Aufrechnung gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft

Gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Wohnungseigentümer grundsätzlich nur mit Forderungen aufrechnen, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind1.

Aufrechnung gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft

Ein Hausverwalter kann eine mit einem Wohnungseigentümer vereinbarte Lastschriftabrede kündigen, wenn dieser an seiner Ansicht festhält, mit einer streitigen Forderung gegen eine Beitragsforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft aufrechnen zu können, und daraus weitere Konflikte drohen.

Die Wohnungseigentümer können die Hausverwalterin in diesem Fall nicht darauf verweisen, von der Einzugsermächtigung Gebrauch zu machen und den geschuldeten Betrag von ihrem Konto einzuziehen.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall haben die Wohnungseigentümer der Hausverwaltung ursprünglich eine Einzugsermächtigung erteilt und diese damit ermächtigt, die zu leistenden Zahlungen mittels Lastschrift von ihrem Konto einzuziehen. Durch die Lastschriftabrede wird die Zahlungsverpflichtung des Schuldners zu einer Holschuld (§ 269 BGB). Der Schuldner hat das aus seiner Sicht zur Erfüllung Erforderliche somit getan, wenn er den Leistungsgegenstand zur Abholung durch den Gläubiger bereithält, d.h. im Lastschriftverfahren dafür sorgt, dass ausreichend Deckung auf seinem Konto vorhanden ist2. Die Einziehung ist Sache des Gläubigers.

Die Hausverwalterin hat die Lastschriftabrede jedoch wirksam gekündigt.

Dabei kommt es nicht darauf an, – weswegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat – ob der Gläubiger jederzeit und ohne besonderen Grund die Lastschriftabrede kündigen kann3. Denn ein Recht des Gläubigers zur Kündigung der Lastschriftabrede steht jedenfalls dann außer Frage, wenn ein sachlicher Grund besteht und die berechtigten Interessen des Schuldners an dem Fortbestand der Lastschriftabrede dem Interesse des Gläubigers, sich von der Lastschriftabrede zu lösen, nicht entgegenstehen. Ein Hausverwalter kann deshalb eine mit einem Wohnungseigentümer vereinbarte Lastschriftabrede kündigen, wenn dieser an seiner Ansicht festhält, mit einer streitigen Forderung gegen eine Beitragsforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft aufrechnen zu können, und daraus weitere Konflikte drohen.

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So verhält es sich hier. Die Hausverwaltung war aufgrund des Verhaltens der Wohnungseigentümer im Zusammenhang mit der Abbuchung des Hausgeldes für den Monat Juli 2013 zur Kündigung der Lastschriftabrede berechtigt.

Zwischen den Parteien entstanden Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des im Juli 2013 zu zahlenden Hausgeldes, weil die Wohnungseigentümer meinten, mit einer streitigen Forderung aufrechnen zu können (§ 387 BGB). Die darauf gestützte Weisung der Wohnungseigentümer, nicht das im Wirtschaftsplan ausgewiesene, sondern ein reduziertes Hausgeld einzuziehen, musste die Hausverwaltung nicht beachten. Sie war vielmehr berechtigt und verpflichtet, das fällige Hausgeld sowie die Instandhaltungsrücklage einzuziehen (§ 28 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Wohnungseigentümer grundsätzlich nur mit Forderungen aufrechnen, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind. Das ergibt sich aus der Natur der Schuld und dem Zweck der geschuldeten Leistung. Die im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Vorschüsse sollen zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums in dem betreffenden Wirtschaftsjahr tatsächlich zur Verfügung stehen4. Ob von dem Aufrechnungsverbot Hauptforderungen auszunehmen sind, die auf einer Notgeschäftsführung5 oder auf der Inanspruchnahme des Wohnungseigentümers durch einen Gläubiger der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 10 Abs. 8 WEG beruhen6, bedarf hier keiner Entscheidung.

Da die Beklagen auf ihrem irrigen Standpunkt, aufrechnen zu können, beharrten, musste die Hausverwaltung mit Rücklastschriften rechnen. Außerdem musste sie befürchten, dass es auch künftig zu Meinungsverschiedenheiten über Abbuchungen kommen werde. Dies bedeutete für sie einen erheblichen Mehraufwand, der dem Zweck der Lastschriftabrede – die Beschleunigung und Vereinfachung des Zahlungsverkehrs – zuwiderläuft. Zudem hatten die Wohnungseigentümer eine Strafanzeige angedroht. Die Hausverwaltung war daher berechtigt, ihr Einverständnis mit dem Lastschrifteinzug zu widerrufen.

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Berechtigte Interessen der Wohnungseigentümer stehen der Kündigung nicht entgegen. Die Hausverwaltung hat ihnen unmissverständlich mitgeteilt, von der Einziehungsermächtigung keinen Gebrauch mehr zu machen. Sie haben damit Gelegenheit erhalten, sich darauf einzustellen, die künftig fällig werdenden Beträge zu überweisen oder einen Dauerauftrag einzurichten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Januar 2016 – V ZR 97/15

  1. Fortführung von BGH, Urteil vom 01.06.2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 15[]
  2. BGH, Urteil vom 20.07.2010 – XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 26 mwN; Urteil vom 10.06.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rn. 24[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1977 – IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361, 367; Urteil vom 07.12 1983 – VIII ZR 257/82, NJW 1984, 871, 872; zum Meinungsstand vgl. Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn.190; Grundmann in Großkomm. HGB, 5. Aufl., Bankvertragsrecht Dritter Teil Rn. 109; Haertlein/Thümmler, WM 2008, 2137, 2143; Häuser, WM 1991, 1, 3; Schwarz, ZIP 1989, 1442, 1446[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 15 zum Zurückbehaltungsrecht; vgl. auch Bärmann/Becker, WEG, 13. Aufl., § 28 Rn. 93; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn.208; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG, Rn. 228 ff.; Weitnauer/Gottschalg, WEG, 9. Aufl., § 16 Rn. 28[]
  5. so etwa BayObLGZ 1977, 67, 71; vgl. auch BayOblG, ZMR 2005, 214, 215; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn.208; Weitnauer/Gottschalg, WEG, 9. Aufl., § 16 Rn. 28[]
  6. vgl. KG, ZWE 2002, 363, 364; Bärmann/Becker, WEG, 13. Aufl., § 28 Rn. 93[]
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