Abtretung künftiger Rentenansprüche – und die Insolvenzanfechtung

Die Abtretung künftiger Ruhegeldansprüche kann die Gläubiger unmittelbar benachteiligen. Geht einer Vollabtretung eine Sicherungsabtretung voraus, liegt die objektive Gläubigerbenachteiligung in dem Entzug des zunächst in der künftigen Insolvenzmasse verbleibenden Vermögenskerns1.

Abtretung künftiger Rentenansprüche – und die Insolvenzanfechtung

Die Abtretungen sind, soweit sie die erst drei Jahre nach Insolvenzeröffnung fällig werdenden Ruhegehaltsansprüche des Schuldners betreffen, gemäß § 114 Abs. 1 InsO in der nach § 103a EGInsO bis zum 30.11.2001 geltenden Fassung unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist die Abtretung von Bezügen aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge nur wirksam, soweit sie sich auf die Bezüge für die Zeit vor Ablauf von drei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Kalendermonats bezieht.

Die Vorschrift des § 114 Abs. 1 InsO erfasst regelmäßig auch die Versorgungsbezüge von Notaren außer Dienst oder anderen Selbständigen im Ruhestand. Grundsätzlich ist es für die Anwendung der Norm unerheblich, ob es um Bezüge aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit geht. Hiermit sind auch Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung2, Ruhegelder und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte3 sowie Betriebs- und Sozialrenten4 gemeint. Es gibt keinen Grund, dies für Ruhegehaltsansprüche eines Selbständigen, welcher als Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes einem eigenständigen Versorgungssystem unterliegt5, anders zu sehen.

Da das Insolvenzverfahren im Streitfall am 18.05.2001 eröffnet wurde, ist die Abtretung nur für die vor dem 1.06.2004 fälligen Ruhegehälter des Schuldners wirksam; für die Zeit danach folgt die Unwirksamkeit der Abtretung unmittelbar aus § 114 Abs. 1 InsO aF. Dabei verdrängt § 114 Abs. 1 InsO in seinem Anwendungsbereich die Vorschrift des § 91 Abs. 1 InsO6.

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Die Abtretung der vor dem 1.06.2004 fälligen Ruhegehälter vom 24.12.1999 ist anfechtbar. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass der Schuldner der Beklagten zu diesen Zeitpunkten Unterhalt in Höhe der abgetretenen Versorgungsanrechte schuldete und die Verfügung nicht unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO erfolgte, kann gemäß § 143 Abs. 1 InsO die Rückabtretung der abgetretenen Ruhegehaltsansprüche des Schuldners7 sowie die Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten Ruhegehälter8 von der Beklagten verlangt werden, weil die Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 2, § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliegen.

Durch die Abtretung vom 24.12.1999 hatte der Schuldner mit einer nahestehenden Person – seiner Ehefrau – einen entgeltlichen Vertrag während des von § 133 Abs. 2, § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO geschützten Zeitraums von zwei Jahren vor dem Eingang des Eröffnungsantrags am 29.11.2000 geschlossen. Wenn sich der Schuldner durch die Abtretung von Ruhegehaltsansprüchen von seiner Unterhaltsschuld gegenüber der Beklagten befreit hat, ist auch die Voraussetzung der Entgeltlichkeit erfüllt. Denn als entgeltlich sind Verträge anzusehen, wenn der Leistung des Schuldners eine ausgleichende Zuwendung – etwa die Befreiung von einer Verbindlichkeit – der ihm nahe stehenden Person gegenübersteht und beide rechtlich voneinander abhängen9.

Die Abtretung führte auch zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 133 Abs. 2 InsO, denn sie beeinträchtigte die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger, indem die Aktivmasse verkürzt wurde10. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung des Schuldners die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubigergesamtheit unmittelbar verschlechterte, ohne dass weitere Umstände hätten hinzutreten müssen11.

Die Unmittelbarkeit der Gläubigerbenachteiligung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Abtretung der künftigen Ruhegehaltsansprüche erst mit dem Eintritt der Voraussetzungen für den Ruhegehaltsbezug, also ab dem Zeitpunkt seiner vorläufigen Amtsenthebung, für den Versorgungsempfänger spürbar wurde. Rentenanwartschaften, die bei Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht erstarken, stellen bereits einen eigenen Vermögenswert dar12. Die aus der Rentenanwartschaft erwachsenden künftigen Rentenansprüche sind pfändbar, unabhängig davon, ob sie schon bezogen werden oder nicht13. Mit ihren pfändbaren Anteilen gehören die künftigen Renten- oder Ruhegehaltsansprüche zur Insolvenzmasse (vgl. §§ 35, 36 Abs. 1 InsO) und ihre Abtretung an Dritte beeinträchtigt grundsätzlich ohne weiteres die Interessen der übrigen Gläubiger, die auf diesen Wert nicht mehr zugreifen können.

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Das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung kann auch nicht verneint werden, weil die Versorgungsansprüche des Schuldners nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zuvor durch die Sicherungsabtretung aus dem Jahre 1994 aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden wären. Die Sicherungsabtretung gewährte der Beklagten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 50 Abs. 1, § 51 Nr. 1 InsO nur ein Recht zur abgesonderten Befriedigung nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 InsO, ohne dass der Insolvenzmasse die wirtschaftliche Inhaberschaft der Forderungen entzogen worden wäre. Dieses der Insolvenzmasse verbleibende Recht verkörpert durchweg einen selbständigen, im Kern geschützten Vermögenswert14. Erst durch die spätere Vollabtretung ist dieser Vermögenswert aus dem Vermögen des Schuldners endgültig ausgeschieden und damit der Masse entzogen worden15.

Sowohl der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners werden im Falle der Gläubigerbenachteiligung durch den Vertrag widerleglich vermutet16. Die Beklagte hat diese gesetzliche Vermutung als Anfechtungsgegnerin nicht nach § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO hinreichend widerlegt. Sie trifft die volle Darlegungs- und Beweislast sowohl für die Behauptung, der Schuldner habe nicht mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, als auch für die von ihr behauptete fehlende Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners17. Dabei ist die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nur zu widerlegen, wenn auch feststeht, dass der Anfechtungsgegner weder die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners noch Umstände kannte, die zwingend auf diese hindeuteten18.

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Die vermuteten subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 133 Abs. 2 InsO, welche als innere Vorgänge nur schwer dem Beweise zugänglich sind, können regelmäßig nur mittelbar durch objektive Tatsachen widerlegt werden19. Dabei ist das Gericht allerdings nur dann zur Beweiserhebung verpflichtet, wenn konkrete Tatsachen dargetan werden, welche im Falle eines erbrachten Beweises Einfluss auf die Entscheidung haben, also erheblich sind20. Im Falle eines Indizienbeweises hat das Gericht zur Bejahung der Schlüssigkeit zu prüfen, ob die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien – ihre Richtigkeit unterstellt – das Gericht von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde21. Der Beweisantrag darf abgelehnt werden, wenn er sich auf ein Indiz bezieht, welches für sich allein und im Zusammenhang mit weiteren Indizien sowie dem sonstigen Sachverhalt für den Richter nach seiner Lebenserfahrung nicht den ausreichend sicheren Schluss auf die beweisbedürftige Haupttatsache zulässt22.

Angesichts dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht mit Recht von einer Beweiserhebung zum subjektiven Tatbestand des § 133 Abs. 2 InsO abgesehen. Die Beklagte hat zwar unter Benennung von Zeugen vorgetragen, der Schuldner sei Teilhaber einer Notarsozietät in München mit höchsten Umsätzen und Gewinnen gewesen und habe bis zum 30.04.2001 stets auf die Bereitschaft eines großen Kreditinstituts setzen können, ihm in ausreichenden Umfange Kredit zu gewähren; der Ehemann habe also bei Abschluss der Abtretungsvereinbarung nicht mit dem Vorsatz gehandelt, andere Gläubiger zu benachteiligen, sondern habe nur familienrechtliche Ansprüche sichern wollen. Diese Argumentation widerlegt jedoch nicht, dass der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger – sei es auch nur als unvermeidliche Nebenfolge seiner Rechtshandlung – zur Verwirklichung seines eigenen Ziels erkannt und hingenommen hat, was für die Annahme des Benachteiligungsvorsatzes ausreichend ist23. Es genügt, dass der Schuldner es für möglich hält, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann24.

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Ebenso fehlt konkreter Vortrag der Beklagten zu ihrer Unkenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Mit ihrer Behauptung, von der Vermögenssituation und den Einkommensverhältnissen des in Deutschland tätigen Schuldners keine Vorstellung gehabt zu haben, zumal sie ihn von Mitte November 1998 bis Mai 2001 aufgrund ihres Lebensmittelpunktes in Italien nur am Wochenende gesehen habe, genügt sie den Anforderungen an ihre Darlegungslast nicht. Zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte selbst vorgetragen hat, der Schuldner habe bei ihr bis Mitte August 1998 beträchtliche Unterhaltsrückstände in fünf Jahren angesammelt. Zur Abgeltung eines Teilbetrages von 350.000 DM habe er ihr am 16.09.1998 sein Ferienhaus in Frankreich übertragen; es sei noch ein Unterhaltsrückstand von 350.000 DM verblieben. Ferner seien der Beklagten erhebliche Prozess- und Vollstreckungskosten in Rechtsstreitigkeiten entstanden, welche auf Veranlassung des Schuldners von ihr geführt worden seien. Diese teilweise bereits ab dem 16.12.1997 titulierten Kosten habe der Schuldner nur teilweise erstatten können; im Übrigen seien sie zu ihren Lasten gegangen. Im Hinblick auf diese von der Beklagten vorgetragene Höhe und Dauer der Zahlungsrückstände des Schuldners kannte sie sogar Tatsachen, die in ihrer Gesamtheit die Schlussfolgerung nahelegten, dem Schuldner drohe die Zahlungsunfähigkeit25. Andere Gründe für die unterlassene Tilgung der Rückstände oder Anzeichen dafür, dass sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners bis Ende 1999 aus Sicht der Beklagten wieder verbessert hatte, sind nicht vorgetragen worden.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 130/10

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 29.03.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 Rn. 26[]
  2. BGH, Beschluss vom 24.03.2011 – IX ZB 217/08, ZInsO 2011, 812 Rn. 8; Moll in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2009, § 114 Rn. 22; MünchKomm-InsO/Löwisch/Caspers, 2. Aufl., § 114 Rn. 14; Uhlenbruck/Berscheid/Ries, InsO, 13. Aufl., § 114 Rn. 10; Graf-Schlicker/Pöhlmann, InsO, 3. Aufl., § 114 Rn. 9[]
  3. Nerlich/Römermann/Kießner, InsO, 2008, § 114 Rn. 23[]
  4. Moll in Kübler/Prütting/Bork, aaO Rn. 22[]
  5. vgl. Esser/Prossliner, NZI 2002, 647, 648[]
  6. BGH, Urteil vom 11.05.2006, aaO Rn. 9 ff mwN; MünchKomm-InsO/Löwisch/Caspers, aaO Rn. 2; Nerlich/Römermann/Kießner, aaO Rn. 36; Moll in Kübler/Prütting/Bork, aaO Rn. 12; Hergenröder in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 114 Rn. 1; HK-InsO/Linck, 6. Aufl., § 114 Rn. 1[]
  7. vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 143 Rn. 15[]
  8. vgl. Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 812 Rn. 93[]
  9. HK-InsO/Kreft, aaO § 133 Rn. 26[]
  10. vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 129 Rn. 37[]
  11. BGH, Urteil vom 19.05.2009 – IX ZR 129/06, ZInsO 2009, 1249 Rn. 18; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2008, § 129 Rn. 91; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO § 129 Rn. 66 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 113[]
  12. vgl. BVerfGE 53, 257, 289 ff; Mai, Die Insolvenz des Freiberuflers, S. 78; Esser/Prossliner, NZI 2002, 647, 650[]
  13. BGH, Beschluss vom 21.11.2002 – IX ZB 85/02, ZInsO 2003, 330, 331; vom 10.10.2003 – IXa ZB 180/03, NJW 2003, 3774, 3775[]
  14. BGH, Urteil vom 05.04.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233, 239; vom 09.10.2003 – IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2372; vom 29.03.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126 Rn. 26[]
  15. vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2003, aaO; vom 29.03.2007, aaO; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 129 Rn. 154[]
  16. vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 133 Rn. 27[]
  17. vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2010 – IX ZR 58/09, ZInsO 2010, 1489 Rn. 11[]
  18. vgl. Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 132 Rn. 553; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 133 Rn. 47[]
  19. BGH, Urteil vom 01.07.2010, aaO Rn. 16; vom 08.12.2011 – IX ZR 156/09, ZIP 2012, 137 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO Rn. 23[]
  20. vgl. HkZPO/Saenger, aaO § 284 Rn. 50[]
  21. BGH, Urteil vom 17.02.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 261; vom 25.11.1992 – XII ZR 179/91, NJW-RR 1993, 443, 444; HkZPO/Saenger, aaO § 284 Rn. 26[]
  22. BGH, Urteil vom 17.02.1970, aaO; vom 01.07.2010, aaO[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 32; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO § 133 Rn. 9; HK-InsO/Kreft, aaO § 133 Rn. 9 jeweils mwN[]
  24. vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2007 – IX ZR 97/06, ZInsO 2007, 819 Rn. 8[]
  25. vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2004 – IX ZR 318/01, ZIP 2004, 669, 671[]
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