Äußerungen im Anwaltsschreiben – und der Unterlassungsanspruch

Einem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, die darauf gerichtet ist, dem Beklagten zu untersagen, die in einem Anwaltsschreiben enthaltenen Behauptungen aufzustellen oder verbreiten zu lassen. Hierfür kann offenbleiben, ob die Äußerungen ehrverletzenden Charakter haben und ob insoweit ein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB (analog) oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB in Betracht kommen könnte.

Äußerungen im Anwaltsschreiben – und der Unterlassungsanspruch

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage nicht nur in Fällen fehlt, in denen Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren untersagt werden sollen. Privilegiert sind grundsätzlich auch Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder verteidigung in einem behördlichen Verfahren dienen oder die im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen1. Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit nicht zwingende rechtliche Grenzen entgegenstehen, vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten2.

Der Umstand, dass die Äußerungen in einem Rechtsanwaltsschreiben enthalten sind, kann für die rechtliche Beurteilung des Unterlassungsanspruchs relevant sein3.

So auch in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall: Die Äußerungen stehen im Zusammenhang mit dem von dem Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen des streitgegenständlichen Vorfalls und sind – erkennbar – vorsorglich im Hinblick auf mögliche weitere rechtliche Auseinandersetzungen erfolgt, wozu auch die gerichtliche Geltendmachung der Abmahnkosten durch den Kläger gehört. Ob die Ausführungen in dem Begleitschreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten rechtlich tragfähig sind oder nicht – so die Ansicht des Klägers – ist unerheblich. Es genügt, dass der Beklagte die Ausführungen für die Rechtsverteidigung für erforderlich hielt.

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Ein Ausnahmefall, bei dem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Äußerungsprivileg nicht eingreift, wird von dem Berufungsgericht zutreffend verneint. In Betracht kommt ein solcher Ausnahmefall, wenn eine ehrverletzende Äußerung in einem Rundschreiben oder in einer außergerichtlichen Kampagne oder Dritten gegenüber getätigt wird4. Hier ist das Anwaltsschreiben, in dem die Äußerung enthalten ist, aber ausschließlich an den Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten adressiert worden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. September 2023 – V ZR 254/22

  1. vgl. nur BGH, Urteil vom 19.07.2012 – I ZR 105/11, VersR 2013, 601 Rn.20 mwN; siehe auch Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03, NJW 2005, 279, 280[]
  2. BGH, Urteil vom 19.07.2012 – I ZR 105/11, VersR 2013, 601 Rn. 16[]
  3. BGH, Beschluss vom 16.11.2021 – VI ZB 58/20, VersR 2022, 456 Rn. 12[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03, MDR 2005, 507 f.[]

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