auch auf die von dem mit ihr verbundenen Auflieger verursachten Schäden (§ 10 a AKB a. F.). Zum anderen umfasst die Versicherung des Aufliegers gemäß § 10 Abs. 2 Buchstabe c) AKB neben der Halter- auch die Fahrerhaftung des gesamten Gespanns. Durch beide Versicherungen wird deshalb ein und dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert.

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Wie der Bundesgerichtshof4 ausgeführt hat, hat nach den maßgeblichen materiell-rechtlichen Haftungsnormen des StVG i. d. F. ab 1.08.2002 der Halter eines Anhängers bzw. Aufliegers für den von dem Gespann aus Zugmaschine und Anhänger als Betriebseinheit ausgehenden Verursachungsbeitrag selbst dann einzustehen, wenn sich bei einem Unfall tatsächlich nur die Betriebsgefahr des anderen der beiden zum Gespann verbundenen Fahrzeuge ausgewirkt haben sollte5. Diesen Gesichtspunkt der Betriebseinheit des Gespannes als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Gefährdungshaftung des Anhängers lässt die Beklagte in ihrer Argumentation rechtsfehlerhaft außer Betracht. Ihr Berufungseinwand, § 59 Abs. 2 VVG a. F. könne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil im konkreten Fall der Unfall allein von der Zugmaschine verursacht worden sei und die spezifische Betriebsgefahr des Anhängers sich daneben nicht zusätzlich ausgewirkt habe, erweist sich somit als unbegründet.

Vielmehr ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom 27.10.20106, dass sich die für die Annahme einer Doppelversicherung im Sinne des § 59 Abs. 1 VVG a. F. erforderliche Identität des jeweils versicherten Interesses – d. h. die Deckungsgleichheit des Versicherungsschutzes – auch in Bezug auf die Zugmaschine gerade nicht auf solche Haftpflichtansprüche beschränkt, welche aus dem Gebrauch des Anhängers resultieren, sondern das gesamte, eine Betriebseinheit bildende Gespann aus Zugmaschine und Anhänger umfasst. Der Senat folgt daher nicht der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vertretenen Auffassung, unter Berücksichtigung des Wortlautes von § 10 a Nr. 1 Satz 1 AKB a. F. müsse die Annahme einer Doppelversicherung ausscheiden, solange nicht feststehe, dass der in Frage stehende Schaden konkret durch den Anhänger verursacht sei. Auf die Feststellung eines konkreten, eigenständigen Ursachenbeitrags des Aufliegers für die Verletzungen der Geschädigten kommt es somit aus Rechtsgründen nicht an.

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Im Übrigen trifft es allerdings nicht zu, dass ein eigenständiger Verursachungsbeitrag des Aufliegers nicht feststellbar sei. Denn nach den Feststellungen des im Ermittlungsverfahren beauftragten Sachverständigen gab es Kontaktspuren in Form von Wischspuren und Antragungen von Fasern in roter Färbung am Unterfahrschutz des Sattelaufliegers, die der Sachverständige dem streitgegenständlichen Unfallereignis zugeordnet hat.

Eine spezifische Auswirkung der Betriebsgefahr des Aufliegers folgt im Übrigen zusätzlich daraus, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen u. a. auch der geschlossene Aufbau des Aufliegers mit zu den unfallursächlichen Sichtbehinderungen des Lkw-Fahrers geführt hat. Außerdem hat das Landgericht zutreffend auf die durch den Auflieger verursachte Schwerfälligkeit des Gespanns beim Abbiegen hingewiesen.

Der Annahme einer Doppelversicherung im Sinne von § 59 VVG a. F. steht auch keine Subsidiarität der bei dem beklagten Versicherer unterhaltenen Anhängerversicherung entgegen.

Die Regelung des früheren § 10 a Abs. 2 AKB i. d. F. bis 30.09.2003 erlaubt einen derartigen Rückschluss nicht (mehr), wie der Bundesgerichtshof mit ausführlicher Begründung dargelegt hat7. Das Oberlandesgericht Celle sieht keinen Anlass, hiervon abzuweichen.

Auch eine anderweitige Abbedingung von § 59 VVG a. F. durch eine vertraglich vereinbarte Subsidiaritätsklausel im Verhältnis zwischen dem Versicherer und seinem Versicherungsnehmer lässt sich nicht feststellen.

Zwar ist anerkannt, dass ein Versicherer in rechtlich zulässiger Weise seine Leistungspflicht aus einem Versicherungsvertrag dahingehend einschränken kann, dass eine Entschädigung nur erbracht werden soll, soweit sie nicht vom Versicherungsnehmer schon aus einem anderen Versicherungsvertrag beansprucht werden kann8. Durch derartige Klauseln wird § 59 VVG abbedungen mit der Folge, dass dann der an den Versicherungsnehmer leistende Primärversicherer keinen Ausgleichsanspruch aus § 59 Abs. 2 VVG gegen den Sekundärversicherer hat.

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In dem dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag über den Sattelauflieger zugrundeliegenden Rahmenvertrag9 ist eine derartige Subsidiaritätsklausel aber nicht enthalten. Allein der Umstand, dass bis zu 25 Anhänger prämienfrei in die Gesamtversicherung des aus diversen Zugmaschinen und Aufliegern bzw. Anhängern bestehenden Fuhrparks mit einbezogen worden sind, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass damit zugleich ein abgeschwächter – nämlich nur subsidiär eintretender – Versicherungsschutz im Sinne einer bloßen Ausfallversicherung für die Auflieger verbunden sein sollte. Dazu hätte es vielmehr einer konkreten Regelung in der inhaltlich einschlägigen Bestimmung des § 4 des Vertrags zum „Versicherungsumfang“ bedurft.

Danach besteht gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. aufgrund der bestehenden Doppelversicherung eine Ausgleichspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin im Umfang der Hälfte des gegenüber der Geschädigten aufgrund §§ 7, 17, 18 StVG geschuldeten Schadensersatzes.

Der Anteil, den der einzelne Versicherer im Innenverhältnis zu tragen hat, bestimmt sich versicherungsrechtlich allein nach dem Verhältnis der Entschädigungsleistungen, die die an der Doppelversicherung beteiligten Versicherer ihrem jeweiligen Versicherungsnehmer im Versicherungsfall vertragsgemäß – d. h. nach dem Versicherungsvertrag – schulden10. Nach beiden Versicherungsverträgen haben hier aber sowohl die Klägerin als auch die Beklagte ihren jeweiligen Versicherungsnehmern vollen Ersatz aller von dem Gespann verursachten unfallbedingten Schäden zu leisten. Hieraus folgt im versicherungsrechtlichen Innenverhältnis der Versicherer zueinander die hälftige Teilung des Schadens.

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§ 17 Abs. 4 StVG kann nicht zu einer davon abweichenden Rechtsfolge führen, weil die Zugmaschine und der Auflieger über die Person des Gespannführers im Außenverhältnis zu einer Haftungseinheit verbunden sind11. Soweit sich aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 12.03.200812 etwas anderes ergibt, hält das OLG Celle daran nicht länger fest. Der hier in Rede stehende Innenausgleich zwischen den beteiligten Versicherern kann nämlich nicht über §§ 18 Abs. 3, 17 StVG vorgenommen werden, sondern erfolgt nach §§ 426 Abs. 1, 254 BGB13.

Dass der versicherungsrechtliche Ausgleich nach § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG dann, wenn Fahrer und Halter von Zugmaschine und Anhänger nicht personengleich sind, ggf. von dem sich bei einem rein haftungsrechtlich beurteilten Innenausgleich nach § 426 BGB i. V. m. §§ 840 Abs. 2, 254 BGB ergebenden Ergebnis abweichen kann14, führt entgegen der Auffassung der Beklagten ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar hat der Bundesgerichtshof diese Frage in seiner Entscheidung vom 27.10.2010 letztlich offen gelassen15. Das OLG Celle ist jedoch der Auffassung, dass in solchen Fallkonstellationen die Regelung des § 59 Abs. 2 VVG a. F. vorgeht. Dafür spricht zum einen der vom BGH in der Entscheidung vom 27.10.201016 angeführte Gesichtspunkt der aus der Betriebseinheit der einheitlich vom selben Fahrzeugführer geführten Fahrzeugverbindung herrührenden spezifischen Betriebsgefahr, die eine andere Qualität hat als die Betriebsgefahren zweier getrennter Fahrzeuge. Im Übrigen betrifft die Doppelversicherung im Sinne des § 59 VVG a. F. nicht die Haftungsfrage, sondern das versicherungsrechtliche Deckungsverhältnis. In diesem Deckungsverhältnis ordnet § 59 Abs. 2 VVG a. F. indessen losgelöst vom haftungsrechtlichen Innenausgleich eine Haftungsteilung zwischen den mehreren Versicherern nach Kopfteilen (jedenfalls im hier gegenständlichen Fall zweier jeweils den Gesamtschaden abdeckender Kfz-Haftpflichtversicherungen) an und wirkt ggf. dabei auch haftungsbegründend17. Damit korrespondiert, dass auch gegenüber übergegangenen Regressansprüchen nach § 67 VVG a. F. bei bestehender Doppelversicherung ein Vorrang von § 59 Abs. 2 VVG a. F. angenommen wird18.

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Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 30. April 2013 – 14 U 191/12

  1. Anschluss an BGHZ 187, 211[]
  2. Aufgabe von OLG Celle, Urteil vom 12.03.2008 – 14 U 108/07, OLGR Celle 2008, 448[]
  3. BGH, Urteil vom 27.10.2010 – IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211, NJW 2011, 447, NZV 2011, 128; VersR 2011, 105[]
  4. BGH, a. a. O., Rdnr. 18[]
  5. ebenso Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 15; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 13; Stahl/Jahnke, NZV 2010, 57/59 unter Abschnitt 3. d[]
  6. BGH, a. a. O., Rdnr. 9[]
  7. vgl. BGH, a. a. O., Rdnr.19 f.[]
  8. vgl. dazu Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 59 VVG, Rdnr. 23 f. und Langenick, NZV 2011, 577/578 bei Fußnote 14[]
  9. Anlage B 3, Bl. 31 ff. d. A.[]
  10. BGH, a. a. O., Rdnr. 23 und Langenick, a. a. O., S. 578 bei Fußnote 20[]
  11. vgl. BGH, a. a. O., Rdnr. 32[]
  12. OLG Celle, Urteil vom 12.03.2008 – 14 U 108/07, DAR 2008, 648[]
  13. vgl. zutreffend Langenick, a. a. O., S. 579 f. bei Fußnoten 38 und 41 sowie Lemcke, RuS 2011, 373/375 bei Fußnote 16 und Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kapitel 25, Rdnr. 335 a. E.[]
  14. vgl. dazu Langenick, a. a. O., S. 581 m. w. N. und Lemcke, RuS 2011, 373/375 und 56/56 f.[]
  15. desgleichen auch der VI. Zivilsenat des BGH, BGHZ 177, 141, Rdnr. 7 f.[]
  16. BGHZ 187, 211 – Rdnrn. 29 bis 31[]
  17. Langenick, a. a. O., S. 582; im Ergebnis ebenso Lemcke, RuS 2011, 56 – letzter Satz des 2. Abs. der Einleitung und S. 57, 1. Abs. von Abschnitt 3[]
  18. vgl. Prölss/Martin, a. a. O., § 59 VVG Rdnr. 18 m. w. N.[]
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