Anfechtung eines Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung – nach Verkauf des Mietshauses

Der in den Mietvertrag nach § 566 BGB eingetretene Erwerber kann nur gemeinsam mit dem vom Mieter bei Vertragsschluss getäuschten Veräußerer die Anfechtung des Mietvertrags nach § 123 Abs. 1 BGB erklären. Das Anfechtungsrecht des Veräußerers gemäß § 123 Abs.1 BGB kann nicht an den Erwerber abgetreten werden.

Anfechtung eines Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung – nach Verkauf des Mietshauses

Dabei konnte es das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg in dem vom ihm entschiedenen Räumungsrechtsstreit dahinstehen lassen, ob die Äußerungen der Mieterin bei den Vertragsverhandlungen mit der Voreigentümerin bzw. die fehlende Aufklärung darüber, dass sie – unter Zugrundelegung des Vortrags der Hauskäuferin – in den Mieträumen keinen Wacken Store, sondern einen Headshop betreiben werde, in objektiver und subjektiver Sicht die Voraussetzungen für die Annahme einer arglistigen Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB erfüllen. Denn maßgeblich ist, dass die etwaige arglistige Täuschung der Mieterin nicht gegenüber der Hausküuferin, sondern gegenüber der Voreigentümerin begangen worden wäre. Zur Anfechtung berechtigt ist grundsätzlich derjenige, der die anfechtbare Willenserklärung – hier die zum Abschluss des Mietvertrages führende Erklärung – abgegeben hat. Dies war hier die Voreigentümerin. Eine Anfechtungserklärung der Voreigentümerin liegt jedoch nicht vor. Auch die Erteilung einer Ermächtigung der Voreigentümerin zur Anfechtung durch die Hauskäuferin ist nicht vorgetragen worden.

Ob und ggf. inwieweit das Anfechtungsrecht des Veräußerers eines vermieteten Grundstücks auf den Erwerber übergeht, wird nicht einheitlich beurteilt. Nach einer Auffassung kommt ein Übergang des Anfechtungsrechts des Veräußerers auf den nach § 566 BGB in das Mietverhältnis eintretenden Erwerber generell nicht in Betracht, weil der Erwerber nicht allein von der Anfechtung betroffen wird1. Nach anderer Auffassung bestehen gegen einen uneingeschränkten Übergang des Anfechtungsrechts auf den Erwerber des vermieteten Grundstücks keine Bedenken, wenn man den Rechtsübergang gemäß § 566 BGB als Rechtsnachfolge im Wege der gesetzlichen Vertragsübernahme ansieht2. Nach einer weiteren Auffassung ist dem Erwerber ein Anfechtungsrecht zuzubilligen, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Mietverhältnis ex nunc beendet wird3. Nach überwiegender Auffassung steht das Anfechtungsrecht dem Veräußerer und dem Erwerber nur gemeinsam zu4.

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Nach Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg ist der nach § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetretene Erwerber jedenfalls nicht allein zur Anfechtung des Mietvertrages nach § 123 Abs. 1 BGB berechtigt, wenn die arglistige Täuschung gegenüber dem Veräußerer verübt worden ist. Dabei kann hier dahinstehen, ob man der Meinung folgt, wonach eine Anfechtung durch den Erwerber in keinem Fall zulässig sei, oder ob man mit der überwiegenden Auffassung zugrunde legt, dass der Erwerber nur gemeinsam mit dem Veräußerer den Mietvertrag anfechten kann. Jedenfalls scheidet eine Anfechtung durch den Erwerber allein aus. Da die Anfechtung des Mietvertrages gemäß § 142 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt5, ist nämlich auch der Veräußerer von den Wirkungen einer Anfechtung des Mietvertrages durch den Erwerber betroffen. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn bei einer Rückabwicklung des nichtigen Mietvertrages der Mieter statt der vereinbarten höheren Miete nur Wertersatz in Höhe der ortsüblichen Miete zu leisten hätte, die geringer als die vereinbarte Miete wäre. Dann wäre nämlich nicht nur der Erwerber zur Rückzahlung der Differenz an den Mieter verpflichtet, sondern für die Zeit vor Eigentumsübergang auch der Veräußerer. Vor diesem Hintergrund erschiene es nicht sachgerecht, dem Erwerber allein das Anfechtungsrecht zuzubilligen. Der Auffassung, die ein uneingeschränktes Anfechtungsrecht des Erwerbers befürwortet mit der Begründung, dass der Mietvertrag vom Veräußerer auf den Erwerber im Wege einer gesetzlichen Vertragübernahme übertragen wird, steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – der sich das Berufungsgericht anschließt – entgegen, wonach der in den Mietvertrag nach § 566 BGB eintretende Erwerber nicht gesetzlicher Rechtsnachfolger des Voreigentümers ist, sondern vielmehr im Augenblick des Eigentumsübergangs zwischen dem Mieter und dem Erwerber kraft Gesetzes ein Mietvertrag mit demselben Inhalt zustande gekommen ist6. Auch der Meinung, die einen Übergang des Anfechtungsrechts auf den Veräußerer mit ex nunc-Wirkung befürwortet, steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen, wonach nämlich die Anfechtung ex tunc wirkt5, was – wie ausgeführt – zur Folge hat, dass der Veräußerer von den Wirkungen der Anfechtung betroffen werden kann, so dass schon aus diesem Grund eine Anfechtung ohne Beteiligung des Veräußerers nicht in Betracht kommt.

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Die Hauskäuferin war auch nicht deshalb zur alleinigen Anfechtung des Mietvertrags berechtigt, weil ihr – wie sie vorträgt – die Voreigentümerin im Grundstückskaufvertrag vom 17.08.2010 das Anfechtungsrecht abgetreten habe. In § 4 Ziff. 2 S. 2 des Kaufvertrages heißt es: „Die aus allen den Kaufgegenstand betreffenden Mietverhältnissen resultierenden Forderungen und sonstigen Rechte werden hiermit vom Verkäufer an den Käufer mit Wirkung auf den Verrechnungsbetrag abgetreten.“ In § 4 Ziff. 9 ist weiter bestimmt: „Der Verkäufer verpflichtet sich ferner, dem Käufer am heutigen Tag in separater Urkunde eine Vollmacht entsprechend Anlage 5 zu erteilen, wonach der Käufer zur Ausübung der eigentümerrechtlichen Vermieter-Befugnisse gegenüber Mietern berechtigt ist“. Ob hieraus eine Abtretung auch des Anfechtungsrechts entnommen werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Zwar können einzelne Rechte aus dem Mietverhältnis auf den Erwerber gesondert übertragen werden, sofern sie abtretbar sind (§ 399 BGB), was im Wesentlichen nur auf Zahlungsansprüche zutrifft7. Das Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB kann dagegen nach ganz h. M., der sich das Berufungsgericht anschließt, nicht abgetreten werden, da es an die Person des Erklärenden, dessen Entschließungsfreiheit es sichern soll, gebunden ist8.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 17. August 2012 – 4 U 8/129

  1. Soergel-Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 143 Rn. 6; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 566 Rn. 45[]
  2. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 10. Aufl., § 566 Rn. 126[]
  3. Münchener Kommentar-Häublein, BGB, 6. Aufl., § 566 Rn. 36[]
  4. Bub/Treier-Heile, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, III Rn. 892; Staudinger-Emmerich (2011), § 566 Rn. 43; Staudinger-Roth (2010), BGB, § 142 Rn. 10; Emmerich-Sonnenschein, Miete, 10. Aufl., § 566 Rn. 27; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 2. Aufl., Kapitel 5, Rn. 62; Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 566 Rn. 74 f.; Bamberger/Roth-Wendtland, BGB, 3. Aufl., § 143 Rn. 8; Erman-Arnold, BGB, 13. Aufl., § 143 Rn. 7[]
  5. BGH NZM 2008, 886[][]
  6. BGH NJW 2000, 2346; NJW-RR 2010, 1309[]
  7. Lammel, a.a.O., § 566 Rn.19[]
  8. Staudinger-Roth, a.a.O., § 142 Rn. 11; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 413 Rn. 5; Soergel-Hefermehl, a.a.O., § 143 Rn. 6; Bamberger/Roth-Wendtland, a.a.O., § 143 Rn. 8; a. A.: Münchener Kommentar-Busche, 6. Aufl., § 142 Rn. 6[]
  9. Die hiergegen eingelegte Nichtzulasungsbeschwerde wurde vom Bundesgerichtshof – ohne nähere Begründung zurückgewiesen: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05. März 2014 – XII ZR 112/12[]
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