Wenn der LKW doch nicht fährt – Erstattung von LKW-Maut

§ 4 Abs. 4 ABMG regelt die Erstattung der LKW-Maut für alle Fälle abschließend, in denen die gebuchte Fahrt ganz oder teilweise nicht durchgeführt wird.

Wenn der LKW doch nicht fährt – Erstattung von LKW-Maut

Die Regelung des § 10 Abs. 2 LKW-MautV zur Erstattung während des Gültigkeitszeitraums der manuellen Einbuchung an einem Zahlstellen-Terminal an der gebuchten Strecke findet auch auf die Fälle Anwendung, in denen die gebuchte Fahrt vollständig unterblieben ist (Vollstornierung).

§ 10 Abs. 3 LKW-MautV ist insoweit mit höherrangigem Recht unvereinbar, als der Mautschuldner auch bei vollständig unterbliebener Fahrt Erstattung im nachträglichen schriftlichen Verfahren nur dann verlangen kann, wenn er nachweist, dass ihm eine vorherige Geltendmachung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war.

Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 des Autobahnmautgesetzes (ABMG) wird die Maut auf Verlangen ganz oder teilweise erstattet, wenn die Fahrt, für die sie entrichtet wurde, nicht oder nicht vollständig durchgeführt wird (Erstattung der Maut). Satz 2 dieser Regelung ermächtigt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Verfahren der Erstattung der Maut zu regeln. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung hat das Ministerium in § 10 LKWMautV Bestimmungen zur Mauterstattung bei der manuellen Mauterhebung über ZahlstellenTerminals oder über das Internet (vgl. § 5 LKWMautV) erlassen. Absatz 2 dieser Vorschrift legt fest, dass während des Gültigkeitszeitraums der Einbuchung im manuellen Mauterhebungssystem eine Erstattung nur an einem ZahlstellenTerminal an der gebuchten Strecke für den noch nicht befahrenen Streckenanteil der gebuchten Strecke möglich ist. Nach § 10 Abs. 3 LKWMautV kann der Mautschuldner nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums eine Erstattung nur dann verlangen, wenn er nachweist, dass ihm eine vorherige Geltendmachung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war und er sein Erstattungsverlangen innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums gegenüber dem Bundesamt für Güterverkehr geltend gemacht hat. Das Oberverwaltungsgericht hat das angefochtene Urteil maßgebend darauf gestützt, dass der Kläger die versehentlich gebuchte und von ihm nicht benötigte Fahrt von Lind nach Nieder Seifersdorf während des Gültigkeitszeitraums dieser Einbuchung an einem ZahlstellenTerminal an dieser Strecke hätte stornieren müssen. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 LKWMautV für die hier begehrte nachträgliche Erstattung im schriftlichen Antragsverfahren lägen nicht vor. Denn der LKW des Klägers habe sich während des Gültigkeitszeitraums der versehentlichen Einbuchung an der Startauffahrt der irrtümlich gebuchten Strecke befunden, so dass die Anforderungen des § 10 Abs. 2 LKWMautV ohne Weiteres hätten erfüllt werden können. Diese tragenden Ausführungen sind zum Teil nicht mit Bundesrecht vereinbar.

Das Oberverwaltungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass § 4 Abs. 4 ABMG die einschlägige Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren des Klägers ist. Es handelt sich um eine gegenüber der Erstattungsregelung des § 4 Abs. 1a ABMG i.V.m. § 21 VwKostG und dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch spezielle Vorschrift, welche die Erstattung für alle Fälle abschließend regelt, in denen die gebuchte Strecke – aus welchen Gründen auch immer – nicht befahren wurde. Dies zeigt die spezifische Ermächtigung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 ABMG zum Erlass verfahrensrechtlicher Bestimmungen. Die Revision meint demgegenüber, dies gelte nicht, wenn die Strecke versehentlich gebucht und diese Fehlbuchung nach §§ 119 ff. BGB angefochten worden sei mit der Folge, dass die Tatbestandsvoraussetzung der „Einbuchung“ zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. In diesen Fällen sei der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch einschlägig. Dem kann nicht gefolgt werden. § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG macht die Erstattung nicht davon abhängig, dass die stornierte Fahrt wirksam „eingebucht“ wurde. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist vielmehr, dass die Maut „entrichtet“ und die Fahrt, für die dies geschehen ist, „nicht oder nicht vollständig durchgeführt“ wurde. Die Verwirklichung dieser Handlungs- bzw. Unterlassungstatbestände kann nicht durch Anfechtung zum Wegfall gebracht werden. Im Übrigen ist die „Einbuchung“ einer mautpflichtigen Fahrt in das Mauterhebungssystem des mit dessen Errichtung und Betrieb beauftragten Betreibers1 nicht mit einer anfechtbaren öffentlichrechtlichen Willenserklärung gegenüber der Beklagten verbunden; maßgeblicher Grund für die Vermögensverschiebung ist vielmehr die Abführung des Mautbetrages an die Beklagte, die der Betreiber im Auftrag des Mautschuldners vornimmt2.

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Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, die Regelung des § 10 LKWMautV überschreite die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung, weil sie einen materiellrechtlichen Ausschluss des gesetzlichen Erstattungsanspruchs enthalte. Es trifft zu, dass die Verordnungsermächtigung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 ABMG inhaltlich auf den Erlass von Vorschriften zum „Verfahren der Erstattung der Maut“ beschränkt ist. § 10 LKWMautV enthält jedoch keine Regelungen, die den gesetzlichen Erstattungsanspruch nach § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG konkretisieren oder verändern. Vielmehr werden verfahrensrechtliche Anforderungen festgelegt, nämlich die Art und Weise, wie der Erstattungsanspruch geltend zu machen ist. Am verfahrensrechtlichen Gehalt der Vorschrift ändert nichts, dass eine Erstattung ausgeschlossen ist, wenn diese Anforderungen nicht eingehalten werden3. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Verordnungsermächtigung auf den Erlass „sanktionslosen“ Verfahrensrechts beschränkt ist. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass der Gesetzgeber eine speziell auf verfahrensrechtliche Regelungen bezogene Ermächtigung für erforderlich gehalten hat.

Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Regelung des § 10 Abs. 2 LKWMautV zum Stornierungsverfahren während des Gültigkeitszeitraums der Einbuchung auch im vorliegenden Fall einer Vollstornierung bei gänzlich unterlassener Fahrt Anwendung findet.

Zwar spricht die in dieser Regelung enthaltene Beschränkung des Erstattungsumfangs auf „den noch nicht befahrenen Streckenanteil der gebuchten Strecke“ für sich genommen gegen deren Anwendbarkeit in Fällen, in denen die gebuchte Fahrt überhaupt nicht angetreten wurde. Der Anwendungsbereich dieses Stornierungsverfahrens wird jedoch durch eine zeitliche Vorgabe bestimmt („während des Gültigkeitszeitraums“). Demgegenüber stellt die genannte Beschränkung des Erstattungsumfangs nach dem Kontext, in dem sie steht, klar, dass hierfür der jeweils noch nicht befahrene „Streckenanteil“ maßgeblich sein soll. Als Maßstab für die Bemessung der Erstattung umfasst sie zwanglos auch den Fall, in dem die gebuchte Fahrt gänzlich unterblieben ist. Der „noch nicht befahrene Streckenanteil der gebuchten Strecke“ beträgt dann 100 % mit der Folge, dass ein Anspruch auf Erstattung der gesamten entrichteten Maut besteht (§ 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG). Auch der Zweck der Vorschrift legt nahe, dass alle Stornierungsfälle erfasst werden sollen. Dem Verordnungsgeber geht es erkennbar darum, die ohnehin vorhandenen technischen Einrichtungen der Mauterhebung für eine möglichst weitgehende Automatisierung des Stornierungsverfahrens zu nutzen. Dies wird auch daran deutlich, dass das schriftliche Erstattungsverfahren nach § 10 Abs. 3 LKWMautV nicht allgemein neben dem Stornierungsverfahren an ZahlstellenTerminals eröffnet ist, sondern nur dann, wenn der Mautschuldner „nachweist, dass ihm eine vorherige Geltendmachung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war“. Die somit angestrebte Verwaltungsvereinfachung würde jedoch teilweise verfehlt, wenn das Verfahren über die ZahlstellenTerminals nur für Teilstornierungen anlässlich bereits begonnener Fahrten auf der gebuchten Strecke vorgehalten würde. Gegen eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 10 Abs. 2 LKWMautV auf Teilstornierungen spricht darüber hinaus, dass sich die Verordnungsermächtigung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 ABMG zur Regelung des Verfahrens der „Erstattung der Maut“ ausdrücklich sowohl auf Teil- als auch auf Vollstornierungen bezieht. In § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG ist bestimmt, dass mit „Erstattung der Maut“ sowohl die Erstattung des gesamten Mautbetrages bei nicht durchgeführter Fahrt als auch die teilweise Erstattung bei nicht vollständig durchgeführter Fahrt gemeint ist.

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Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, dass im Verfahren nach § 10 Abs. 2 LKWMautV auch Vollstornierungen bei gänzlich unterlassener Fahrt nur an einem ZahlstellenTerminal an der gebuchten Strecke und nicht an jedem beliebigen Terminal zugelassen sind.

Dem Verordnungsgeber kommt ein Gestaltungsspielraum nur innerhalb der ihm jeweils aufgrund des Art. 80 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen zu. Er muss im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und darf nicht die Entscheidungen des Gesetzgebers korrigieren. Danach überschreitet der Verordnungsgeber die Grenzen des ihm eröffneten normativen Ermessens etwa dann, wenn die von ihm getroffenen Regelungen unter Berücksichtigung gesetzgeberischer Entscheidungen schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig sind4. Ausgehend davon ist § 10 Abs. 2 LKWMautV nicht zu beanstanden.

Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG besteht bei nicht durchgeführten Fahrten ein Anspruch auf Erstattung des gesamten entrichteten Mautbetrages. Dieser gesetzlichen Leitentscheidung widerspräche eine Ausgestaltung des Stornierungsverfahrens, bei der nur Teilstornierungen vorgenommen werden können, weil die gebuchte Strecke zunächst teilweise mautpflichtig befahren werden muss, um eine Erstattung verlangen zu können. Eine solche Einschränkung besteht jedoch nicht. Zu den „ZahlstellenTerminals an der gebuchten Strecke“ i.S.d. § 10 Abs. 2 LKWMautV zählen auch die ZahlstellenTerminals im Bereich der Autobahnauffahrten. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, befindet sich vor jeder Autobahnauffahrt in einem Umkreis von rund 10 km mindestens ein ZahlstellenTerminal, das für die Fahrer auch als solches erkennbar ist. Damit ist flächendeckend gewährleistet, dass im Verfahren nach § 10 Abs. 2 LKWMautV auch Vollstornierungen im Bereich der Startauffahrt der jeweils gebuchten Strecke erfolgen können.

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Der Verordnungsgeber war nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gehalten, Vollstornierungen nicht nur an ZahlstellenTerminals an der Startauffahrt der gebuchten Strecke zuzulassen, sondern an jedem beliebigen Terminal.

Vollstornierungen erfolgen, wenn die gebuchte Strecke überhaupt nicht befahren werden soll, etwa weil – wie hier – eine Fehlbuchung vorliegt oder weil der Mautschuldner umdisponiert hat. Es kann nicht angenommen werden, dass sich das Fahrzeug dann stets in der Nähe der Startauffahrt der gebuchten Strecke befindet, um die Vollstornierung ohne größeren Aufwand entsprechend den Vorgaben des § 10 Abs. 2 LKWMautV vornehmen zu können. Dies kann etwa dann nicht der Fall sein, wenn bei der manuellen Mauterhebung nicht wie hier der Zielort der Fahrt, sondern deren Startort falsch angegeben wurde. Je nach Entfernung des LKW zur Startauffahrt oder beispielsweise auch bei dringenden Lieferaufträgen und je nach Höhe des Erstattungsbetrages kann es wirtschaftlich sinnlos sein, mit dem Fahrzeug zur Startauffahrt der gebuchten, aber nicht (mehr) benötigten Strecke zu fahren, um eine Vollstornierung an einem dortigen ZahlstellenTerminal durchzuführen. Der Verordnungsgeber musste solchen Erschwernissen bei Vollstornierungen jedoch nicht gerade dadurch begegnen, dass er Erstattungen während des Gültigkeitszeitraums der Einbuchung an jedem beliebigen ZahlstellenTerminal ermöglichte. Denn die Beschränkung auf „ZahlstellenTerminals an der gebuchten Strecke“ ist gerechtfertigt, um der Gefahr missbräuchlicher Erstattungsbegehren im Anschluss an durchgeführte Fahrten zu begegnen. Diese Gefahr wäre erheblich größer, wenn Stornierungen an jedem beliebigen ZahlstellenTerminal erfolgen könnten.

Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.06.2011 und in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat, erfolgt die Kontrolle von Einbuchungen im manuellen Mauterhebungssystem insbesondere über fest installierte Kontrollbrücken oder aus im Verkehr mitfahrenden Fahrzeugen heraus. Die Einbuchung wird für den bis zur Kontrollstelle zurückgelegten Teil der gebuchten Strecke „entwertet“; Mautpreller werden nach Möglichkeit aus dem Verkehr geleitet. Diese Kontrollen können missbräuchliche Stornierungen im Anschluss an durchgeführte Fahrten nicht verhindern. Sie erfassen nur rund 10 % aller mautpflichtigen Fahrten und werden zudem nicht verdeckt durchgeführt. So sind die Standorte der Kontrollbrücken bekannt und sichtbar. Die Kontrollbrücken können daher umfahren werden, wenn eine missbräuchliche Stornierung beabsichtigt ist. Auch die im Verkehr mitfahrenden Kontrollfahrzeuge sind nach Angaben der Beklagten deutlich als solche erkennbar. Die LKWFahrer können folglich in der Regel beurteilen, ob eine Kontrolle stattgefunden hat. Im Übrigen kann nach den Ausführungen der Beklagten eine Stornierung der Einbuchung im manuellen Mauterhebungssystem nach durchgeführter Fahrt selbst dann ohne Risiko vorgenommen werden, wenn eine Kontrolle stattgefunden hat, weil an den ZahlstellenTerminals kein Abgleich mit etwaigen Kontrolldaten und Entwertungen erfolgt. Die somit gegebene Gefahr missbräuchlicher Erstattungsbegehren im Anschluss an durchgeführte Fahrten kann dadurch zumindest verringert werden, dass nach § 10 Abs. 2 LKWMautV Erstattungen während des Gültigkeitszeitraums der Einbuchung nur an ZahlstellenTerminals an der gebuchten Strecke selbst verlangt werden können. Die gebuchte Strecke könnte sonst zunächst ganz oder teilweise befahren werden, um sodann vor Ablauf des Gültigkeitszeitraums die Einbuchung an einem Terminal an einer anderen, nahe gelegenen Strecke zu stornieren.

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Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, die Regelung des schriftlichen Erstattungsverfahrens in § 10 Abs. 3 LKWMautV sei ebenfalls mit höherrangigem Recht vereinbar, verletzt jedoch Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach dieser Vorschrift auch in Fällen der Vollstornierung eine Erstattung nur dann verlangt werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass eine Stornierung im Verfahren nach § 10 Abs. 1 oder 2 LKWMautV „aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war“. Insoweit hat der Verordnungsgeber das ihm eingeräumte normative Ermessen überschritten. Das gilt auch dann, wenn die Vorschrift mit dem Oberverwaltungsgericht dahin ausgelegt wird, dass Erstattung im schriftlichen Verfahren auch bei Unzumutbarkeit einer Stornierung an einem ZahlstellenTerminal an der gebuchten Strecke verlangt werden kann.

Wie ausgeführt, hat der Gesetzgeber grundsätzlich entschieden, dass ein Anspruch auf Erstattung des gesamten Mautbetrages besteht, wenn die gebuchte Fahrt tatsächlich nicht angetreten wurde (§ 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG). Im Hinblick auf diese Grundentscheidung des Gesetzgebers ist die Versagung einer Erstattung trotz nachweislich unterbliebener Benutzung der gebuchten Strecke nur aus gewichtigen Gründen gerechtfertigt. Solche Gründe werden in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bezogen auf die Vorschrift des § 10 Abs. 3 LKWMautV nicht herausgearbeitet. Sie sind auch nicht erkennbar. Die Verhinderung missbräuchlicher Stornierungen im Anschluss an durchgeführte Fahrten kommt als Rechtfertigungsgrund für den Ausschluss von Erstattungen bei fehlendem Nachweis der „Unmöglichkeit“ einer Stornierung an einem ZahlstellenTerminal nicht in Betracht. Denn im schriftlichen Verfahren obliegt dem Mautschuldner – im Unterschied zum Stornierungsverfahren an einem ZahlstellenTerminal – ohnehin der Nachweis der Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch. Hierzu zählt nach § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG die Tatsache, dass die Fahrt, für die Maut entrichtet wurde, „nicht oder nicht vollständig durchgeführt“ wurde. Im Übrigen kann nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung im schriftlichen Erstattungsverfahren ein Abgleich mit Kontrolldaten vorgenommen werden, was auch geschieht.

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Ein hinreichender Rechtfertigungsgrund könnte darin bestehen, dass ohne das zusätzliche Erfordernis, die tatsächliche „Unmöglichkeit“ einer früheren Stornierung nachzuweisen in weitem Umfang Erstattung im schriftlichen Verfahren verlangt würde mit der Folge, dass die mit dem Verfahren nach § 10 Abs. 1 und 2 LKWMautV bezweckte Verwaltungsvereinfachung leer liefe. Hiervon kann indes nach dem Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 10.06.2011 nicht ausgegangen werden. Danach befinden sich die Nutzer auch in den Fällen der Vollstornierung regelmäßig in der Nähe eines der Startauffahrt der gebuchten Strecke zugeordneten ZahlstellenTerminals und können somit in der Regel ohne nennenswerten Aufwand das Verfahren nach § 10 Abs. 2 LKWMautV nutzen. Dies sei regelmäßig auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll. Denn die weitgehende Automatisierung des Stornierungsverfahrens an den ZahlstellenTerminals ermögliche eine niedrige Bearbeitungsgebühr von 3 €, während für das aufwendige schriftliche Erstattungsverfahren ein Gebührenbedarf von 18 € bestehe. Es gebe auch deshalb keinen Grund für einen in der Nähe der gebuchten Strecke befindlichen Nutzer, nachträglich im schriftlichen Verfahren Erstattung zu beantragen, weil der am ZahlstellenTerminal gewährleistete sofortige Rückfluss des Erstattungsbetrages für viele am manuellen Einbuchungsverfahren teilnehmende Unternehmen einen Liquiditätsvorteil biete. Hinzuzufügen ist, dass der Mautschuldner im schriftlichen Verfahren die unterlassene Nutzung der gebuchten Strecke nachweisen muss. Demgegenüber muss im Rahmen des Verfahrens nach § 10 Abs. 2 LKWMautV lediglich der Einbuchungsbeleg in das ZahlstellenTerminal eingeführt bzw. Einbuchungsnummer, Kennzeichen, Zulassungsland sowie der Gültigkeitsbeginn der Einbuchung eingegeben werden, um sogleich ohne weitere Prüfung den Erstattungsbetrag zu erlangen. Bei dieser Sachlage kann nicht angenommen werden, dass ohne das zusätzliche Nachweiserfordernis nach § 10 Abs. 3 LKWMautV in erheblichem Umfang nicht die Möglichkeit einer automatisierten Stornierung an ZahlstellenTerminals genutzt, sondern auf das nachträgliche schriftliche Erstattungsverfahren ausgewichen würde. Vielmehr geht die Beklagte selbst davon aus, dass auf das nachträgliche schriftliche Erstattungsverfahren nur in atypischen Fallkonstellationen zurückgegriffen wird, in denen die Nutzung des Stornierungsverfahrens nach § 10 Abs. 2 LKWMautV nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Dann besteht jedoch mit Blick auf den Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung kein hinreichend gewichtiges Bedürfnis, eine Erstattung auch bei nachweislich nicht durchgeführter Fahrt auszuschließen, wenn der Nachweis der fehlenden Möglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Stornierung an einem ZahlstellenTerminal an der gebuchten Strecke nicht gelingt, zumal die Prüfung dieses Erfordernisses wiederum einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand verursachen kann.

Soweit nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dass ohne das in Rede stehende Nachweiserfordernis in Einzelfällen trotz der Vorzüge des Verfahrens nach § 10 Abs. 2 LKWMautV gerade auch für den Mautschuldner bzw. Nutzer auf das schriftliche Erstattungsverfahren ausgewichen wird, kommt diesem Aspekt kein Gewicht zu, das die Versagung einer Erstattung trotz unstreitig nicht durchgeführter Fahrt zu rechtfertigen vermag. Im Übrigen ist der Verordnungsgeber nicht gehindert, den nach § 4 Abs. 4 Satz 3 ABMG eröffneten Rahmen für eine Bearbeitungsgebühr bis zu 20 € für das schriftliche Erstattungsverfahren auszuschöpfen, um einen noch weitergehenden Anreiz zur Nutzung des Stornierungsverfahrens an einem ZahlstellenTerminal zu schaffen. Diese vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit einer Steuerung der zur Verfügung gestellten Erstattungsverfahren durch differenzierte Gebührensätze stellt gegenüber dem mit dem Ausschluss einer Erstattung trotz unterbliebener Nutzung der gebuchten Strecke verbundenen Nachweiserfordernis das mildere Mittel dar. Ein Anreiz zur Nutzung des Verfahrens nach § 10 Abs. 1 oder 2 LKWMautV kann auf diese Weise zudem einfacher gesetzt werden als durch die Vorgabe nachzuweisen, dass eine vorherige Geltendmachung des Erstattungsverlangens aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war.

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Nach allem hat der Verordnungsgeber das ihm eröffnete normative Ermessen insoweit überschritten, als § 10 Abs. 3 LKWMautV eine Erstattung des gesamten Mautbetrages wegen gänzlich unterbliebener Nutzung der gebuchten Strecke ausschließt, wenn der Mautschuldner nicht „nachweist, dass ihm eine vorherige Geltendmachung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war“. Bezogen auf die Fälle der Vollstornierung ist die Regelung insoweit unwirksam. Das ändert nichts an dem nach § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG bestehenden Erfordernis, die Nichtdurchführung der gebuchten Fahrt nachzuweisen. Das vorliegende Verfahren gibt keinen Anlass, die Wirksamkeit des § 10 Abs. 3 LKWMautV bezogen auf die Fälle der Teilstornierung oder hinsichtlich der weiteren Regelungen etwa zur Antragsfrist, zur Zuständigkeit des Bundesamtes für Güterverkehr oder zur Zulässigkeit der verbindlichen Vorgabe eines Antragsmusters in Zweifel zu ziehen. Da im vorliegenden Fall feststeht, dass die versehentlich gebuchte Fahrt nicht durchgeführt wurde und das schriftliche Erstattungsbegehren nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Gültigkeitszeitraums der Fehlbuchung beim Bundesamt für Güterverkehr eingegangen ist, steht dem Kläger auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 Satz 1 ABMG ein Anspruch auf vollständige Erstattung der entrichteten Maut zu.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Juni 2011 – 9 C 5.10

  1. vgl. § 4 Abs. 2 ABMG[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 04.08.2010 a.a.O. Rn. 6 und 13[]
  3. vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.06.1974 – 2 BvF 2, 3/73, BVerfGE 37, 363, 390[]
  4. vgl. BVerfG, Urteil vom 13.12.1961 – 1 BvR 1137/59, 278/60, BVerfGE 13, 248, 255, 257 und Beschlüsse vom 23.07.1963 – 1 BvR 265/62, BVerfGE 16, 332, 339 sowie vom 08.06.1977 – 2 BvR 499/74 und 1042/75, BVerfGE 45, 142, 162 f.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 03.11.1988 – 7 C 115.86, BVerwGE 80, 355, 370[]