Der Bundesgerichtshof hat der Klage des SV Wilhelmshaven e.V. gegen den Norddeutschen Fußballverband e.V. wegen der Anordnung eines Zwangsabstiegs stattgegeben und dabei über die Grenzen der Disziplinarbefugnis eines Vereins entschieden:

Was war geschehen?[↑]
Der SV Wilhelmshaven, der SV Wilhelmshaven e.V., begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses des Norddeutsche Fußballverbandn, des Norddeutschen Fußballverbands e.V., mit dem dieser den Zwangsabstieg der 1. Fußballmannschaft (Herren) des SV Wilhelmshaven zum Ende der Spielzeit 2013/14 aus der Regionalliga Nord verfügt hat.
Der Norddeutsche Fußballverband ist Mitglied des Deutschen Fußballbunds e.V. (DFB), der wiederum Mitglied der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist. Nach dem Reglement der FIFA „bezüglich Status und Transfer von Spielern“ ist von einem Verein, der einen Spieler eines anderen Vereins übernimmt, im Rahmen bestimmter Altersgrenzen eine Entschädigung für die Ausbildung des Spielers zu zahlen. Der SV Wilhelmshaven hatte vom 29.01.bis zum 30.06.2007 für seine damalige Regionalligamannschaft einen 1987 geborenen Fußballspieler mit (jedenfalls auch) italienischer Staatsangehörigkeit verpflichtet, der zuvor bei zwei argentinischen Fußballvereinen gespielt hatte. Auf Antrag der beiden argentinischen Vereine setzte die zuständige Kammer der FIFA im Dezember 2008 Ausbildungsentschädigungen in Höhe von insgesamt 157.500 € gegen den SV Wilhelmshaven fest. Dagegen rief der SV Wilhelmshaven den Court of Arbitration for Sports (CAS) an. Dieser bestätigte die Ausbildungsentschädigungen. Da der SV Wilhelmshaven die Entschädigungen trotz Verhängung einer Geldstrafe, Gewährung einer letzten Zahlungsfrist und Abzugs von Punkten in der Ligameisterschaft nicht an die beiden argentinischen Vereine zahlte, sprach die Disziplinarkommission der FIFA am 5.10.2012 den Zwangsabstieg der 1. Fußballmannschaft (Herren) des SV Wilhelmshaven aus. Nach der Bestätigung dieser Maßnahme durch den wiederum vom SV Wilhelmshaven angerufenen CAS forderte die FIFA den Deutschen Fußballbund (DFB) auf, den Zwangsabstieg umzusetzen. Der DFB reichte diese Bitte an den NFV weiter, dessen Präsidium beschloss sodann den Zwangsabstieg. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des SV Wilhelmshaven wies das Verbandsgericht des NFV zurück.
Die gegen den Zwangsabstieg zum Ende der Spielzeit 2013/14 gerichtete Klage blieb erstinstanzlich beim hiermit befassten Landgericht Bremen ohne Erfolg1. Dagegen hat auf die Berufung des SV Wilhelmshaven das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen festgestellt, dass der Beschluss des NFV, mit dem der Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven verfügt wurde, unwirksam ist2.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs[↑]
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen im Ergebnis bestätigt.
Dabei konnte er die vom OLG Bremen bejahte Frage offen lassen, ob der Abstiegsbeschluss gegen das Recht der Fußballspieler auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV verstößt. Denn jedenfalls ist der Beschluss nach Ansicht des Bundesgerichtshofs schon deshalb nichtig, weil er in das Mitgliedschaftsverhältnis des Fußballvereins zu seinem Verband – hier also des SV Wilhelmshaven zum Norddeutschen Fußballverband – eingreift, ohne dass dafür eine ausreichende Grundlage vorhanden ist.
FIFA-Regeln – und die vereinsrechtliche Disziplinarstrafen[↑]
Eine vereinsrechtliche Disziplinarstrafe darf verhängt werden, wenn sie in der Satzung des Vereins vorgesehen ist. Dabei muss die Regelung eindeutig sein, damit die Mitglieder des Vereins die ihnen eventuell drohenden Rechtsnachteile erkennen und entscheiden können, ob sie diese hinnehmen oder ihr Verhalten entsprechend einrichten wollen. Eine derartige Grundlage fehlt in der Satzung des Norddeutsche Fußballverbandn, soweit es um Disziplinarstrafen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen geht. Ob sich aus den Satzungen des DFB oder der FIFA entsprechende Bestimmungen ergeben, ist ohne Belang. Maßgebend ist allein die Satzung des Norddeutsche Fußballverbandn. Denn der SV Wilhelmshaven ist nur Mitglied des Norddeutsche Fußballverbandn, nicht auch des DFB oder gar der FIFA. Regeln eines übergeordneten Verbands – wie hier der FIFA – gelten grundsätzlich nur für dessen Mitglieder. Sie erstrecken sich nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft eines nachgeordneten Vereins – hier des NFV – in dem übergeordneten Verband auf die Mitglieder des nachgeordneten Vereins – hier den SV Wilhelmshaven. Damit ist der Beschluss über den Zwangsabstieg allein an der Satzung des NFV zu messen. Diese Satzung verweist hinsichtlich von Disziplinarmaßnahmen bei Nichtzahlung von Ausbildungsentschädigungen auch nicht auf die Bestimmungen in den Regelwerken des DFB oder der FIFA. Damit hat der Norddeutsche Fußballverband nicht, wie die Revision anführt, ähnlich einem Gerichtsvollzieher nur die Entscheidung des DFB und der FIFA vollzogen, ohne sie selbst zu verantworten. Er hat vielmehr eine eigene vereinsrechtliche Disziplinarstrafe auf der Grundlage des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen ihm und dem SV Wilhelmshaven verhängt. Dass damit die Anordnung der FIFA-Disziplinarkommission umgesetzt werden sollte, ist unerheblich.
Der SV Wilhelmshaven hat sich auch nicht auf andere Weise einer Sanktion in Form des Zwangsabstiegs wegen der Nichtzahlung der nach dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern angefallenen Ausbildungsentschädigungen unterworfen. Er hat zwar mit dem DFB einen „Zulassungsvertrag Regionalliga“ über die Teilnahme an der Regionalliga geschlossen. Ob er damit das Reglement der FIFA bezüglich Status und Transfer von Spielern anerkannt hat, konnte aber offen bleiben. Denn es ging in dem vorliegenden Verfahren nicht darum zu entscheiden, ob der SV Wilhelmshaven die Ausbildungsentschädigung aufgrund der Festsetzung der FIFA und des ersten Schiedsspruchs des CAS zahlen muss, was ggf. in einem auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gerichteten Verfahrens zu klären wäre. Allein entscheidend war hier vielmehr die Frage, ob der SV Wilhelmshaven bei Nichtzahlung mit einem Zwangsabstieg bestraft werden kann. Dafür hätte es einer ausreichend deutlichen Ermächtigung bedurft, die auch in dem Zulassungsvertrag nicht enthalten war. Ebenso wenig genügt die bloße Teilnahme an der Regionalliga, um eine Unterwerfung unter eine Zwangsabstiegsentscheidung des NFV wegen Nichtzahlung der von der FIFA festgesetzten Ausbildungsentschädigungen annehmen zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3 gelten die von dem veranstaltenden Sportverband aufgestellten Wettkampfregeln ohne weiteres für alle Wettkampfteilnehmer, weil anders ein geordneter Wettkampfbetrieb nicht möglich wäre. Die Regeln über die Ausbildungsentschädigung sind aber keine Wettkampfregeln in diesem Sinne. Der argentinische Spieler durfte vielmehr antreten, obwohl für ihn die Ausbildungsentschädigung nicht gezahlt worden war.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. September 2016 – – II ZR 25/15
- LG Bremen, Urteil vom 25.04.2014 – 12 O 129/13[↩]
- OLG Bremen, Urteil vom 30.12.2014 – 2 U 67/14[↩]
- BGH, Urteil vom 28.11.1994 – II ZR 11/94, BGHZ 128, 93[↩]
Bildnachweis:
- Fußball: Michal Jarmoluk | CC0 1.0 Universal