Vertretungsverbote des Anwaltnotars

Ein Anwalt, der zuvor als Notar einen GmbH-Gesellschaftsvertrag beurkundete, darf einen Gesellschafter bei der Abwehr eines auf Einzahlung der Stammeinlage gerichteten Anspruchs nicht vertreten. Ein Verstoß gegen dieses Verbot des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages.

Vertretungsverbote des Anwaltnotars

Verbot für die anwaltliche Tätigkeit

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er in derselben Rechtssache bereits als Notar gehandelt hat. Mit dieser Regelung soll das Vertrauen in die Rechtspflege geschützt werden, dass nicht dieselben Personen auf verschiedenen Seiten für unterschiedliche Interessen tätig werden. Sie dient dazu, die Gefahr von Interessenkollisionen einzudämmen1.

Der Begriff „dieselbe Rechtssache“ im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wie in § 356 StGB zu verstehen und umfasst alle Rechtsangelegenheiten, in denen mehrere, zumindest möglicherweise, ein entgegengesetztes rechtliches Interesse verfolgende Beteiligte vorkommen können2. Maßgebend ist dabei der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen, also das anvertraute materielle Rechtsverhältnis, das bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist3. In der Rechtsprechung zum Begriff „dieselbe Rechtssache“ zu § 356 StGB ist auch anerkannt, dass ein längerer Zeitablauf die Einheitlichkeit des Lebensverhältnisses nicht aufzuheben vermag4. Gleiches gilt für einen Wechsel der beteiligten Personen5.

Nach diesen Grundsätzen beziehen sich die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der später in Insolvenz geratenen Gesellschaft und die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs wegen unvollständiger Stammeinlage auf dieselbe Rechtssache. Der hier in Rede stehende Zahlungsanspruch kann nicht vom Gesellschaftsvertrag losgelöst betrachtet werden. Er hat hierin seine Grundlage. Die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wie etwa in der vom Insolvenzverwalter herangezogenen Entscheidung BGHZ 80, 129, 137 betreffen die Modalitäten der Erfüllung der im Gesellschaftsvertrag verankerten Einlagepflicht. Die unmittelbare Verknüpfung zwischen Forderung und Gesellschaftsvertrag wird gerade dann deutlich, wenn es um die Höhe oder Art der Stammeinlage geht. Diese wird ausschließlich vom Gesellschaftsvertrag unter Berücksichtigung der Mindestbeträge nach § 5 GmbHG bestimmt. Daher bilden Ansprüche auf Einzahlung der Stammeinlage und die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages ein innerlich zusammengehörendes, einheitliches Lebensverhältnis.

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Ebenso besteht zwischen der Tätigkeit des Notars, der den Gesellschaftsvertrag beurkundet, und der anwaltlich unterstützten Abwehr eines Anspruchs wegen der Nichterbringung der Stammeinlage ein enger Zusammenhang. Dieser wird vermittelt durch die Verpflichtung des Urkundsnotars, bei der Beurkundung darauf hinzuweisen, eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung setze voraus, dass die Stammeinlage im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister noch vorhanden sei6; fehle es daran, ergebe sich ein Eintragungshindernis (§ 7 Abs. 2 und 3, § 9c Abs. 1 GmbHG) bzw. – im Falle der erfolgten Eintragung – eine Nachschusspflicht der betreffenden Gesellschafter. Bei der Gründung einer GmbH muss der Notar die Beteiligten über die Voraussetzungen der Eintragungsreife belehren7. Daraus kann sich sogar ein Gegensatz der Interessen des Urkundsnotars und des in der Auseinandersetzung über die Nachschusspflicht mandatierten Anwalts ergeben.

Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter an der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages nicht beteiligt gewesen ist, und mithin nicht von mehreren ein gegensätzliches Interesse verfolgenden Beteiligten gesprochen werden könne, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Insolvenzverwalter tritt mit Insolvenzeröffnung in die Rechte und Pflichten des Schuldners ein und hat für die Masse die dem Schuldner zu-stehenden Rechte zu verfolgen (§ 80 Abs. 1 InsO). Bei der Geltendmachung der hier in Rede stehenden Forderung handelte mithin der Insolvenzverwalter im Rahmen der auf ihn übergegangenen vermögensrechtlichen Stellung des Schuldners8. Ein eigentlicher Beteiligtenwechsel scheidet angesichts der Identität der Forderung und zugehöriger Vermögensmasse aus. Aber selbst wenn im Übergang der Befugnisse auf den Insolvenzverwalter ein Beteiligtenwechsel gesehen werden sollte, wird hierdurch die Beurteilung als einheitliches Lebensverhältnis nicht in Frage gestellt9.

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Entgegen der Ansicht der Revision ist keine restriktive Begrenzung des Begriffs einheitliches Lebensverhältnis erforderlich. Gerade bei der hier gegebenen Fallgestaltung einer notariellen Vorbefassung gebietet der Sinn und Zweck des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ein Tätigkeitsverbot. Die Abwehr des Anspruchs auf (teilweise) Zahlung der Stammeinlage kann es erforderlich machen, sich auch mit der vertraglichen Regelung der Ein-lageforderung auseinanderzusetzen. Der Anwalt wäre dann veranlasst, seine selbst erstellte Vertragsurkunde auszulegen. Diese Gefahr eines offenkundigen Interessengegensatzes zu verhindern, ist Ziel der gesetzlichen Regelung (vgl. auch § 45 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Durch das Tätigkeitsverbot wird zugleich das Vertrauen der Bevölkerung in das Handeln der einzelnen Organe der Rechtspflege gestärkt.

Die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages

Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO ist die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages nach § 134 BGB. Dies entspricht der ganz überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung und im Schrifttum10. Der Bundesgerichtshof hat dies bei der vergleichbaren Regelung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO bereits bejaht11. Der Umstand, dass sich das Tätigkeitsverbot des § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO nur gegen den Rechtsanwalt richtet, steht der Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht entgegen. Maßgeblich ist der Schutzzweck des Verbots, der hier im Schutz des Vertrauens in die Rechtspflege und in der Eindämmung von Interessenkollisionen liegt12. Dieses Verbot liefe weitgehend leer, wenn der Anwalt aus seiner verbotswidrigen Tätigkeit eine Anwaltsvergütung beanspruchen könnte13.

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Keine Honorierung aus gesetzlichen Ansprüchen

Der geltend gemachte Zahlungsanspruch lässt sich auch nicht auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen stützen.

Bei Nichtigkeit des Anwaltsvertrages gemäß § 134 BGB kann ein Vergütungsanspruch nicht aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) abgeleitet werden, weil die erbrachten Dienste in einer gesetzwidrigen Tätigkeit bestanden haben, die der Kläger nicht den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Dies entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung14.

Ein Anspruch auf Wertersatz nach § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB kommt bei Abschluss eines nach § 134 BGB nichtigen Anwaltsvertrags grundsätzlich in Betracht15, wobei sich die Höhe des Anspruchs nach der üblichen oder (mangels einer solchen) nach der angemessenen, vom Vertragspartner ersparten Vergütung richtet16. Hierfür sind in erster Linie die Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes heranzuziehen.

Dem Wertersatzanspruch kann aber die Regelung des § 817 Satz 2 BGB entgegenstehen17. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich verbotswidrig gehandelt hat18. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat19.

Bundesgeichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2010 – IX ZR 48/10

  1. Entwurfs-Begründung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/4993 S. 29[]
  2. BGH, Urteile vom 26.11.2007 – AnwSt (R) 10/06, NJW-RR 2008, 795; vgl. ferner BGHSt 5, 301, 304; 18, 192; BGHZ 141, 69, 79 zu § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO; Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 45 Rn. 7, § 43a Rn. 61; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO 3. Aufl. § 45 Rn. 12a; Kleine-Cosack, BRAO 6. Aufl. § 45 Rn. 5; Ganter in Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung 2. Aufl. Rn. 734 ff; LK-Gillmeister, StGB 12. Aufl. § 356 Rn. 79[]
  3. vgl. BGHSt 34, 190, 191; Feue-rich/Weyland, BRAO aaO § 45 Rn. 7, § 43a Rn. 63[]
  4. BGHSt 9, 341, 345; 18, 192, 198; Feuerich/Weyland, BRAO aaO § 45 Rn. 7; Kilian in Henssler/Prütting, aaO, § 45 Rn. 14, § 43a Rn. 200[]
  5. BGHSt 7, 261, 263; Feue-rich/Weyland, aaO; Kilian in Henssler/Prütting, aaO[]
  6. sog. Unversehrtheitsgrundsatz, vgl. hierzu Gehrlein/Witt, GmbH-Recht in der Praxis 2. Aufl. Kap. 6 Rn. 2[]
  7. Ganter aaO, Rn. 1026 f.[]
  8. vgl. HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 80 Rn. 17[]
  9. vgl. BGHSt 7, 261, 263; Feuerich/Weyland, BRAO aaO; Kilian in Henssler/Prütting, aaO[]
  10. OLG Hamm NJW 1992, 1174, 1175; OLG Stuttgart MDR 1999, 1530; Feuerich/Weyland, aaO § 45 Rn. 41; Bormann in Gaier/ Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 45 BRAO Rn. 48; Kilian in Henssler/ Prütting, aaO, § 45 Rn. 49; Kleine-Cosack, BRAO aaO § 45 Rn. 49; Borgmann/ Jungk/Grams, Anwaltshaftung 4. Aufl., Kap. III Rn. 55; Mennemeyer in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 63; Sieg, in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 40; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht 3. Aufl., § 3 Rn. 18; Ganter aaO Rn. 743[]
  11. BGHZ 141, 69, 79[]
  12. BT-Drs. 12/4993 aaO[]
  13. vgl. BGHZ 141, 69 aaO[]
  14. vgl. BGHZ 111, 308, 311; 118, 142, 150; BGH, Urteil vom 17.02.2000 – IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, 1562; Mennemeyer in Fahrendorf/ Mennemeyer/Terbille, aaO Rn. 270 Fn. 587; Sieg, in Zugehör/Fischer/ Sieg/Schlee, aaO Rn. 1916[]
  15. BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 384/97, WM 1999, 970, 974, in BGHZ 141, 69 insoweit nicht abgedruckt[]
  16. BGH, Urteil vom 26.01.2006 – IX ZR 225/04, WM 2006, 830 Rn. 26; Sieg, in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1919[]
  17. BGH, Urteil vom 25.02.1999 – IX ZR 384/97, aaO, in BGHZ 141, 69 aaO insoweit nicht abgedruckt; vom 26.01.2006 – IX ZR 225/04, aaO Rn. 26[]
  18. BGHZ 50, 90, 92[]
  19. BGH, Urteile vom 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310, 311; vom 23.02.2005 – VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, 1491; vom 26.01.2006 – IX ZR 225/04, WM 2006, 830 Rn. 28[]
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