Im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 StVG müssen bei der Bewertung des Verschuldens eines Kindes „altersgemäße Maßstäbe“ berücksichtigt werden, so dass das Verschulden eines Kindes dem eines Erwachsenen grundsätzlich nicht gleich gesetzt werden kann, sondern geringer zu bewerten ist. Bei der Unfallbeteiligung eines Kindes tritt deshalb die Betriebsgefahr entsprechend ihrem Haftungszweck nur ausnahmsweise hinter dem Verschulden des Kindes zurück, wenn ein „auch altersspezifisch subjektiv besonders vorwerfbarer“ Sorgfaltsverstoß des Kindes vorliegt.

Im Rahmen der Abwägung gemäß § 9 StVG müssen bei der Bewertung des Verschuldens eines Kindes „altersgemäße Maßstäbe“ berücksichtigt werden, so dass das Verschulden eines Kindes dem eines Erwachsenen grundsätzlich nicht gleich gesetzt werden kann, sondern geringer zu bewerten ist.
Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es ausnahmsweise bei der Unfallbeteiligung eines Minderjährigen dann zu einem völligen Zurücktreten der Betriebsgefahr hinter das Verschulden kommen kann, wenn ein „altersspezifisch auch subjektiv besonders vorwerfbarer“ Sorgfaltsverstoß des Kindes bzw. Jugendlichen vorliegt, ihm objektiv und subjektiv ein so erhebliches Verschulden zur Last fällt, dass die Betriebsgefahr des Kfz als völlig untergeordnet erscheint [1]. Die Sorgfaltsanforderungen an Verkehrsteilnehmer ab 10 Jahre haben sich durch die Heraufsetzung der Altersgrenze seit dem 1. August 2002 nicht geändert [2].
Grundsätzlich ist aber im Rahmen der Abwägung der Zweck der Gefährdungshaftung zu berücksichtigen. Sinn der Haftung aus Betriebsgefahr ist es, die besonderen Gefahren des Straßenverkehrs auszugleichen. So weist der BGH in seiner Entscheidung vom 13.2.1990 [3] darauf hin: „Kinder sind durch den Betrieb von Kraftfahrzeugen wegen der fehlenden Eingewöhnung und Erfahrung im Straßenverkehr erheblich stärker gefährdet als Erwachsene. Entsprechend dem Haftungszweck der Gefährdungshaftung muss daher die Haftung für die Betriebsgefahr auch dieses bei Kindern erhöhte Risiko auffangen. In diesem Sinn ist der Umstand, dass ein Kind durch sein verkehrswidriges Verhalten mit zu dem Unfall beigetragen hat, haftungsrechtlich der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, wenn und soweit sich darin altersgemäß der Lern- und Eingewöhnungsprozess in die Gefahren des Straßenverkehrs niederschlägt […].“
Auch wenn im hier entschiedenen Fall die Geschädigte vorliegend die Altersgrenze des § 828 Abs. 2 BGB von 10 Jahren bereits überschritten hatte, ist, wie das Oberlandesgericht Saarbrücken [4] zutreffend ausgeführt hat, zu berücksichtigen, dass die kindlichen Eigenheiten – Impulsivität, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und gruppendynamisches Verhalten, die ein Kind an der hinreichenden Einschätzung der Gefahren des Straßenverkehrs hindern, „nicht gewissermaßen punktuell mit dem Erreichen des zehnten Lebensjahres abgestellt werden“. Daher ist bei der Bewertung von Verkehrsverstößen die altersbedingte Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen in die Bewertung einzubeziehen und vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass das verletzte Kind im Zeitpunkt des Unfalls die Altersgrenze des § 828 Abs. 2 BGB erst um 9 Monate überschritten hatte und der konkrete Sachverhalt ein alterstypisches Fehlverhalten erkennen lässt.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 20. Juni 2012 – 13 U 42/12