Das Landgericht Potsdam hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung fristgerecht eingelegt ist. Dazu kann es gehören, dass das Landgericht Potsdam ermittelt, ob die gewählte Telefaxnummer dem Landgericht Potsdam zugeordnet ist. Des Weiteren kann bei Bestehen einer gemeinsamen Briefannahmestelle zu ermitteln sein, ob der gewählte Telefaxanschluss aufgrund einer Geschäftsordnungsregelung Teil einer gemeinsamen Posteingangsstelle ist.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wendet sich die Beklagte gegen die Verwerfung ihrer Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist. Das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Potsdam ist der Beklagten am 24.04.2014 zugestellt worden. Die auf den 23.05.2014 datierte Berufungsschrift ist am 30.05.2014 beim Landgericht Potsdam, dem Landgericht Potsdam, eingegangen. Auf dem Schriftsatz ist „vorab per Fax: 2017-1009“ vermerkt.
Mit Verfügung vom 04.06.2014 hat der Vorsitzende des Landgerichts Potsdam der Beklagten mitgeteilt, dass bei der Poststelle des Landgerichts weder am 23.05.noch am 24.05.2014 ein Faxeingang vermerkt und die Berufung aufgrund Fristablaufs unzulässig sei. Darauf hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mitgeteilt, dass die Berufungsschrift rechtzeitig vorab an das Landgericht Potsdam unter der Telefaxnummer 2017-1009 gefaxt worden sei und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt werde. Mit Schriftsatz vom 20.06.2014, eingegangen beim Landgericht Potsdam am selben Tag, hat er die Ausführungen ergänzt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte Folgendes ausgeführt und hierzu eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten T. vorgelegt: Die Berufungsschrift sei durch die Mitarbeiterin T. am 23.05.2014 gefertigt; vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnet und von der Mitarbeiterin T. an die Faxnummer des Landgerichts Potsdam 2017-1009 gefaxt worden. Der Sendebericht zeige die Übertragung von zwei Seiten sowie die Mitteilung, dass das Fax ordnungsgemäß übertragen worden sei.
Das Landgericht Potsdam hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen1. Die Beklagte mache eine Übersendung des Berufungsschriftsatzes per Fax am 23.05.2014 zwar glaubhaft. Allerdings sei die Faxnummer, an die das Fax ausweislich des Faxprotokolls abgeschickt worden sei, nicht diejenige des Landgerichts Potsdam, sondern des Amtsgerichts Potsdam Für den rechtzeitigen Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes komme es darauf an, wann das zuständige Gericht die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Schriftstück erhalte. Gebe es eine gemeinsame Posteingangsstelle zweier Gerichte, so sei der Schriftsatz dort mit Einreichung bei dem Gericht eingegangen, an das er adressiert sei. Gebe es jedoch getrennte Faxnummern, so erlange nur das Gericht, zu welchem die Faxnummer gehöre, die Verfügungsgewalt. So liege es im Streitfall. Dass an diesem fehlerhaften Ablauf die Beklagte bzw. deren Prozessbevollmächtigte kein Verschulden treffe, lasse sich nicht feststellen. Die Beklagte habe ohnehin im Rahmen ihres Wiedereinsetzungsantrags nichts dazu vorgetragen, warum sie die Faxnummer des Amtsgerichts verwendet habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde. Im Rechtsbeschwerdeverfahren führt sie aus, auf der Internetseite „Dienstleistungsportal der Landesverwaltung Brandenburg“ sei unter service.brandenburg.de ausdrücklich als Telefaxnummer des Landgerichts Potsdam auch die Nummer mit der Endung 1009 vermerkt gewesen. Auch das Gerichtsverzeichnis des Justizportals des Bundes und der Länder habe die Telefaxnummer 1009 als Faxnummer des Landgerichts Potsdam ausgewiesen. Diese Umstände sprächen dafür, dass Sendungen an die Faxnummer 1009 auch in die Verfügungsgewalt des Landgerichts Potsdam gelangten. Jedenfalls hätte das Landgericht Potsdam prüfen müssen, ob es eine gemeinsame Verfügung der Leiter des Landgerichts und des Amtsgerichts gegeben habe, worin geregelt sei, dass die Telefaxanschlüsse eines Gerichts zugleich als Anschluss des anderen Gerichts gälten.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landgericht Potsdam:
Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Landgericht Potsdam hat die Berufung der Beklagten wegen Verfristung als unzulässig verworfen, ohne zuvor die hierzu gebotenen Feststellungen zu treffen. Das verletzt die Beklagte in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG2.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines fristwahrenden Schriftstücks allein darauf an, wann es in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt ist.
Wird bei Übersendung mittels Telefax eine andere Empfängernummer als die des angeschriebenen Gerichts verwendet, bleibt entscheidend, wann der Schriftsatz nach Weiterleitung durch das zunächst angewählte Gericht tatsächlich in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt.
Wird ein Schriftstück allerdings bei einer gemeinsamen Eingangsstelle mehrerer Gerichte eingereicht, so gilt es mit der Einreichung bei dem Gericht eingegangen, an das es adressiert ist. Nur dieses Gericht erlangt die tatsächliche Verfügungsgewalt3.
Das Landgericht Potsdam durfte die Berufung mit der gegebenen Begründung nicht als unzulässig verwerfen. Es hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung fristgerecht eingelegt ist, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Das Landgericht Potsdam unterstellt, dass die Telefaxnummer mit der Endung 1009 ausschließlich dem Amtsgericht Potsdam zugeordnet sei. Mangels Begründung kann nicht nachvollzogen werden, warum das Gericht feststellt, bei diesem Anschluss handele es sich nicht um ein Empfangsgerät des Landgerichts.
Das Landgericht Potsdam prüft nicht, ob mit Eingang des korrekt an das Landgericht adressierten Schriftsatzes per Telefax dieser als in die Verfügungsgewalt des Landgerichts gelangt zu gelten hat. Dies wäre der Fall, wenn der genutzte Anschluss Teil einer gemeinsamen Posteingangsstelle war, für den aufgrund einer Geschäftsordnungsregel galt, dass die bei einem dieser Anschlüsse eingehenden Telefaxschreiben als bei der angeschriebenen Gerichtsstelle eingegangen anzusehen sind.
Es ist nicht ersichtlich, dass das Landgericht Potsdam überhaupt Ermittlungen dazu vorgenommen hätte, wie bei den Justizbehörden Potsdam die Telefaxannahme im Mai 2014 organisiert war. Zu solchen Ermittlungen bestand aber jedenfalls angesichts des Umstandes, dass zwischen diesen Stellen eine gemeinsame Briefannahmestelle eingerichtet ist, Anlass.
Demnach ist nicht auszuschließen, dass die angegriffene Verwerfung der Berufung zu Unrecht erfolgt ist.
Der angefochtene Beschluss ist mithin aufzuheben, um dem Landgericht Potsdam die Möglichkeit zu geben, die unterlassene Prüfung nachzuholen. Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof auf Folgendes hin:
Sollten die Ermittlungen des Landgerichts Potsdam ergeben, dass der Telefaxanschluss mit der Endung 1009 am 23.05.2014 ausschließlich dem Amtsgericht Potsdam zugewiesen war, ohne dass eine Regelung über eine gemeinsame Faxannahmestelle existierte, wäre der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu prüfen (§ 233 ZPO).
Dieser kann nicht wegen Verschuldens bei der Auswahl des Telefaxanschlusses zurückgewiesen werden. Nach den Darlegungen der Beklagten ist die Frist weder aus eigenem noch aus ihr zurechenbarem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten versäumt.
Zwar hat sie in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vom 13.06.2014 und im Schriftsatz vom 20.06.2014 keine Ausführungen dazu gemacht, warum die Mitarbeiterin T. die Faxnummer mit der Endung 1009 für die des Landgerichts Potsdam hielt. Grundsätzlich müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden. Jedoch dürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung durch einen gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erörtert und vervollständigt werden4.
Deshalb wäre der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10.09.2014 bei der neuen Entscheidung zu berücksichtigen. Mit diesem Schriftsatz hat sie auf den Beschluss des Landgerichts, mit dem ihr (erstmals) die Auffassung des Landgerichts Potsdam mitgeteilt worden war, dass die Berufungsschrift an einen falschen Telefaxanschluss übermittelt worden sei, reagiert. Sie hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass im Internet im Gerichtsverzeichnis des Justizportals des Bundes und der Länder sowie im Dienstleistungsportal der Landesverwaltung Brandenburg die Telefaxnummer 1009 als Faxnummer des Landgerichts Potsdam ausgewiesen war. Hiernach hätte die Beklagte die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an die Auswahl der richtigen Telefaxnummer des Empfängergerichts stellt, erfüllt. Dafür genügt es, wenn die Empfängernummer anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder einer anderen geeigneten Quelle vorgenommen wird, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht5.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Oktober 2016 – VII ZB 45/14
- LG Potsdam, Beschluss vom 25.08.2014 – 3 S 31/14[↩]
- vgl. BVerfG NJW-RR 2008, 446 f. 8 ff.; BGH, Beschluss vom 10.03.2011 – VII ZB 28/10, NJW-RR 2011, 790 Rn. 3[↩]
- BGH, Beschluss vom 01.06.2016 – XII ZB 382/15, MDR 2016, 1038 Rn. 11; Beschluss vom 23.04.2013 – VI ZB 27/12, NJW-RR 2013, 830 Rn. 12; Beschluss vom 23.05.2012 – IV ZB 2/12, NJW-RR 2012, 1461 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2016 – VI ZB 7/16, NJW-RR 2016, 952 Rn. 14; Beschluss vom 03.12 2015 – V ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 8 f.; Beschluss vom 25.09.2013 – XII ZB 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.04.2013 – VI ZB 27/12, NJW-RR 2013, 830 Rn. 8; und vom 12.06.2012 – VI ZB 54/11, NJW-RR 2012, 1267 Rn. 7; jeweils m.w.N.[↩]