Bei Schneeglätte auf die Gegenfahrbahn…

Ein bei Schneeglätte auf die Gegenfahrbahn geratender Fahrzeugführer haftet allein für den hierdurch verursachten Unfall, die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs tritt hiergegen vollständig zurück.

Bei Schneeglätte auf die Gegenfahrbahn…

Sind an einem Unfall – wie vorliegend – mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt, so hängt nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 18 Abs. 3 StVG im Verhältnis der Unfallbeteiligten zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Das gilt nach § 17 Abs. 3 StVG nur dann nicht, wenn der Unfall auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen ist, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn es auch durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, und zwar gemessen an dem Verhalten eines „Idealfahrers“1.

Für den auf die Gegenfahrbahn schlitternden Fahrer war der Unfall schon deswegen nicht unvermeidbar, weil er aufgrund des eingeleiteten Bremsvorgangs auf die Gegenfahrbahn gerutscht ist und dies dafür spricht, dass er seine Geschwindigkeit nicht hinreichend den Straßen- und Wetterverhältnissen angepasst hat.

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Ob der Unfall für den Unfallgegner unvermeidbar war, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da eine eventuell von dessen Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr hinter dem Verschulden des auf die Gegenfahrbahn schlitternden Fahrers zurücktritt.

Im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 StVG sind neben feststehenden beziehungsweise unstreitigen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Nach diesem Grundsatz muss die gebotene Abwägung dazu führen, dass Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherung des schlitternden Fahrzeugs den unfallkausalen Schaden des Unfallgegners in voller Höhe zu erstatten haben. Denn es st davon auszugehen, dass der schlitternde Fahrer den Unfall schuldhaft verursacht hat, weil er nicht mit einer den Straßenverhältnissen angepassten Geschwindigkeit gefahren ist, ohne das dem Unfallgegner ebenfalls ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen ist.

Gerät ein Autofahrer bei winterlichen Straßenverhältnissen auf die Gegenfahrbahn, liegt ein typischer Geschehensablauf vor, bei dem nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass den Autofahrer ein Verschulden trifft2. Bei einem solchen Unfallverlauf spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Fahrer seine Geschwindigkeit nicht oder nicht hinreichend den besonderen Straßenverhältnissen und Wetterverhältnissen angepasst hat3.

Damit besteht ein Anscheinsbeweis, dass der schlitternde Fahrer den Unfall durch nicht angepasste Geschwindigkeit verursacht hat. Denn bei schneeglatter Fahrbahn muss ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit so einrichten, dass er sein Fahrzeug stets gefahrlos lenken und bremsen kann. Dieser Pflicht ist der schlitternde Fahrer nicht nachgekommen.

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Gerät ein Fahrzeug bei schneeglatter Fahrbahn aufgrund eines Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn und kollidiert es so mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, so tritt die Betriebsgefahr des entgegenkommenden Fahrzeugs im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile nach § 17 Abs. 1 StVG vollständig zurück4. Da auch ein besonders umsichtiger Fahrer grundsätzlich nicht damit zu rechnen braucht, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug aufgrund von winterlichen Straßenverhältnissen auf seine Fahrbahn rutscht oder schleudert und da das Verschulden des schlitternden Fahrers an dem Unfall aufgrund des Anscheinsbeweises feststeht, ist eine Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallgegners bei der Abwägung der Verursachungsanteile nicht zu berücksichtigen.

Landgericht Kiel, Urteil vom 25. Juli 2014 – 17 O 93/14

  1. vgl. Hentschel /König /Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 17, Rn. 22, m. w. Nachw.[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 11.01.1966, VI ZR 182/64[]
  3. vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.07.1992, 7 U 244/91[]
  4. vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.12.1993 – 6 U 54/93[]

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