Eine Verurteilung wegen Wählertäuschung bedingt jedenfalls für die nächsten Jahre eine Unwürdigkeit für den Anwaltsberuf.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte die Rechtsanwaltskammer im Jahr 2010 die Zulassung eines jüngeren Volljuristen zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 BRAO) abgelehnt, weil er durch seit dem 10.07.2008 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.05.2007 wegen Wählertäuschung in 46 Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs, zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt worden ist. Der Kläger hatte vom 25.05.2004 bis zum 04.04.2005 in mehreren Wahlkreisen in Neuss Unterstützerunterschriften für die Partei Die Republikaner gesammelt. Er gab sich dabei äußerlich nicht als Parteiangehöriger der Republikaner zu erkennen. Weil er davon ausging, dass die Partei von weiten Kreisen der Bevölkerung als rechtsradikal angesehen wurde, kaschierte er vielmehr sein wahres Anliegen der Wahlunterstützung, indem er Passanten mit der Frage ansprach, ob sie sich nicht auch für eine härtere Bestrafung von Kinderschändern einsetzen würden. Gleichfalls versuchte er, ein näheres Studium des Formblattes für die Unterschrift zu verhindern, indem er es selbst mit Namen und Anschrift ausfüllte und die Passanten nur noch unterschreiben ließ, so dass ihnen der parteipolitische Hintergrund der Aktion verborgen blieb. Der Kläger hat die Feststellungen dieses Urteils nicht in Abrede gestellt.
Der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Hamm hat die Klage abgewiesen1. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat beim Bundesgerichtshof keinen Erfolg:
Das strafbare Verhalten des Klägers offenbart ein massiv gestörtes Verhältnis zu Recht und Gesetz. Er ist in zahlreichen Einzelfällen über einen längeren Zeitraum gegenüber der Öffentlichkeit täuschend tätig geworden, um die Vorschriften des Wahlgesetzes zu umgehen. Ein solches Verhalten lässt sich mit der von einem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege erforderten Integrität nicht vereinbaren.
Auch die Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs zur erforderlichen Länge des Wohlverhaltenszeitraums sind für den Bundesgerichtshof im Ergebnis zutreffend: Zwar darf dem Kläger nicht angelastet werden, dass er gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf das Rechtsmittel der Revision eingelegt hat. Die Einlegung des Rechtsmittels als solche lässt – entgegen der anscheinend vom Anwaltsgerichtshof vertretenen Auffassung – nicht den Schluss zu, dass dem Kläger die Einsicht in das Unrecht seines Tuns gefehlt hat; ob etwa vom Kläger zu vertretende Ausführungen in der Revisionsbegründung eine andere Wertung rechtfertigen könnten, kann dahingestellt bleiben, weil der Anwaltsgerichtshof darauf nicht abgestellt hat.
Die Dauer der vom Anwaltsgerichtshof für erforderlich gehaltenen Wohlverhaltensphase erweist sich aber jedenfalls deswegen als angemessen, weil es sich – worauf der angefochtene Beschluss zutreffend hinweist – bei den Taten des Klägers angesichts der Tatumstände um keine leichteren Verfehlungen handelt, so dass eine Wohlverhaltensphase von vier bis fünf Jahren nach der Tat nicht ausreicht. Dies wird auch durch die Höhe der verhängten Strafe belegt, die sich mit 90 Tagessätzen deutlich von der unteren Strafrahmengrenze abhebt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. April 2011 ‑AnwZ (Brfg) 14/10
- AGH NRW, Urteil vom 23.04.2010 – 1 AGH 13/10[↩]