Das Gericht kann davon absehen, den gerichtlich bestellten Sachverständigen anzuweisen, eine Bauteilöffnung vorzunehmen, und stattdessen eine Beweislastentscheidung treffen.

Das Gericht ist auch im Rahmen eines ihm nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO etwa eingeräumten Ermessens nicht zu einer entsprechenden Weisung an die Sachverständige verpflichtet.
Allerdings hat das Gericht gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO von Amts wegen die Pflicht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und ihm in diesem Rahmen gegebenenfalls für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Damit ist klargestellt, dass der Gutachter Gehilfe des Gerichts ist und ihm vom Gericht vorgegeben werden kann, was rechtlich bedeutsam ist1. Das gerichtliche Weisungsrecht umfasst damit neben den inhaltlichen Vorgaben, die der Sachverständige seiner Begutachtung zu grunde zu legen hat, grundsätzlich auch die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Maßnahmen, die der Begutachtung selbst oder deren Vorbereitung dienen und der Sachkunde des gerichtlich bestellten Gutachters bedürfen, sowie Weisungen zur Art und Weise des bei der Untersuchung des Beweisgegenstands gebotenen Vorgehens2.
Ob dieses grundsätzliche Weisungsrecht des Gerichts danach auch die Befugnis umfasst, einen Sachverständigen speziell zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, soweit diese für die Begutachtung erforderlich ist3, kann im Streitfall allerdings offenbleiben. Denn selbst wenn man dieses annimmt, so ist die von Amts wegen zu treffende Entscheidung darüber, ob das Gericht dem Sachverständigen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Weisung gemäß § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO zur Durchführung einer für die Begutachtung erforderlichen Maßnahme – hier die einer Bauteilöffnung – erteilt, dann jedenfalls in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt4.
Ein ihm etwa zustehendes Ermessen aber hat im hier entschiedenen Fall das Oberlandesgericht Celle in der Berufungsinstanz5 mit der Ablehnung, im Streitfall eine Weisung an die Sachverständige zu erteilen, jedenfalls rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Dabei ist die Handhabung des nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO eingeräumten Ermessens im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht die Notwendigkeit zur Ausübung seines Ermessens verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat6.
Derartige Ermessensfehler liegen im Streitfall nicht vor.
Das Oberlandesgericht Celle hat erkannt, dass die Erteilung einer Weisung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den Interessen der beweispflichtigen Partei und den mit einer Durchführung des Gutachtenauftrags für den Sachverständigen verbundenen Anforderungen voraussetzt und hierbei den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit einzelfallbezogen Rechnung zu tragen ist.
Bei seiner Ermessensentscheidung kann das Gericht den möglichen Erkenntniswert und die Verhältnismäßigkeit einer Weisung, aber auch berechtigte Belange des Sachverständigen oder Dritter berücksichtigen7. Dass es im Streitfall den mit der Bauteilöffnung des Hausfundaments verbundenen besonderen Gefahren und daraus resultierenden Haftungsrisiken für die Sachverständige ausschlaggebendes Gewicht gegen die Erteilung einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO beigemessen hat, hält sich im Rahmen des ihm etwa eingeräumten Ermessens.
Unbeschadet der Frage, welche Haftungsrisiken generell für einen Bausachverständigen bei der Durchführung einer Bauteilöffnung bestehen und wieweit er sich dagegen versichern kann8, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht Celle im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls entscheidend auf hier vorliegende besondere Risiken abgestellt hat, die sich nach seinen unangegriffenen und aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen daraus ergeben, dass die nicht zerstörungsfreie Untersuchung des Hausfundaments die Gefahr einer Beschädigung der Horizontal- oder Vertikalsperre birgt und die Sachverständige dies trotz ihrer Sachkunde und auch bei sorgfältiger Überwachung hinzugezogener Fachunternehmen nicht verhindern kann. Zu einer Bauteilöffnung unter Eingehung unkalkulierbarer (Haftungs-)Risiken braucht das Gericht einen Sachverständigen nicht anzuweisen9.
Auf der anderen Seite hat das Oberlandesgericht Celle entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass das Unterbleiben einer Weisung nach § 404a Abs. 1, Abs. 4 ZPO die Klägerin nicht von vornherein in Beweisnot bringt, da sie unter den Umständen des Streitfalls die Öffnung des Fundaments selbst hätte veranlassen können.
Schließlich begegnet die Anwendung der Beweislastregeln zulasten der Klägerin für den Bundesgerichtshof keinen Bedenken, nachdem sich diese nach den unangegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts Celle nicht zu einer Öffnung des Fundaments bereit erklärt hat . Dass die Beweisfrage aufgrund der verfügbaren Beweismittel noch in anderer Weise zu klären gewesen wäre10, ist nicht ersichtlich.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. September 2020 – IV ZR 88/19
- BGH, Beschluss vom 15.01.2020 – VII ZB 96/17, NJW 2020, 1074 Rn. 12; vgl. MünchKommZPO/Zimmermann, 5. Aufl. § 404a Rn. 3; Zöller/Greger, ZPO 33. Aufl. Vor § 402 Rn. 1, § 404a Rn. 1; Musielak/Voit/Huber, ZPO 17. Aufl. § 404a Rn. 2[↩]
- vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1360 7]; Stein/Jonas/Berger, ZPO 23. Aufl. § 404a Rn. 3; siehe auch OLG Celle BauR 1998, 1281 4][↩]
- bejahend z.B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.01.2018 – 19 W 41/17 4; OLG Celle BauR 2005, 1358 18, 28]; OLG Frankfurt NJW 1998, 2834 5 f.]; Keldungs, Jahrbuch Baurecht 2009, 217, 228; Kern, BauR 2014, 603, 613 f.; Stein/Jonas/Berger, ZPO 23. Aufl. § 404a Rn. 14; verneinend z.B. OLG Schleswig ZfBR 2018, 364 Rn. 25; OLG Frankfurt DS 2018, 215 Rn. 7; Beschluss vom 13.11.2003 – 15 W 87/03 15; OLG Rostock BauR 2003, 757 6]; Kamphausen, BauR 2003, 757, 760[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.2020 – VII ZB 96/17, NJW 2020, 1074 Rn. 12; OLG Schleswig NJW 2018, 1174 10]; OLG Köln, Beschluss vom 15.03.2010 – 11 W 14/10 5; Kern, BauR 2014, 603, 613[↩]
- OLG Celle, Urteil vom 31.01.2019 – 8 U 180/18[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 17.07.2014 – III ZR 514/13, VersR 2015, 71 Rn. 26; vom 26.06.2007 – XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 21; jeweils zu § 142 ZPO; BGH, Urteil vom 26.10.1983 – IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721 21]; BGH, Urteile vom 13.04.1994 – XII ZR 168/92, NJW-RR 1994, 1143 42]; vom 20.01.1992 – II ZR 115/91, NJW-RR 1992, 866 10]; jeweils zu § 448 ZPO[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 17.07.2014 – III ZR 514/13, VersR 2015, 71 Rn. 26; vom 26.06.2007 – XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn.20; jeweils zu § 142 ZPO[↩]
- siehe dazu Bleutge, DS 2018, 80, 81 f.; Seggewiße/Weber, MDR 2017, 679, 682 f.; Praun, BauR 2013, 1938, 1945 f.; Kern, BauR 2014, 603, 610 ff.; Keldungs, Jahrbuch Baurecht 2009, 217, 232 ff.; Liebheit, BauR 2008, 1510 ff.[↩]
- vgl. Kern, BauR 2014, 603, 613; Keldungs, Jahrbuch Baurecht 2009, 217, 229; siehe auch OLG Braunschweig NZBau 2004, 550 18] zur Freilegung eines im Eigentum des Beweisgegners stehenden Regenwassertanks[↩]
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 07.02.2019 – VII ZR 274/17, VersR 2019, 1240 Rn.19 m.w.N.[↩]