Die Austauschpfändung eines nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Kraftfahrzeuges ist nur zulässig, wenn das Ersatzstück eine annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie das gepfändete Fahrzeug aufweist.

Das ist dann nicht der Fall, wenn das gepfändete Kraftfahrzeug neun Jahre alt mit einer Laufleistung von 50.000 km, das Ersatzstück dagegen 19 Jahre alt mit einer Laufleistung von 200.000 km ist.
Damit konnte im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Schuldner seinen Audi TT 1,8 T Roadster/Cabrio behalten und musste nicht mit dem von der Gläubigerin als Austausch vorgesehenem VW Golf II vorlieb nehmen.
Im entschiedenen Fall konnte sich die Schuldnerin auf die Unpfändbarkeit des Kraftfahrzeuges Audi TT berufen, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, weil sie das Fahrzeug für ihre Fahrten zur Arbeitsstelle benutzte und hierauf zur Erzielung von Einkünften angewiesen war.
Jedoch genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs das Ersatzstück nicht dem geschützten Verwendungszweck der Fortführung der Erwerbstätigkeit, § 811a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
Die Pfändungsverbote des § 811 Abs. 1 ZPO dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse und beschränken die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Sie sind Ausfluss der in Art. 1 GG und Art. 2 GG garantierten Menschenwürde bzw. allgemeinen Handlungsfreiheit und enthalten eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG). Dem Schuldner und seinen Familienangehörigen soll durch sie die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um – unabhängig von Sozialhilfe – ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen zu können1.
Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens soll durch § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erreicht werden, dass der Schuldner seine Arbeitskraft für sich und seine Familienangehörigen einsetzen kann; er soll auch künftig den Unterhalt für sich und seine Familienangehörigen aus eigenen Kräften erwirtschaften können2.
Bei Fahrzeugen, die dem Schuldner das Erreichen seines Arbeitsplatzes am Dienstort ermöglichen, ist ein Austausch nach § 811a Abs. 1 ZPO grundsätzlich möglich. Ein höherwertiges Fahrzeug kann in der Regel gegen einen einfachen Pkw ausgetauscht werden. Er muss lediglich dem geschützten Verwendungszweck nach seiner Ausgestaltung genügen, er muss jedoch nicht von gleicher Art und Güte sein3.
Allerdings ist dem Schutzzweck des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nur dann genüge getan, wenn die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit auch zukünftig und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum gewährleistet ist. Der Schutz des Schuldners nach § 811 ZPO wäre unvollkommen, wenn das Ersatzstück nicht die annähernd gleiche Haltbarkeit und Lebensdauer wie der gepfändete Gegenstand aufweisen würde4.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Haltbarkeit und die Lebensdauer des Ersatzstückes der des gepfändeten Gegenstandes annähernd gleich kommt. Der Audi TT der Schuldnerin war im Zeitpunkt der Austauschpfändung neun Jahre alt, das Ersatzstück VW Golf II war 19 Jahre alt. Der Audi besaß eine Laufleistung von ca. 50.000 km, der Golf eine solche von 200.000 km. Zudem waren die Reifen des Golfs überaltert und die Hinterachse angerostet. Die Zusage des Zeugen V., neue Reifen aufzuziehen, muss mangels Rechtserheblichkeit außer Betracht bleiben, da der Zeuge am Zwangsvollstreckungsverfahren nicht beteiligt ist. Es liegt daher mangels vergleichbarer Haltbarkeit kein Ersatzstück vor, das geeignet wäre, den durch das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO geschützten Verwendungszweck zu erfüllen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Juni 2011 – VII ZB 114/09
- BGH, Beschluss vom 19.03.2004 – IXa ZB 321/03, NJWRR 2004, 789[↩]
- BGH, Beschluss vom 28.01.2010 – VII ZB 16/09, NJWRR 2010, 642[↩]
- MünchKomm-ZPO/Gruber, 3. Aufl., § 811a Rn. 3; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 811a Rn. 2; PG/Flury, ZPO, § 811a Rn. 3; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 811a Rn. 3; a.M. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 811a Rn. 3[↩]
- Stein/Jonas/Münzberg, aaO Rn. 3; PG/Flury, aaO Rn. 3; Zöller/Stöber, aaO Rn. 3; Musielak/Becker, aaO Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Gruber, aaO Rn. 3[↩]