Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme

Die der beklagten Partei durch die Einreichung einer Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme entstandenen Kosten sind erstattungsfähig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn sie sich bei der Einreichung in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme der Klage befunden hat1.

Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme

Die seitens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten erbrachte anwaltliche Tätigkeit war trotz der zuvor erfolgten Klagerücknahme notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Nach der Rechtsprechung des XII. und des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs2, die der Bundesgerichtshof für überzeugend hält, ist Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte.

Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Die Notwendigkeit bestimmt sich daher aus der „verobjektivierten“ ex anteSicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab3.

Deshalb sind Kosten, die der Rechtsmittelgegner in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme des Rechtsmittels verursacht hat und als sachdienlich ansehen durfte, notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO4.

Aus der Rechtsprechung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts anderes. Dieser hat nämlich auf eine entsprechende Anfrage des XII. Zivilsenats mitgeteilt, in der Entscheidung vom 25.02.20165 nicht auf einen rein objektiven Maßstab abgestellt zu haben. Entscheidend sei, ob die konkrete Maßnahme aus der Perspektive einer vernünftigen und sparsamen Partei als objektiv geeignet erscheine6. Soweit der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bislang die Notwendigkeit von Kosten der Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 ZPO nach einem rein objektiven Maßstab beurteilt hat7, hält er daran, wie er auf Anfrage mitgeteilt hat, nicht mehr fest.

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Geht es wie hier um die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Beklagten, die nach der Rücknahme der Klage entstanden sind, kann nichts anderes gelten als in den Fällen einer Rechtsmittelrücknahme. Deshalb sind die einer beklagten Partei durch die Einreichung einer Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme entstandenen Kosten erstattungsfähig, wenn sie sich bei der Einreichung in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme der Klage befunden hat8.

Im hier entschiedenen Fall konnte den Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie die Rücknahme der Klage im Zeitpunkt der Kosten auslösenden Mandatierung ihrer Prozessbevollmächtigten nicht kannten. Der Rücknahmeschriftsatz ist dem Verwalter erst nach der Mandatierung zugestellt worden. Dass die Beklagten oder der Verwalter aufgrund sonstiger Umstände bereits vor der Mandatierung Kenntnis von der Rücknahme hatten oder hätten haben müssen, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt und wird auch in der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht.

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 07.02.2018 – XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403; Beschluss vom 18.12 2018 – VI ZB 2/18, NJW-RR 2019, 381[]
  2. BGH, Beschluss vom 07.02.2018 XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403 Rn. 24; siehe auch bereits Beschluss vom 25.01.2017 XII ZB 447/16, FamRZ 2017, 365 Rn. 22 zu § 80 FamFG; Beschluss vom 10.04.2018 – VI ZB 70/16, VersR 2018, 1469 Rn. 10[]
  3. BGH, Beschluss vom 07.02.2018 – XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403 Rn. 24[]
  4. BGH, Beschluss vom 07.02.2018 – XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403 Rn. 25 ff.; Beschluss vom 10.04.2018 – VI ZB 70/16, VersR 2018, 1469 Rn. 10[]
  5. BGH, Beschluss vom 25.02.2016 – III ZB 66/15, BGHZ 209, 120[]
  6. vgl. die Wiedergabe der Antwort des III. Zivilsenats in BGH, Beschluss vom 07.02.2018 XII ZB 112/17, NJW 2018, 1403 Rn. 30[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 23.11.2006 – I ZB 39/06 NJW-RR 2007, 1163 Rn. 17; Beschluss vom 05.10.2017 – I ZB 112/16, FamRZ 2018, 620 Rn.10[]
  8. vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.12 2018 – VI ZB 2/18, NJW-RR 2019, 381 Rn. 8[]
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