Die zeitliche Dringlichkeit einer zur Vermeidung des Verjährungseintritts gebotenen Klageerhebung kann dem Mandanten durch den Hinweis des Rechtsanwalts hinreichend verdeutlicht werden, „sofort“ Klage erheben zu müssen.

Über den tatsächlichen Inhalt eines zwischen einem Mandanten und seinem rechtlichen Berater geführten Beratungsgesprächs ist in Ermangelung sonstiger Beweismittel eine beiderseitige Parteianhörung vorzunehmen.
Vortrags- und Beweislast im Haftungsprozess
Ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ist vom Mandanten darzulegen und zu beweisen, selbst soweit es dabei um negative Tatsachen geht. Der Rechtsanwalt darf sich aber nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie darauf der Mandant reagiert hat1. Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt auch, wenn dem Anwalt – wie hier – vorgeworfen wird, den Mandanten nicht auf den Ablauf der Verjährung hingewiesen zu haben2.
Belehrungspflicht bei drohender Verjährung
Der Rechtsanwalt ist im Rahmen des ihm erteilten Anwaltsauftrages verpflichtet, den Auftraggeber allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und die Geschäfte so zu erledigen, dass Nachteile für ihn – soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind – vermieden werden. Daraus folgt ohne weiteres die Verpflichtung, darauf zu achten, ob dem Mandanten wegen Verjährung ein Rechtsverlust droht, und dem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Insbesondere ist auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinzuweisen3. Allerdings kann nach Art und Umfang des Mandats eine eingeschränkte Belehrung ausreichend sein, etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit oder bei einem Aufwand, der außer Verhältnis zum Streitgegenstand steht. Eine in jeder Hinsicht lückenlose Aufklärung über alle rechtlichen Zusammenhänge und Folgen trägt vor allem bei schwieriger Sach- und Rechtslage die Gefahr in sich, den Mandanten zu überfordern und ihm so den Blick auf die für die Entscheidung wichtigen Gesichtspunkte zu verstellen. Dies würde dem Sinn und Zweck der geschuldeten Beratung zuwiderlaufen. Der Rechtsanwalt hat dem Auftraggeber daher nur die Hinweise zu erteilen, die ihm die für seine Entscheidung notwendigen Informationen liefern4.
Diesen Anforderungen hat der Rechtsanwalt mit dem an den Mandanten anlässlich der Besprechung gerichteten Hinweises, wegen drohender Verjährung „sofort“ Klage erheben zu müssen, genügt.
Der hier vom Bundesgerichtshof entschiedene Streitfall erforderte im Blick auf den Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung eine komplexe rechtliche Beurteilung. Dies schloss die Gefahr ein, dass sich das zur Entscheidung berufene Gericht bei der Beurteilung der Verjährung einer dem Mandanten ungünstigeren Betrachtungsweise anschließt5. Deswegen hatte der Rechtsanwalt dem Mandanten zur Vermeidung der Verjährung den relativ sichersten Weg zu empfehlen6.
Dieser Verpflichtung ist der Rechtsanwalt mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer „sofortigen“ Klageerhebung nachgekommen. Eine ins Einzelne gehende rechtliche Analyse über den Zeitpunkt des Verjährungseintritts war im Blick auf die schwierigen rechtlichen Zusammenhänge gegenüber dem Mandanten nicht geboten. Vielmehr konnte sich der Rechtsanwalt auf eine eingeschränkte Belehrung der Eilbedürftigkeit beschränken4. Im Streitfall hat der Rechtsanwalt die Eilbedürftigkeit hinreichend verdeutlicht, indem er den Mandanten darüber unterrichtete, dass „sofort“ Klage zu erheben sei. Dieser Begriff bringt die Dringlichkeit eines umgehenden Vorgehens zweifelsfrei zum Ausdruck. Zwar kann der Zwang zu einem unverzüglichen Tätigwerden auch durch andere Begriffe, etwa dass „umgehend“, „prompt“ oder „auf der Stelle“ Klage zu erheben ist, vermittelt werden. Wählt der Rechtsanwalt aber eine Formulierung, die – wie hier der Begriff „sofort“ – die Notwendigkeit eines ohne jeden Aufschub gebotenen Vorgehens unmissverständlich vor Augen führt, kann ihm nicht vorgeworfen werden, andere Begriffe wie „umgehend“, „prompt“ oder „auf der Stelle“, die keinen zusätzlichen Bedeutungsgehalt aufweisen, verwendet zu haben.
Auf der Grundlage der Mitteilung, dass sofort Klage einzureichen sei, wurde der Mandant hinreichend über das unmittelbar drohende Verjährungsrisiko aufgeklärt. Dabei verstand es sich von selbst, dass die Klage nicht in direktem Anschluss an die Unterredung erhoben, sondern zunächst noch verfasst und jedenfalls ein Gerichtskostenvorschuss bereitgestellt werden musste. Die Unmissverständlichkeit der Belehrung über die Notwendigkeit einer sofortigen Klageerhebung wird nicht dadurch berührt, dass die Umsetzung des Rats einen gewissen Zeitaufwand erforderte. Jedenfalls musste dem Mandanten nach dem Inhalt des Hinweises klar sein, dass die zur Vermeidung der Verjährung erforderlichen Schritte unmittelbar im Anschluss an das Beratungsgespräch einzuleiten waren. Hätte der Mandant diesen Rat befolgt, wäre er ohne weiteres in der Lage gewesen, rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen zu veranlassen. Darum kann sich der über die Dringlichkeit eines Vorgehens unterrichtete Mandant nicht darauf berufen, dass die Verwirklichung des ihm erteilten Rats nicht „sofort“ möglich war.
Parteivernahme
Das Gericht hat bislang die von dem Beklagten zu dem Inhalt des Beratungsgesprächs gegebene Sachverhaltsdarstellung, nach deren Inhalt ihm wegen des Hinweises auf die Notwendigkeit einer sofortigen Klageerhebung ein Beratungsfehler nicht angelastet werden kann, lediglich als zutreffend unterstellt. Der Kläger hat sich zum Inhalt des Beratungsgesprächs jedoch in einem gegenteiligen Sinne, wonach der Rechtsanwalt keine Gefahr einer Verjährung gesehen habe, geäußert. Nach der Zurückweisung der Sache wird das Berufungsgericht nunmehr Feststellungen über den tatsächlichen Inhalt des zwischen dem Kläger und dem Beklagten geführten Beratungsgesprächs zu treffen haben.
Da es sich dabei um ein Vier-Augen-Gespräch der Parteien handelt, wird das Gericht zum Zwecke der Beweiserhebung eine Anhörung beider Parteien entweder auf der Grundlage des § 141 ZPO oder des § 448 ZPO vorzunehmen haben7. In Berufshaftungssachen ist eine solche Parteianhörung jedenfalls in Ermangelung weiterer Beweismittel geboten, um Feststellungen über den Inhalt streitiger Beratungsgespräche treffen zu können8.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Juni 2011 – IX ZR 75/10
- BGH, Urteil vom 01.03.2007 – IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteil vom 26.06.2008 – IX ZR 145/05, WM 2008, 1563 Rn. 20[↩]
- BGH, Urteil vom 18.03.1993 – IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, 1780[↩]
- BGH, Urteil vom 01.03.2007, aaO Rn. 11[↩][↩]
- BGH, Urteil vom 17.06.1993 – IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797, 2798[↩]
- BGH, Urteil vom 19.11.2009 – IX ZR 12/09, WM 2010, 139 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.07.1998 – I ZR 32/96, NJW 1999, 363, 364; vom 27.09. 2005 – XI ZR 216/04, NJW-RR 2006, 61, 63[↩]
- vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.05.2001 – VI ZR 268/00, NJW-RR 2001, 1431, 1432; vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03, NJW 2005, 1718, 1719 jeweils Arzthaftung betreffend[↩]