Bewegt sich das Verhalten einer demenzkranken alten Dame in dem Rahmen, der von dem Betreiber eines Pflegeheims von Bewohnern einer Demenzabteilung noch hingenommen werden muss, liegt kein wichtiger Grund für eine Kündigung des Heimvertrages durch den Heimbetreiber vor.
Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Oldenburg in dem hier vorliegenden Fall die Kündigung einer Heimbewohnerin als unwirksam angesehen und gleichzeitig die Klageabweisung der Räumungsklage durch das Landgericht Osnabrück bestätigt. Im Jahr 2015 ist die betroffene alte Dame in die Demenzabteilung des Heims in Osnabrück eingezogen. Nachdem die Seniorin nach einem Krankenhausaufenthalt medikamentös neu eingestellt wurde, zeigte sie sich viel unruhiger als zuvor. Das Heim erklärte die Kündigung und forderte den Auszug der Seniorin. Die Heimleitung behauptete, die alte Dame störe den Heimfrieden erheblich, laufe ständig umher, gehe in die Zimmer anderer Bewohner, öffne dort Türen und Fenster und schaue bei der Intimpflege zu. Sie sei aggressiv und boxe die Pflegekräfte, stelle ihnen und anderen Bewohnern das Bein und fahre sie mit dem Rollator an. Außerdem esse und trinke sie nicht mehr richtig. Sie stelle eine Gefahr für sich und andere dar.
Das Landgericht Osnabrück wies die Räumungsklage des Heims ab. Die Kündigung sei unwirksam. Dagegen hat sich das Seniorenheim vor dem Oberlandesgericht Oldenburg gewehrt.
In seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht Oldenburg ausgeführt, dass ein Heimvertrag von Seiten des Heims nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne (§ 12 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG), wenn dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar sei. Dies sei hier nicht der Fall. Abzuwägen seien die Interessen des alten Menschen, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und die Interessen des Heims, sich von dem Vertrag zu lösen. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass dem Heim die Demenzerkrankung der alten Dame bereits bei deren Einzug bekannt gewesen sei. Gewisse Verhaltensauffälligkeiten seien daher hinzunehmen. Es sei auch nicht erkennbar, dass es tatsächlich schon zu Sach- oder gar Körperschäden gekommen sei. Das Heim habe auch nicht dargestellt, dass es bereits Maßnahmen ergriffen habe, um die Seniorin von dem geschilderten Verhalten abzuhalten. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg ergebe die Abwägung, dass sich das behauptete Verhalten der alten Dame in dem Rahmen bewege, der von dem Betreiber eines Pflegeheims von Bewohnern einer Demenzabteilung noch hingenommen werden müsse.
Die Seniorin darf im Heim wohnen bleiben. Die Kündigung ist unwirksam.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 28. Mai 2020 – 1 U 156/19
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- Pflegeheim: Gundula Vogel