Die Wirksamkeit der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter hängt nicht von den Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ab.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden. Die Unterbrechung ist durch die Aufnahmeerklärung des Insolvenzverwalters beendet worden. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kann das Verfahren nur nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen werden. Eine Aufnahme kommt demgemäß ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 85, 86, 180 Abs. 2 InsO in Betracht. Sowohl für die Klage als auch für die Widerklage ist die Wirksamkeit der Aufnahme jeweils selbständig zu beurteilen1.
Gemäß § 87 InsO können Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Diese Regelung verweist die Insolvenzgläubiger auf das Anmeldeverfahren nach §§ 174 ff InsO. Aus § 179 InsO folgt, dass eine bestrittene Forderung im Klageverfahren festzustellen ist2. Liegt für die bestrittene Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es gemäß § 179 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen. Ist über die Forderung bereits ein Rechtsstreit anhängig, kann der Widerspruch gemäß § 180 Abs. 2 InsO grundsätzlich nur durch Aufnahme dieses Rechtsstreits verfolgt werden3.
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München4 ist die Wirksamkeit der Aufnahme gemäß § 180 Abs. 2 InsO nicht davon abhängig, ob die von dem Schuldner eingeleitete Widerklage zulässig und begründet und ob die Verfolgung des Widerspruchs durch den Insolvenzverwalter erfolgversprechend ist.
Zwar erweitern § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO einerseits nicht die Möglichkeiten, die prozessual zum Angriff gegen (titulierte) Forderungen zur Verfügung stehen. Der bestreitende Insolvenzverwalter muss an „Gunst und Ungunst der bisherigen Prozesslage“ gebunden bleiben5. Ihm stehen insoweit nur diejenigen Befugnisse zu, die dem Schuldner selbst zur Verfügung gestanden hätten6. Andererseits sehen die vorgenannten Regelungen – umgekehrt – aber weder Einschränkungen der prozessualen Möglichkeiten noch weitergehende Voraussetzungen für die Aufnahme vor. Die Wirksamkeit der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter hängt insbesondere nicht von den Erfolgsaussichten seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ab. Dies erklärt sich bereits mit dem von prozessökonomischen Erwägungen getragenen Ziel des § 180 Abs. 2 InsO, neben der Vermeidung des Kosten- und Zeitaufwands eines selbständigen Insolvenzfeststellungsprozesses die bisherigen Prozessergebnisse zu erhalten und es namentlich auch zu ermöglichen, den anhängigen Prozess zu einem Abschluss zu bringen7.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. August 2022 – IX ZR 78/21
- vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2017 – VII ZR 101/14, BGHZ 217, 103 Rn. 15 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 315/14, BGHZ 213, 362 Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2021, aaO[↩]
- OLG München, Urteil vom 13.04.2021 – 34 U 1437/16[↩]
- vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, 5. Aufl., § 179 Rn. 23[↩]
- vgl. Schmidt/Jungmann, InsO, 19. Aufl., § 179 Rn. 21; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 179 Rn. 33 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 25.06.2020 – IX ZR 47/19, WM 2020, 1443 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 180 Rn. 3 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.01.2017 – IX ZR 315/14, BGHZ 213, 362 Rn. 21[↩]