Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen nur gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind1.
Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt2.
Dies gilt grundsätzlich auch für Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens getroffen worden sind. In diesem Fall können unter anderem die – hier von der Nichtzulassungsbeschwerde gerügten – die Geeignetheit in Frage stellenden Widersprüche des Gutachtens Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen wecken3. Versäumt das Gericht, Unklarheiten oder Widersprüche im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen aufzuklären, ist das ein Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 286 ZPO). Erkennbar widersprüchliche Gutachten sind keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts. In der Berufung ist deshalb eine Bindung des Berufungsgerichts an die Feststellungen der ersten Instanz nicht gegeben (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Urteil unterliegt vielmehr auf Rüge der Aufhebung4.
- vgl. BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258 und BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 272; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BTDrs. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2003 – VI ZR 361/02, NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BTDrs. 14/6036 S. 124[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.07.2003 – VI ZR 361/02, aaO; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 529 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 249[↩]