Die sich aus dem Bereicherungsrecht ergebenden Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind dabei nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken1.

Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenseitiger Verträge hat nach den Grundsätzen der sogenannten Saldotheorie zu erfolgen. Danach ist der Bereicherungsanspruch bei beiderseits ausgeführten gegenseitigen nichtigen Verträgen ein von vornherein in sich beschränkter einheitlicher Anspruch auf Ausgleich aller mit der Vermögensverschiebung zurechenbar zusammenhängender Vorgänge in Höhe des sich dabei ergebenden Saldos. Es ist deshalb durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile zu ermitteln, für welchen Beteiligten sich ein Überschuss ergibt. Leistung und Gegenleistung sind dabei in Fortgeltung des bei Vertragsschluss gewollten Austauschverhältnisses für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung entsprechend § 818 Abs. 3 BGB grundsätzlich zu saldieren. Dies bedeutet bei ungleichartigen Leistungen, dass der Bereicherungsschuldner die erlangte Leistung nur Zug um Zug gegen seine volle Gegenleistung herauszugeben braucht, ohne dass es der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bedarf2.
Daher kann der Versicherungsnehmer nach erfolgreichem Widerspruch gegen den Lebensversicherungs- oder Rentenversicherungsvertrag zunächst nach § 818 Abs. 2 BGB den Ersatz des Wertes der von ihm geleisteten Prämien verlangen3.
Allerdings muss sich der Versicherungsnehmer im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den sie jedenfalls bis zur Beendigung des Vertrages aufgrund des Widerspruchs vom Mai 2012 genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil, dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann.
Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich – selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht – gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten4.
Dabei sind die Beitragsanteile, die auf diesen partiellen Versicherungsschutz entfallen, anzusetzen, nicht aber der Versicherungsnehmer so zu stellen, als habe er – zu entsprechend anderen Konditionen – eine Risikoversicherung abgeschlossen5.
Hier ist auch zu berücksichtigen, wenn der Versicherungsnehmer eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung genommen hat. Deren Beitragsanteil setzt sich zusammen aus dem Zahlbeitrag und dem auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung entfallenden Überschussanteil.
Darüber hinaus hat der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall des Todes vor Ablauf der Aufschubzeit erhalten. Im Todesfall der versicherten Person vor dem Beginn der Rentenzahlung wäre eine Kapitalleistung in Höhe der gezahlten Beiträge fällig geworden. Auch hierfür hat der Versicherungsnehmer einen Teil der Beiträge aufgebracht, nämlich denjenigen, der kalkulatorisch für die Finanzierung der Versicherungsleistungen vorgesehen ist, die der Versicherer für vorzeitige Todesfälle erbringen muss, soweit diese über das kalkulatorisch vorgesehene Deckungskapital des Versicherungsvertrages hinausgehen.
Auf diese Risikoabsicherung entfallende Verwaltungskosten, die von der Versicherung in ihren – als offenkundig i.S. von § 291 ZPO anzusehenden – Geschäftsberichten der Jahre 2004 bis 2012 mit einem Anteil von 2, 6 bis 3, 1 Prozent der gebuchten Bruttobeiträge angegeben werden und in diesem Zeitraum durchschnittlich 2, 87 Prozent betragen haben, fallen demgegenüber nicht maßgeblich ins Gewicht und sind daher – mit Blick auf noch anderweitig vorzunehmende Schätzungen – zu vernachlässigen.
Das gilt ebenso für etwaige Ratenzuschläge, die bei der von der Versicherungsnehmerin gewählten monatlichen Zahlung von der Versicherungsgesellschaft ausweislich § 6 (1) der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung mit 5 Prozent des Jahresbeitrages erhoben worden sind.
Darüber hinaus sind die angesichts des Zeitablaufs nicht mehr zurück zu fordernden Kosten der Vermittlung in Abzug zu bringen. Hierbei handelt es sich nicht um bloße Verwaltungskosten6, sondern um Kosten des Erwerbs und der Vertragsausführung, die grundsätzlich zu den Aufwendungen auf die erlangte Sache zählen, welche die Bereicherung mindern7. Mit Blick auf aus anderen Verfahren gewonnene Erfahrungswerte und auf die nunmehr in § 4 Abs. 1 der Deckungsrückstellungsverordnung bestimmte Obergrenze der im Wege der Zillmerung zu ermittelnden Abschlusskosten wäre ein Ansatz von 4 Prozent der Beitragssumme des von der Versicherungsnehmerin ursprünglich abgeschlossenen Versicherungsvertrages nicht zu beanstanden.
Eine Minderung der Bereicherung der Versicherungsgesellschaft infolge von ihr aufgebrachter Abschlusskosten ist auch nicht mit Blick auf europarechtliche Gesichtspunkte zu verneinen. Der der Versicherungsgesellschaft vorzuwerfende Verstoß liegt nicht in einem solchen gegen europarechtliche Bestimmungen begründet, sondern lediglich in einer nicht den Anforderungen des § 5a VVG a.F. genügenden Widerspruchsbelehrung. Ihr kann auch nicht allein dadurch, dass sie einen Vertragsschluss über den Weg des Policenmodells intendiert hatte, die Schutzwürdigkeit ihrer Belange im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs abgesprochen werden, zumal die nicht ordnungsgemäße Belehrung – gerade bei Annahme der Nichtanwendbarkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. – nicht ohne Sanktion bleibt. Überdies führt der Umstand, dass eine europarechtliche Bestimmung dem Verbraucherschutz dienen soll, nicht zwingend dazu, dass in jedem Fall die für den Verbraucher günstigste denkbare Interpretation zu suchen ist.
Nicht abzuziehen sind Verwaltungskosten für den gesamten Vertrag über die hier gegenständliche Rentenversicherung, dessen Zustandekommen die Versicherungsnehmerin wirksam widersprochen hat. Insoweit kommt zum Tragen, dass die Frage, inwieweit der Bereicherungsschuldner Aufwendungen, die ihm im Zusammenhang mit der Erlangung des Bereicherungsgegenstandes entstanden sind, bereicherungsmindernd geltend machen kann, nicht für alle Fälle einheitlich beantwortet werden kann. Dies hängt vielmehr maßgeblich davon ab, welche der Parteien des Bereicherungsverhältnisses das Risiko der Rückerlangung der an einen Dritten geleisteten Zahlung tragen muss8.
Insoweit trägt die Versicherungsgesellschaft hier das Entreicherungsrisiko. Nach der gesetzlichen Regelung in § 5a VVG a.F. ist der Versicherungsgesellschaft, die sich für diese Art des Vertragsschlusses entschieden hat, das Risiko einer späteren Wirksamkeit des Vertrages auferlegt, wenn es im Grundsatz – wie hier zugrunde gelegt – auf die Regelung in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ankäme. Mit Blick darauf, dass die Ausgestaltung des Policenmodells als solches keinen europarechtlichen Bedenken begegnet9, ist hier das Risiko, Verwaltungskosten für einen aufgrund nicht ordnungsgemäßer Belehrung nicht wirksamen Vertrag aufgewendet zu haben10, der Versicherungsgesellschaft, keinesfalls aber der Versicherungsnehmerin anzulasten.
Darüber hinaus muss die Versicherungsnehmerin sich etwaige Steuervorteile, die sie seit dem Jahr des Vertragsschlusses im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag erlangt hat, nicht anrechnen lassen.
Insofern will nicht die Versicherungsnehmerin einen Abzug von dem zurückzuzahlenden Betrag vornehmen, sondern die Versicherungsgesellschaft ihn durch Anrechnung von der Versicherungsnehmerin entstandenen Vorteilen mindern. Dafür bietet § 818 Abs. 3 BGB indes keine Grundlage: Er schränkt die Haftung des Bereicherungsschuldners auf die noch in dessen Vermögen vorhandene Bereicherung ein, begründet aber keine selbstständige Anspruchsgrundlage. Die Steuervorteile beruhen ferner auf dem Abschluss des Kausalgeschäfts, nicht auf dem rechtsgrundlosen Erwerb, so dass sie nicht anspruchsmindernd im Wege einer Saldierung berücksichtigt werden können11.
Der Versicherungsnehmerin steht als weiterer Anspruch nach § 818 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen zu. Erfasst werden davon indes nur diejenigen Nutzungen, die tatsächlich gezogen werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Bereicherte (weitere) Nutzungen hätte ziehen können, und ob er dies schuldhaft unterlassen hat. Andererseits kommt es auch nicht darauf an, ob der Bereicherungsgläubiger die Nutzungen hätte selbst ziehen können. Verwendet der Empfänger rechtsgrundlos erlangtes Geld in einer Weise, die nach der Lebenserfahrung bestimmte wirtschaftliche Vorteile vermuten lässt, so ist der übliche Zinssatz als gezogene Nutzung anzusetzen12.
Gerade Letzteres ist im hier zu entscheidenden Fall für die Versicherungsgesellschaft anzunehmen. Allerdings ist dabei nicht durchweg auf den gesetzlichen Verzugszinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz oder einen durchschnittlichen Zinssatz von 6, 4436 Prozent abzustellen. Ebenso wenig kann mit Blick auf die mehr als sieben Jahre währende Durchführung des Vertrages, während derer die Versicherungsnehmerin Teil der Versichertengemeinschaft gewesen ist, lediglich auf den in den jeweiligen Jahren zu erzielenden Zinssatz für Neuanlagen abgestellt werden. Auch insofern kommt zum Tragen, dass das Verhalten der Versicherungsnehmerin und die Ausübung des Widerspruchsrechts im Jahr 2012 nicht zu missbilligen ist, sondern dies von der Versicherungsgesellschaft infolge der nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung letztlich zu verantworten ist. Daher kann die Versicherungsgesellschaft der Versicherungsnehmerin nicht diejenigen Vorteile versagen, die der gesamten Versichertengemeinschaft im betreffenden Zeitraum zugekommen sind.
Vor diesem Hintergrund erscheinen dem Oberlandesgericht, wenn auf den üblichen Zinssatz abgestellt wird, maßgeblich vielmehr diejenigen Nettozinsen, die die Versicherungsgesellschaft – nicht aber andere Versicherer – im Bereich der Kapitalanlagen im hier maßgeblichen Zeitraum erzielen konnte. Diese liegen ausweislich der betreffenden Geschäftsberichte der Versicherungsgesellschaft zwischen 3, 0 und 4, 5 Prozent und haben im Schnitt 4, 02 Prozent betragen.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 7 U 54/14
- vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 41 ff.[↩]
- so BGH, Urteil vom 20.03.2001 – XI ZR 213/00, NJW 2001, 1863[↩]
- vgl. Wendehorst in BeckOK-BGB, Stand: August 2014 § 818 Rn. 23[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 – IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 45[↩]
- vgl. dazu Heyers, NJW 2014, 2619, 2621[↩]
- so aber OLG Köln, Urteil vom 15.08.2014 – 20 U 39/14[↩]
- dazu allgemein BGH, Urteil vom 15.10.1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648; RG, Urteil vom 11.06.1909 – II 571/08, RGZ 72, 1 [3 f.]; Staudinger/Lorenz, BGB [2007] § 818 Rn. 37; abweichend Schwab in MünchKomm-BGB, 6. Aufl. § 818 Rn. 135[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314 unter I 3 b aa[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 – IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065[↩]
- vgl. allgemein BGH, Urteil vom 06.12 1991 – V ZR 310/89, NJW-RR 1992, 589 unter III 1 a[↩]
- vgl. auch OLG Nürnberg, Urteil vom 31.01.2012 – 1 U 1522/11, BeckRS 2012, 07733; für den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft: BGH, Urteil vom 23.09.2008 – XI ZR 262/07, BeckRS 2008, 22673 Rn. 33[↩]
- vgl. nur Schwab in MünchKomm-BGB, 6. Aufl. § 818 Rn. 8[↩]