Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertagesstätte

Für die Rücknahme oder den Widerruf einer Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche betreut werden oder Unterkunft erhalten (hier: Kindertagesstätte), setzt § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII eine konkrete Gefahr für das Wohl des Kindes, und zwar für das körperliche, geistige oder seelische Wohl voraus. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt nicht schon dann vor, wenn nach Erteilung der Betriebserlaubnis die Voraussetzungen für die Erteilung nach § 45 Abs. 2 SGB VIII nachträglich wegfallen.

Widerruf der Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertagesstätte

Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII ist eine Betriebserlaubnis für eine Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztätig oder für den Teil eines Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII), zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn das Wohl der Kinder oder Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet ist und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden. Eine Gefährdung des Kindeswohl im Sinne dieser Vorschrift setzt eine konkrete Gefahr, die sich am Maßstab des § 1666 BGB zu orientieren hat, voraus.

§ 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII setzt eine konkrete Gefahr für das Wohl des Kindes, und zwar für das körperliche, geistige und seelische Wohl voraus. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt nicht schon dann vor, wenn nach Erteilung der Betriebserlaubnis die Voraussetzungen für die Erteilung nach § 45 Abs. 2 SGB VIII nachträglich wegfallen.

Der Gesetzgeber hat in § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII den Widerruf der Betriebserlaubnis davon abhängig gemacht, dass das Kindeswohl gefährdet ist. Damit hat er für ein Eingreifen der Aufsichtsbehörde auf den allgemeinen polizeirechtlichen Gefahrenbegriff abgestellt und zwar – da insoweit keine nähere Bestimmung erfolgt ist – auf den einer konkreten Gefahr. Danach setzt eine Gefahr eine Sachlage voraus, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird1.

Eine Gefährdung des Kindeswohls besteht indes nicht schon dann, wenn (nur) nachträglich die Voraussetzungen für die Erteilung der Betriebserlaubnis entfallen sind. Gegen eine solche Auslegung spricht der bereits erwähnte Wortlaut der Vorschrift. § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII nennt als Voraussetzung für die Rücknahme oder den Widerruf der Betriebserlaubnis ausdrücklich die „Gefährdung“ des Kindeswohls, während für die Erteilung der Betriebserlaubnis in § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII maßgeblich ist, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung „gewährleistet“ ist. Danach reicht es für die Nichterteilung einer Betriebserlaubnis bereits aus, dass unter dem Blickwinkel einer Gefahrenvorsorge Bedenken dahingehend bestehen, dass in der Einrichtung das Wohl von Kindern und Jugendlichen Schaden nehmen könnte. Entsprechend nimmt auch § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII nicht Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB VIII und knüpft daher gerade nicht an diese als mögliche Aufhebungsgründe an. Da der Wegfall der Erlaubnisvoraussetzungen in anderen Rechtsbereichen durchaus eine nachträgliche Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsakts zulässt (vgl. nur § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG), kann diese fehlende Verknüpfung nicht als redaktionelles Versehen des Gesetzgebers angesehen werden2. Weiter spricht für eine solche Auslegung, dass es in der Begründung zum Gesetzentwurf zu § 44 SGB VIII (jetzt § 45 SGB VIII) vom 01.12.19893, in dem für Kinder- und Jugendeinrichtungen erstmals ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt geschaffen wurde, heißt, dass bereits im Rahmen des Erlaubniserteilungsverfahrens „möglichen“ Gefahren begegnet werden soll4. Der Erlaubnisvorbehalt soll bereits der präventiven Abwehr von Gefahren dienen5. Darüber hinaus sprechen auch die in § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII vorgesehene gebundene Entscheidung („ist zurückzunehmen oder zu widerrufen“) und der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in Satz 2 der Norm für die vorliegende Interpretation, nach der an die Maßnahmen wegen der damit für den Betreiber einer Einrichtung verbundenen gravierenden Folgen hohe Anforderungen zu stellen sind.

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Mit dem Begriff des Kindeswohls knüpft der Gesetzgeber an § 1666 BGB an, der sich auf das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes erstreckt. Diese Anknüpfung bedeutet indes nicht, dass für ein Eingreifen der Aufsichtsbehörde nach § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII dieselben strengen Maßstäbe zu stellen sind, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Maßnahmen des Familiengerichts zu fordern sind. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt6. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit familiengerichtlicher Maßnahmen bei der Gefährdung des Kindeswohls erklärt sich aus der hohen Bedeutung des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 geschützten Elternrechts, in das nur soweit eingegriffen werden darf, als es wegen der konkreten Gefährdung des Kindeswohls unerlässlich ist7. Dagegen stellt der Widerruf der Betriebserlaubnis für eine Kindertageseinrichtung einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Auch wenn man – was hier offen bleiben kann – im Widerruf der Betriebserlaubnis einen Eingriff in die Berufswahlfreiheit sehen wollte, wäre ein solcher Eingriff zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft8. Für Maßnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII ausreichend, aber auch erforderlich ist demnach das Bestehen einer konkreten Gefahr für das Kindeswohl im oben beschriebenen Sinne. Eine derartige liegt danach vor, wenn aufgrund von Tatsachen im Einzelfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes Schaden nehmen wird. Dabei ist unerheblich, ob diese Gefahr durch ein Verschulden des Einrichtungsträgers oder seiner Bediensteten selbst verursacht wird9.

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Eine konkrete Gefahr für das Kindeswohl kann vorliegend nicht festgestellt werden. Sie lässt sich derzeit weder aufgrund der hohen Personalfluktuation auf Seiten der Antragstellerin noch aufgrund von Eingriffen der Antragstellerin in die pädagogische Arbeit, einer Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Eltern oder des Fehlens einer pädagogischen Leitungskraft begründen.

Eine konkrete Gefahr für das Kindeswohl im Sinne des § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII durch die hohe Personalfluktuation in der Einrichtung der Antragstellerin ist derzeit nicht erkennbar.

Zwar können psychische Folgen wie Bindungsängste und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern, die das Jugendamt und das Verwaltungsgericht durch den häufigen Personalwechsel bei der Antragstellerin befürchten, durchaus Schäden sein, denen durch einen Widerruf der Betriebserlaubnis begegnet werden muss. Ebenso können grundsätzlich unzuträgliche Personalverhältnisse zu einem Schaden bei Kindern führen10.

Es ist jedoch nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht ersichtlich, dass durch den häufigen Wechsel des Personals die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das körperliche, geistige oder seelische Wohl der in der Einrichtung der Antragstellerin betreuten Kinder Schaden nimmt, indem es dadurch zu Bindungsängsten, Entwicklungsverzögerungen oder vergleichbaren Schädigungen kommt.

Zwar empfiehlt die „Deutsche Liga für das Kind“ in ihren „Eckpunkten guter Qualität in der Krippe“ die kontinuierliche Begleitung des Kindes in der Einrichtung durch eine Bezugserzieherin. Die „Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie“ berichtet von nachteiligen Auswirkungen bei der Störung der Bindung zu sekundären Bezugspersonen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter benennt in ihrem Positionspapier „Flexible Angebotsformen der Kindertagesbetreuung“ Verlässlichkeit in den Strukturen und Beziehungspersonen als Bedürfnisse von Kindern. In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebenen Studie „Auf den Anfang kommt es an: Perspektiven für eine Neuorientierung frühkindlicher Bildung“ wird unter Bezugnahme auf andere Publikationen der pädagogischen Wissenschaft u.a. auf S. 47 ausgeführt, dass Kinder, die bis zum Alter von vier Jahren eine kontinuierliche Betreuung erfahren hätten, weniger aggressive Verhaltensweisen zeigten als Gleichaltrige, die zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat einen Wechsel erlebt hätten. Zu den Faktoren, die sich auf die Interaktionsqualität zwischen Erzieherin und Kind auswirke, zähle auch ein häufiger Wechsel in der Mitarbeiterschaft. Die Folge sei geringere Bindungssicherheit, weniger elaboriertes Sprachverhalten und Zurückbleiben in der sprachlichen Entwicklung.

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In diesen Untersuchungen und Publikationen wird jeweils nachvollziehbar dargelegt, dass es im Sinne einer guten bis optimalen Betreuung von Kleinkindern sinnvoll ist, dass zwischen diesen und ihren Betreuern eine möglichst langfristige Bindung zustande kommt, während sich der Wechsel von Bezugspersonen in der Tagespflege nachteilig auf die Entwicklung der Kinder auswirken kann. Die Konstanz im Personalbereich stellt mithin ein Qualitätsmerkmal einer solchen Einrichtung dar. Doch darüber hinaus wird die Qualität der Kindertageseinrichtung jedoch von vielen weiteren Parametern bestimmt. Hierzu zählen u.a. die fachliche Kompetenz der Betreuungspersonen, die räumliche und sachliche Ausstattung, die Verpflegung und auch der Standort der Einrichtung. Ebenso wie bei Schulen und auch anderen Jugendeinrichtungen dürfte es bei Kindertageseinrichtungen vielfältige Abstufungen in der Qualität geben. Je höher die Qualität einer Einrichtung, desto besser ist die zu erwartende Betreuung, und entsprechend vorzugswürdig ist die Unterbringung eines Kindes in einer solchen Einrichtung. Allein aus der Tatsache, dass z. B. in einer Einrichtung oder einer Schule weniger qualifiziertes Personal tätig oder die Raumsituation verbesserungsbedürftig ist, folgt zunächst nur, dass die Betreuung nicht optimal ist. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass den Kindern dort Schäden drohen. Deshalb ist im Einzelfall zu ermitteln, ob die Qualitätseinbußen so gravierend sind, dass durch den Betrieb einer Kindertageseinrichtung der Eintritt eines Schadens für das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes tatsächlich wahrscheinlich ist.

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Dies ist unter Berücksichtigung der vorliegenden Gesamtumstände und den von der Antragsgegnerin zur Bejahung der Kindeswohlgefährdung herangezogenen Publikationen für den Fall einer erhöhten Personalfluktuation bislang jedoch nicht ersichtlich. Aus der Tatsache, dass längerfristige Bindungen zwischen Kleinkindern und ihren Bezugspersonen in einer Einrichtung wünschenswert sind und deshalb übereinstimmend von der „Deutschen Liga für das Kind“, Edith Ostermayer, der „Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit“ und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter durchgehend empfohlen werden, folgt im Umkehrschluss noch nicht zwingend, dass das mit dem Wechsel der Bezugspersonen in der Tagespflege einhergehende Fehlen einer langfristigen Bindung eine konkrete Gefahr für das Kindeswohl darstellt. Dies gilt auch hinsichtlich der Ausführungen in dem Fachbeitrag von Dr. Susanne Viernickel und Jutta Sechtig. Eine stabile emotionale Beziehung zwischen einem Kleinkind und seiner Bezugsperson in einer Kindertagesstätte stellt eine bessere Grundlage für die Kommunikation, Interaktion und sprachliches Lernen dar. Dass eine weniger stabile Beziehung zu Bindungsängsten, Entwicklungsverzögerungen oder ähnlichen Schädigungen führt, ist dadurch indes nicht belegt. Soweit von der „Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie“ und in der Studie „Auf den Anfang kommt es an“ unter Bezugnahme auf weitere Veröffentlichungen in der pädagogischen Wissenschaft11 nachteilige Folgen für die betreuten Kinder im Falle eines häufigen Personalwechsels beschrieben werden (aggressivere Verhaltensweisen, geringere Bindungssicherheit, weniger elaboriertes Sprachverhalten und Zurückbleiben in der sprachlichen Entwicklung), geht es ebenfalls um die Beschreibung der Folgen einer nicht optimalen Betreuung. Eine geringere Bindungssicherheit bedeutet aber nicht zwingend Bindungsangst und ein weniger elaboriertes Sprachverhalten ist nicht von vornherein mit einer schädlichen Entwicklungsverzögerung gleichzusetzen. Auch aus der von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren in Bezug genommenen Studie der University of Wisconsin-Madison, nach der Stress in der frühen Kindheit bei jungen Frauen zu einer erhöhten Anfälligkeit für Angsterkrankungen und Depressionen führt, folgt nicht mit der zu fordernden Wahrscheinlichkeit, dass eine erhöhte Personalfluktuation zu entsprechenden Schäden führt, weil nicht belegt wird, dass ein häufiger Personalwechsel den entsprechenden Stress auslöst. Ob sich ein entsprechender Zusammenhang zwischen der Personalfluktuation in der Einrichtung der Antragstellerin und einer Gefahr für das Kindeswohl herstellen lässt, wird demnach gegebenenfalls im Widerspruchsverfahren aufzuklären sein. Dabei wird auch der Frage nachzugehen sein, ob die in der Einrichtung der Antragstellerin betreuten Kinder nicht jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt mit der seit November 2011 beschäftigten Frau I. und der seit September 2012 beschäftigten Frau M. , die beide angegeben haben, längerfristig in der Kindertagesstätte tätig sein zu wollen, vertraute Bezugspersonen haben und künftig voraussichtlich weiterhin haben werden.

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Auch die der Antragstellerin von der Antragsgegnerin vorgeworfenen Eingriffe in die pädagogische Arbeit vermögen eine Gefährdung des Kindeswohls nicht zu begründen.

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Bescheid zur Begründung ihres Vorwurfs aus der über 1600 Seiten umfangreichen, die Einrichtung der Antragstellerin betreffenden Sachakte insgesamt vier Einzelfälle herausgehoben, die belegen sollen, dass die Antragstellerin durch Eingriffe in die pädagogische Arbeit das Wohl der bei ihr betreuten Kinder gefährdet hat. Dabei hat sich die Antragsgegnerin auf die Aussagen ehemaliger Mitarbeiter der Antragstellerin gestützt. Aus diesen Vorwürfen, denen die Antragstellerin – soweit sie durch die Antragsgegnerin damit konfrontiert wurde – substantiiert entgegengetreten ist, lässt sich eine Gefährdung des Kindeswohls nicht (mehr) ableiten. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt, die z. T. schon länger zurückliegen und der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe im Widerspruchsverfahren aufgeklärt werden müsste, könnte der Widerruf hierauf nur gestützt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich derartige Vorkommnisse wiederholen würden. Derartige Anhaltspunkte bestehen derzeit jedoch nicht. Zum einen hat die Antragstellerin mittlerweile ihr Büro aus der Einrichtung verlegt und ihre Anwesenheitszeiten in der Einrichtung daher verringert. Zum anderen ist von der Antragstellerin auch ein neues pädagogisches Konzept vorgelegt worden, aus dem sich ergibt, dass die pädagogischen Belange sämtlich in die Hände der beschäftigten Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen gelegt werden. Darüber hinaus hat die seit November 2001 bei der Antragstellerin beschäftigte Fachkraft Frau I. schriftlich bestätigt, dass sich die Antragstellerin nicht in die pädagogische Belange einmische, sondern dass sie – Frau I. – mit ihrer Kollegin allein über pädagogische Fragen entscheide. Auch der schriftlichen Äußerung der seit September 2012 bei der Antragstellerin beschäftigten Frau M. lässt sich nicht entnehmen, dass von Seiten der Antragstellerin in pädagogische Belange eingegriffen wird.

Soweit die Antragsgegnerin meint, das Verhalten der Antragstellerin habe zu der hohen Personalfluktuation geführt und begründe schon deshalb den Vorwurf der Kindeswohlgefährdung, ist ebenfalls im Widerspruchsverfahren aufzuklären, ob hierdurch konkrete Gefährdungen für die betreuten Kinder eingetreten sind und erneut auftreten können. Die Tatsache des häufigen Personalwechsels allein reicht nach den Ausführungen unter a)) für diese Annahme jedenfalls nicht aus.

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Soweit sich die Antragsgegnerin auf eine mögliche gestörte Zusammenarbeit zwischen der Antragstellerin und den Eltern der Kinder als Widerrufsgrund bezieht, liegt hierin ebenfalls keine Gefährdung des Kindeswohls nach § 45 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Betreiberin einer Kindertagesstätte, den dort beschäftigten pädagogischen Mitarbeitern und den Eltern ist sicher sinnvoll für die betreuten Kinder und den Betrieb der Einrichtung. Dass Störungen in diesem Ablauf konkret dazu führen, dass die Kinder in ihrem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl gefährdet sein könnten, ist dagegen nicht ersichtlich.

Auch das Fehlen einer pädagogischen Leitungskraft führt nicht zu einem Widerrufsgrund. Selbst wenn für den Betrieb der Antragstellerin eine pädagogische Leitungskraft erforderlich sein sollte, ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar, dass ohne eine solche Kraft das Wohl der Kinder gefährdet sein könnte. Im Übrigen wäre ein hierauf gestützter Widerruf auch unverhältnismäßig. Bevor der Antragstellerin die Betriebserlaubnis nachträglich entzogen werden könnte, hätte die Antragsgegnerin als milderes Mittel der Antragstellerin zunächst nachträglich gem. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine entsprechende Auflage zu erteilen.

Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2012 – 4 Bs 248/12

  1. vgl. BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 – 6 CN 8/01, NVwZ 2003, 95, juris Rn. 32; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl., § 6, Rn. 3, 17[]
  2. in diesem Sinne aber Stähr in Hauck, SGB VIII, 51. Lief., § 45, Rn. 60; Mörnsberger in Wiesner, SGB VIII, § 45, Rn. 62; Mann in Schellhorn, SGB VIII, 4. Aufl., Rn. 37[]
  3. BT-DrS. 11/5948[]
  4. a.a.O., S. 83[]
  5. a.a.O., S. 84[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – XII ZB 247/11, NJW 2012, 151[]
  7. BGH, a.aO.[]
  8. vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.03.1997 – 1 BvR 327/97, Pharma Recht 1997, 298[]
  9. vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.01.2008 – 12 CS 07.3433[]
  10. vgl. hierzu OVG Berlin, Beschluss vom 17.12.1980 – 6 S 72/80, FEVS 29, 331[]
  11. Howes & Hamilton 1993, Helburn 1995, Kontos § Fiene 1987, Phillips et al.1987, Whitebook 1990[]

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