Auskunftspflichten des selbständig tätigen Schuldners in der Wohlverhaltensphase

In der Wohlverhaltensphase hat der selbständig tätige Schuldner auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, aus denen die ihm mögliche abhängige Tätigkeit bestimmt und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ermittelt werden kann, nicht jedoch Auskünfte über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit. Verlangt ein Gericht eine solche – nicht durch § 295 Abs.1 Nr. 3 InsO gedeckte Auskunft, begründen die Nichterteilung der Auskunft, eine unvollständige oder verspätete Auskunft grundsätzlich keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO oder nach § 296 Abs. 2 Satz 3 Fall 1 InsO.

Auskunftspflichten des selbständig tätigen Schuldners in der Wohlverhaltensphase

Die Obliegenheiten des § 295 InsO treffen den Schuldner erst ab der Aufhebung (oder der Einstellung, vgl. § 289 Abs. 3 InsO) des Insolvenzverfahrens. Dies setzt die Kenntnis des Schuldners von diesen Umständen und damit die Kenntnis von dem Ankündigungsbeschluss und dem Aufhebungs- oder Einstellungsbeschluss voraus1.

In der Wohlverhaltensphase war der Schuldner nur selbständig tätig. Das hat zur Folge, dass seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit grundsätzlich nicht unter die Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO fallen. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist daher insoweit nicht anzuwenden. Einnahmen, die ein Schuldner aufgrund einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit erzielt, müssen ihm uneingeschränkt zur Verfügung stehen, damit er seiner Abführungspflicht aus § 295 Abs. 2 InsO gerecht werden kann. Sie können deshalb ungeachtet der Tatsache, dass auch der selbständig tätige Schuldner seinem Antrag eine Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO beizufügen hat in aller Regel auch nicht als pfändbares Einkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO angesehen werden2. Zwar hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung offen gelassen, ob dies auch dann gilt, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Scheinselbständigen handelt3. Anhaltspunkte für eine bloße Scheinselbständigkeit hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt4.

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Ob der Schuldner als selbständig Tätiger einen Gewinn erzielt hat oder ob er einen höheren Gewinn hätte erwirtschaften können, ist unerheblich. Nach § 295 Abs. 2 InsO obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Vorschrift löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuldners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus einem angemessenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit5.

Der selbständig tätige Schuldner hat deswegen nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO dem Treuhänder oder dem Gericht auf Verlangen Mitteilung zu machen, ob er einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, wie seine Ausbildung und sein beruflicher Werdegang aussieht und welche Tätigkeit (Branche, Größe seines Unternehmens, Zahl der Angestellten, Umsatz) er ausübt, wobei seine Auskünfte so konkret sein müssen, dass ein Gläubiger danach die dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit bestimmen und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ermitteln kann6. Er hat jedoch keine Auskünfte über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu erteilen7. Verlangen Treuhänder oder Gericht eine solche nicht durch § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO gedeckte Auskunft, begründen die Nichterteilung der Auskunft, eine unvollständige oder verspätete Antwort keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO8.

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Für den Versagungsgrund des § 296 Abs. 2 Satz 3 Fall 1 InsO, den das Gericht auch ohne einen sich darauf beziehenden Antrag des Gläubigers zu berücksichtigen hat9, kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Nach dieser Vorschrift kann einem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn er im Verfahren über den Antrag eines Gläubigers auf Restschuldbefreiung eine vom Gericht geforderte Auskunft schuldhaft nicht innerhalb einer gesetzten Frist erteilt, ohne dass es auf eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ankäme10. Nach § 296 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 InsO hat der Schuldner allerdings lediglich über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen, nur darüber darf er durch das Gericht (im Rahmen des Versagungsantrags) befragt werden. Deswegen darf das Gericht – wie bei § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO – den selbständig tätigen Schuldner beispielsweise nach den Umständen befragen, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ableiten lassen11, nicht aber über seine Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit. Gehen die Fragen des Gerichts über den sich aus §§ 295, 296 Abs. 2 InsO ergebenden Rahmen hinaus, stellt die Nichtbeantwortung der Fragen keine Verletzung der Verfahrensobliegenheiten dar.

Da dem Schuldner in den Tatsacheninstanzen wie auch in der Rechtsbeschwerde nur vorgeworfen wird, er habe Auskünfte über seine sich aus der selbständigen Tätigkeit ergebende Einkommenssituation in der Wohlverhaltensphase nicht erteilt, kann eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 296 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 InsO aus Rechtsgründen nicht vorliegen. Es ist deswegen ausgeschlossen, dass die Berücksichtigung der Hinweise der Gläubigerin auf den Versagungsgrund des § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO bei richtiger Rechtsanwendung im Ergebnis zu einer anderen, für die Gläubigerin günstigeren Entscheidung geführt hätte12.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Februar 2013 – IX ZB 165/11

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2008 – IX ZB 249/07, NZI 2009, 191 Rn. 8; vom 14.01.2010 IX ZB 78/09, ZInsO 2010, 345 Rn. 9[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2009 – IX ZR 234/08, NZI 2010, 72 Rn. 8 ff[]
  3. BGH, aaO Rn. 18[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 22.09.2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101 Rn. 9[]
  5. BGH, Beschluss vom 05.04.2006 – IX ZB 50/05, NZI 2006, 413 Rn. 13; vom 19.05.2011 – IX ZB 224/09, NZI 2011, 596 Rn. 6[]
  6. vgl. FK-InsO/Ahrens, 7. Aufl., § 295 Rn. 60[]
  7. AG Göttingen, ZInsO 2011, 1855, 1856; FK-InsO/Ahrens, aaO[]
  8. zu §§ 97, 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vgl. BGH, Beschluss vom 20.03.2003 – IX ZB 388/02, NJW 2003, 2167, 2169; zu § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO vgl. FK-InsO/Ahrens, aaO § 295 Rn. 59; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2012, § 295 Rn. 25[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 19.05.2011 – IX ZB 274/10, NZI 2011, 640 Rn. 12[]
  10. BGH, Beschluss vom 08.10.2009 – IX ZB 169/08, ZInsO 2009, 2162 Rn. 6[]
  11. vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2009 – IX ZB 116/08, ZInsO 2009, 1268 Rn. 9[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 17.09.1992 – IX ZB 45/92, NJW 1992, 3243, 3244; vom 25.09.2003 – IX ZB 612/02, nv, Rn. 6; vom 25.09.2007 – VI ZR 162/06, ZMGR 2007, 141 Rn. 3[]
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